Widerstand Jugendlicher
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Der Widerstand bzw. die Opposition Jugendlicher gegen das Dritte
Reich entwickelte sich spontan. Er war nicht geplant und geregelt wie
bei den Jugendorganisationen der SPD oder KPD. In diesen
Organisationen wurde der Widerstand aus einer politischen Motivation
heraus geführt. Die Motive der allgemeinen Jugendopposition waren
unterschiedlich. Ein Teil der Jugendlichen wünschte sich eine freiere
Jugendkultur, ein anderer Teil knüpfte an die Traditionen der, 1933
verbotenen, bündischen Jugendgruppen an, wieder andere lehnten den
Staat aus religiösen Gründen ab. Eine ganze Reihe Jugendliche gingen
aus reiner Abenteuerlust in Opposition. Insgesamt wehrten sich die
Jugendlichen gegen den immer stärker werdenden Druck des Staates. Der
Widerstand der Jugendlichen, von denen viele anfangs der HJ (Hitler Jugend) noch
positiv gegenüberstanden, verstärkte sich in dem Augenblick, als der
HJ-Dienst immer mehr militärischen Eigenschaften annahm. Die
Jugendopposition äußerte sich ganz unterschiedlich. Zum Beispiel:
ziviler Ungehorsam,
Aufrechterhaltung traditioneller Gemeinschaften,
Ablehnung von NS - Normen.
zum Teil aktiver Widerstand -Sabotage, Flugblattverteilung
Aus den Jugendgruppen ging z.B. die Weiße Rose hervor. Die
Jugendopposition wurde vom NS - Regime sehr ernst genommen. Die
Gruppen wurden systematisch verfolgt und bestraft.
Die Machthaber scheuten sich nicht, Minderjährige mit dem Tode zu
bestrafen. Dabei bedienten sie sich auch der Rechtsbeugung. Dem
siebzehnjährigen Helmuth Hübner bescheinigte man eine über sein Alter
hinausgehende Intelligenz und verurteilte ihn als Erwachsenen, was
das Todesurteil zur Folge hatte. Helmuth Hübner hörte sogenannte
Feindsender ab und verbreitete die Nachrichten auf Flugblättern. Es
ging sogar so weit das sich Gruppen bildeten die Waffen, Munition
u.a. kampfwichtige Dinge sammelten um dann beim Einmarsch von den
Alliierten wichtige Offiziere an der Flucht zu hindern. Andere
kämpften als Partisanen gegen die Nazis und verübten Anschläge
innerhalb Deutschlands gegen wichtige Funktionäre.
Nun zu zwei der bekanntesten Jugendgruppen:
Die Edelweißpiraten
Die Anfänge der sogenannten \"wilden Jugendgruppen\", zu denen auch die
Edelweißpiraten gehörten, entstanden in den Jahren 1938/39, als die
HJ durch die \"Jugenddienstpflicht\" vom 25.2.1939 die Freiheiten der
Jugendlichen immer mehr einschränkte. Diese Einschränkung hatte zur
Folge, dass viele Jugendliche den Wunsch nach jugendlicher
Selbstbestimmung hegten und dementsprechend die Disziplin und den
Massencharakter der nationalsozialistischen Jugendorganisationen
ablehnten.
Das galt auch für Mädchen, die sich nicht in die \"Frau und
Mutterrolle\" der Nationalsozialisten drängen lassen wollten und sich
deshalb den wilden Jugendgruppen anschlossen. Durch die Mädchen wurde
die Anziehungskraft der Cliquen erhöht, da in der HJ eine absolute
Geschlechtertrennung herrschte.
Die Edelweißpiraten, die im gesamten Reichsgebiet existierten, waren
die größte Jugendgruppe mit dem Schwerpunkt im Rhein-Ruhr-Gebiet.
Mitglieder der Edelweißpiraten waren überwiegend junge Arbeiter, die
die Traditionen der bündischen Jugend pflegten. Ihr Erkennungszeichen
war ein Edelweiß unter dem linken Rockaufschlag oder eine
edelweißfarbene Stecknadel.
Es wird geschätzt, dass die Edelweißpiraten mehrere tausend Anhänger,
im Alter zwischen 14 und 17 Jahren, hatten.
Die Jugendlichen hatten eine bewusste Antihaltung gegenüber dem
Staat, allerdings kein politisches Konzept und keine gemeinsame
Organisation. Da die einzelnen Gruppen nebeneinander her existierten,
hatte später die Gestapo (Geheime Staats Polizei)
bessere Zugriffsmöglichkeiten.
Der Widerstand der Edelweißpiraten gegen das NS-Regime äußerte sich
in der Anfangsphase in der Durchführung verbotener Fahrten und
Zeltlager. Das freie Fahrtenwesen der Wandervogelbewegung war von der
HJ-Führung verboten worden. Stattdessen wurden HJ-Fahrten und -Lager
eingeführt. Hier war der Tagesablauf mit militärischer Disziplin
geregelt, es Herrschte ideologische Schulungen und militärische
Übungen. Um den oppositionellen Jugendlichen die freien Fahrten
unmöglich zu machen, wurde ihnen das Zelten verboten und die
Benutzung von Feuerzelten. Die Edelweißpiraten missachteten das
Fahrtenverbot und zelteten innerhalb Deutschlands umher.
