Literat und Staatsmann
Ein Referat von Nikola Aschoff
Anmerkung: Eigentlich hatte ich das Referat nur stichwortartig vorbereitet, habe es dann aber doch zu weiten Teilen ausformuliert. Den Rest habe ich nachträglich hierfür nachbearbeit und auch ein Teil der Ergänzungen in den Klammern habe ich erst später eingefügt, damit jeder dem Inhalt auch ohne Vorkenntnisse folgen kann.
Ich hoffe daher, daß Ihr mir mein an manchen Stellen doch sehr holpriges Aufzählen von Fakten entschuldigt (vor allem zum Ende hin - da hatte ich keine Lust mehr alles auszuformulieren J)
Vaclav Havel
Vaclav Havel wurde am 5.10.1936 als erster von zwei Söhnen einer, später enteigneten, bürgerlichen Familie in Prag geboren. Seine Eltern Mutter Bozêna Havlova geb. Vavrecka und sein Vater Vaclav Havel stammen beide aus sehr angesehen Familien der Tschechei. So setzte sich Großvater Vaclav Havel sehr für die Kultur in Prag ein und erbaute die Lucerna (den Kulturpalast) in Prag. Havels anderer Großvater Hugo Vavrecka, wurde, obwohl er eigentlich Elektrotechnik studierte, 1920 Konsul in Hamburg und ging später noch als Botschafter nach Budapest und Wien. Insgesamt war Hugo Vavrecka ein universal begabter Mensch. Er beriet z.B. schon als Student Tomàsz Batá (Batá-Schuhe) in unternehmerischen Fragen. Zudem schrieb er philosophische Abhandlungen sowie ein Theaterstück. Er verfolgte das politische Ziel, eine mitteleuropäische Orientierung ohne Vorherrschaft einer Großmacht aufzubauen. Als er aber merkte, daß Österreich immer mehr dem Anschluß mit Deutschland entgegensteuerte, quittierte er 1932 desilluisioniert seinen Dienst. Havel ist diesem Großvater in vielen Dingen sehr ähnlich. Er ist genauso idealistisch und auch das schriftstellerische Talent sowie sein diplomatisches Geschick hat er von ihm geerbt. Vater Havel war Dipl.-Ingenieur, seine Frau Bozêna studierte Malerei und Französisch.
Havel selbst fing schon früh an sich für Literatur zu interessieren und gründete im Alter von 15 Jahren zusammen mit Freunden die Gruppe "Die 36". Aufgrund seiner bürgerlichen Herkunft war es für ihn fast schon unmöglich unpolitisch zu bleiben, da er automatisch in eine gesellschaftliche Außenseiterposition gedrängt wurde. Havel verschlang schon als Jugendlicher Literatur, Lyrik und Geschichte, wobei er eine besondere Vorliebe für Kafkas Literatur entwickelte, was seine eigenen Werke später stark prägte. Außerdem übte sein Großvater Vavrecka einen großen Einfluß auf ihn aus, was sich in der Wahl seiner Freunde und seiner Lektüre niederschlug - er las eigentlich nur ideologisch abtrünnige Bücher aus der 1.Republik. Obwohl Havel ein begabter Schüler war, durfte er das Gymnasium nicht abschließen, sondern er mußte Mitte der 10ten Klasse von der Schule abgehen und eine Lehre als Chemielaborant ergreifen, "um sich der Arbeiterklasse zu nähern". Während seiner Ausbildung besuchte Vaclav zusammen mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Ivan das Abendgymnasium. Anschließend wollte er an der Filmfakultät der Akademie der Musischen Künste studieren, was ihm aber aufgrund seiner bürgerlichen Herkunft verboten wurde. So begann er Ökonomie des Verkehrswesens zu studieren. 1956 lernte er dann seine Frau Olga kennen, die von diesem Zeitpunkt nicht mehr von seiner Seite wich und die er dann im Juli 1964 heiratete. 1956 tritt Vaclav Havel zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung. Als er einen Leserbrief an die Zeitschrift Kvêten (Mai) schrieb, einem Forum für junge Autoren, kritisierte er, daß die Entstalinisierung nur halbherzig vorangetrieben werde. Sein Artikel wurde nach dem Erscheinen kontrovers diskutiert und er wurde daraufhin zur Konferenz junger Autoren eingeladen, wo sich die "Creme de la Creme" der sozialistisch realistischen Schriftsteller traf. Havel hielt vor Ihnen eine außerordentlich kühne Rede, in der er sie alle der Heuchelei überführte und in der er anprangerte, daß soviele Autoren und deren Literatur verboten waren. Zu dieser Zeit war Havel Mitglied der "Gruppe 42", in der sich bekannte Künstler wie Milos Forman, Juri Kubena, Josef Topol,... gegen die offizielle Kunst auflehnten und jegliche Reglementierung ablehnten. Sie alle interessierten sich sehr für die verbotene Literatur der 1.Republik.
