Im zweiten Kapitel stellt Sofie fest, daß die beiden im ersten Kapitel behandelten Fragen von großer und ursprünglicher Wichtigkeit sind, die alles andere, wie beispielsweise ihren Unterricht oder ihre Freizeit, in dieser Beziehung belanglos erscheinen lassen. Sie erhält wieder einen Umschlag vom anonymen Briefeschreiber, der diesmal einen etwas längeren Text enthält. Dieser legt besondere Gewichtung darauf, daß alles, was ein guter Philosoph brauche, die Fähigkeit sei, sich zu wundern und dementsprechende Fragen zu stellen (vgl. Z.5). Dies betont er mehrfach und führt hierzu auch zahlreiche Beispiele an. Die Antworten auf diese Fragen aber seien oft sehr unterschiedlich und voneinander abweichend. Ferner stellt er fest, die Philosophie sei eine Wissenschaft, die kein persönliches Hobby einzelner Menschen sein dürfe, sondern jeden etwas angehen müsse. Schließlich erklärt er, Philosophen seien in der Regel die Personen, die sich mehr und ernsthaftere Gedanken machten als ihre Mitmenschen und von diesen deshalb oft nicht ernst genommen würden.
Auffällig ist, daß die Regelmäßigkeit der zugestellten Umschläge beibehalten wird: als Vorbereitung auf einen der längeren Texte erhält Sofie jedesmal eine kleinere Karte mit Fragen, die sie zum Nachdenken über das im nachfolgenden Text behandelte Thema anregt.
Als die Mutter einmal durch Zufall einen der Briefe an ihre Tochter entdeckt, äußert sie die Vermutung, diese sei verliebt. Sofie zieht es vor, ihre Mutter in diesem Glauben zu belassen. Um fernerhin von ihrer Mutter unentdeckt zu bleiben, gewöhnt sich Sofie an, ihre Studien in einer kleinen Höhle in ihrem Garten durchzuführen, die sie in ihrer Kindheit oft nutzte. Auch der unbekannte Philosophielehrer paßt sich dieser Maßnahme an, indem er seinen Hund, einen großen Labrador namens Hermes, die Briefe direkt in dieses Geheimversteck bringen läßt. Dies sind wichtige Anzeichen dafür, wie wenig Beachtung und Respekt die Philosophie in der heutigen Zeit trotz ihrer soeben erläuterten Wichtigkeit findet.
|