Ein Zusammentreffen mit dem HJ-Streifendienst führte automatisch zu
Konflikten mit der Staatsmacht. Die Jugendlichen wurden von der
Polizei verhört und für den Wiederholungsfall wurde ihnen mit
schärferen staatspolizeilichen Maßnahmen gedroht.
Eine andere Form der Verweigerung war das Schwänzen des HJ-Dienstes
oder ein provozierter Rausschmiss aus der HJ. In diesen Fällen hatte
das eine Meldung zur Folge, die den Jugendlichen Schwierigkeiten in
der Schule und bei der Suche nach einer Lehrstelle bereitete.
Waren die verbotenen Fahrten und die Nichtteilnahme am HJ-Dienst eine
reine Verweigerung, entwickelte sich später bei den Edelweißpiraten
ein spontaner politischer Widerstand. Dieser spontane politische
Widerstand äußerte sich unter anderem in Prügeleien mit der HJ.
\"...Ich ging mit noch mehreren Jungen in Zivil am Hellweg
runter, als wir plötzlich von einer Menge Jungens überfallen wurden.
Schätzungsweise waren es etwa 50 Personen. Es entwickelte sich eine
Schlägerei.\"(Bericht eines HJ-Mitgliedes)
Besonders verhasst waren den Edelweißpiraten die HJ-Führer, da sie
als hundertprozentige Nazis galten. Wenn diese HJ-Führer nach
Dienstschwänzern suchten, wurden sie oft in eine Falle gelockt und
verprügelt. Ein anderes Widerstandsmittel war das Verteilen von
Flugblättern mit antifaschistischen Inhalt und das Malen von
Wandparolen mit ebensolchen Inhalt. z.B. "Nieder mit Hitler"
Die Jugendlichen hörten auch feindliche Sender ab und verbreiteten
die Nachrichten auf Flugblättern. Das Hören von Feindsendern und die
Verbreitung der Nachrichten war eine lebensgefährliche Sache.
"Im März/April 1944 haben wir jede Nacht den englischen
Sender abgehört und kriegten so immer die neusten Informationen. Und
dann machten wir Flugblätter auf Schuhkartons...Die Texte waren ganz
unterschiedlich: Die Amerikaner stehen an den Reichsgrenzen. Macht
Schluss mit dem Scheiß-Krieg oder wir haben andere Flugblätter
gemacht. Ich entsinne mich an eines, da war Stalingrad gefallen, da
steht Hitler zwischen Leichen und ist am Lachen, darunter stand: Ich
fühle mich so frisch, es naht der Frühling.\" (Bericht eines
Edelweißpiraten)
1943 entschlossen sich einige Mitglieder der Edelweißpiraten, in die
Illegalität zu gehen und Kontakt zur politischen Opposition
aufzunehmen
Das NS-Regime verstärkte seine Kontroll- und Repressionsmaßnahmen in
dem Maße, wie der jugendliche Widerstand zunahm. Besonders als sich
der Kriegsverlauf verschlechterte. Anfangs wurde versucht, die
oppositionellen Jugendgruppen wieder in das System einzugliedern. Als
diese Maßnahmen nicht fruchteten, begann man die Jugendlichen zu
kriminalisieren. Da es im Reichsstrafgesetzbuch keine
Strafbestimmungen für jugendliche Cliquenbildung gab, wurden
allgemeine Strafbestimmungen herangezogen, um sie auf die
Jugendlichen anzuwenden. Die Auseinandersetzung mit den
oppositionellen Jugendgruppen wurde später auf eine politische Ebene
gestellt. Das heißt, die Jugendlichen wurden als Staatsfeinde und
Hochverräter behandelt. Die Nazis sahen in der Jugendopposition im
Grunde keine Form des Widerstandes, sondern in erster Linie die
Infragestellung ihres totalitären Erziehungsanspruches. Im Kriege kam
noch die Gefahr der sogenannten \"Wehrkraftzersetzung\" dazu, da sich
die Jugendlichen gegen den Krieg aussprachen.
Die Nazis definierten die Cliquen folgendermaßen:
\"Zusammenschlüsse Jugendlicher außerhalb der HJ, die nach bestimmten,
mit der nationalsozialistischen Weltanschauung nicht zu vereinbaren
Grundsätzen ein Sonderleben führen. Gemeinsam ist ihnen die Ablehnung
oder Interesselosigkeit gegenüber den Pflichten innerhalb der
Volksgemeinschaft oder der HJ, insbesondere der mangelnde Wille, sich
den Erfordernissen des Krieges anzupassen.\"
Das NS-Regime bestrafte die oppositionellen Jugendlichen mit
Fürsorgeerziehung, Gefängnis, Jugend-KZ und schreckten auch vor der
Todesstrafe nicht zurück.
Bereits 1940 wurde das Jugend-KZ Moringen eingerichtet. Hier wurden
unangepaßte Jugendliche dauerinhaftiert. Viele Edelweißpiraten
gehörten zu den ca. 1000 Häftlingen.
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