1957 beim Militär fing Havel an Theaterstücke zu schreiben und ab 1960 arbeitete er am "Theater am Geländer", wo er 8 Jahre blieb. Dort veröffentlichte er zunächst Stücke wie "Traurige Weihnachten" und danach "Autostop", ehe ihm 1963 mit "Das Gartenfest" sein künstlerischer Durchbruch gelang. In diesem Theaterstück setzt er sich mit den Gefahren totalitärer Machtansprüche für den Staat und das Individuum auseinander. Auch spätere Stücke wie "Die Benachrichtigung" (1965) oder "Largo Desolato" (1967) setzten diese Thematik fort. Insgesamt entwickelte sich das Theater am Geländer in seiner Zeit zum Zentrum des künstlerischen Aufbruchs und der Innovation. Parallel zu seiner Tätigkeit im Theater am Geländer, war er ab 1965 Mitglied des Redaktionsrates der literarischen Zeitschrift Tvâr (Gestalt, Antlitz). Durch diese Mitarbeit wurde er politisch stark geprägt, da er von Anfang an um das Überleben der Zeitschrift kämpfen mußte. Tvâr wollte eine Brücke zwischen dem Vergangenen aus der 1.Republik und der Untergrundliteratur zur Gegenwart sein. Zudem wollte sie freie (Literatur)kritik üben. 1966 beschloß die Partei, daß Tvâr eine Verlagszeitschrift werden sollte, was einem Zusammenbruch der Zeitschrift gleichkam. Im April 1968 schrieb Havel einen äußerst brisanten Artikel für die Literaturzeitung "Literární listy" "zum Thema Opposition", in welchem er politische Pluralität vorschlägt, was auch für ihn persönlich sehr riskant war. In Reichenberg nahm Havel in den Augustwochen des Prager Frühlings aktiv am Widerstand teil, indem er Proklamationen und Texte schrieb, die dann über Lautsprecher und über das örtliche Fernsehen verbreitet wurden. Im Juli und August 1969 beteiligte sich Vaclav Havel an der Formulierung der "10 Punkte", die die Politik der "Normalisierung" anklagte und verurteilte. Die Unterschrift unter diese Proklamation wurde ihm später als Straftat angelastet und am Ende des Jahres 1969 bekam er ein Berufs- und Publikationsverbot. 1970 wurde er dann sogar öffentlich verunglimpft und in den Jahren darauf wurden seine Bücher aus Bibliotheken und Schulen verbannt. Gleichzeitig erhielt Havel die ersten internationalen Auszeichnungen (öster. Staatspreis für Literatur (1969), amerikanischer Obie, etc.). Im Jahr 1972 gründete er die Edice Petlice, eine Edition von Untergrundliteratur sowie die Edice Expdice. 1975 schrieb er dann einen offenen Brief an den Ersten Sekretär der Partei Husák, was sehr riskant war, da niemand wußte wie Husák darauf reagieren würde (Thema des Briefes: Havel hat Angst, womit das tschechoslowakische Volk diese Unterdrückung irgendwann bezahlen muß). Husák reagierte nicht, aber der Brief kursierte in zahlreichen Abschriften unter den Leuten und führte ihnen die Mißstände in ihrem Land vor Augen.
1976 begann die Vorbereitung der Charta 77 (die von nun an die Grundlage des Widerstandes darstellen sollte), an der er mitarbeitet (er ist einer der drei Sprecher) und die keinen einzelnen Autor, sondern eine Autorenschaft besitzt. Der Untertitel der Charta lautet: "Über die Pflicht, sich gegen Unrecht zu wehren". Insgesamt unterschrieben 242 Menschen die Charta 77. Am 14.1.1977 wurde Havel verhaftet, zwischenzeitlich wieder freigelassen und ab 1978 unter ständige Polizeiüberwachung gestellt, die im November 1978 sogar zu Hausarrest verschärft wurde. Am 29.5.1979 wurde er dann wieder verhaftet und im Oktober (23.10) zu 4 ½ Jahren Haft verurteilt. 1983 wieder entlassen, wurde im August 1984 sein Haus durchsucht und im Sommer des darauffolgenden Jahres (1985) wurde er trotz angeschlagener Gesundheit erneut verhaftet und wieder unter Überwachung gestellt. In dieser Zeit schrieb er seiner Frau Olga seine bekannt gewordenen "Briefe an Olga" (1983/84) sowie die Essays "Versuch in der Wahrheit zu leben" (1980) und "Anatomie einer Zurückhaltung" (1985). Außerdem fällt in diese Zeit die Entstehung seines vielleicht einflußreichsten Essays: "Die Macht der Machtlosen" (1978), welches auf breites Interesse stieß, da es die Situation der Oppositionellen beschreibt und ihnen zudem Wege aufweist durch die sie doch Einfluß ausüben können.Im Januar 1986 wurde er mit dem Erasmus - Preis des Jahres 1986 ausgezeichnet und nach und nach besuchten ihn auch immer mehr westliche Staatsoberhäupter und Politiker in Prag, um mit ihm über die Lage im Land zu sprechen. Am 4.9.1988 zeigte Vaclav Havel sich zum ersten Mal in der Öffentlichkeit und im Oktober wurde das Manifest "Demokratie für alle" verabschiedet, das im Endeffekt erheblich radikaler ausfiel als am Anfang gewollt. Am Ende des Monats wurde die Verfolgung der Unterzeichner der Erklärung aufgenommen und auch Havel wurde verhaftet. Am Gedenktag versammelten sich ca. 5000 friedliche Menschen auf dem Wenzelsplatz und später auf dem Altstädter Ring, die daraufhin von Polizisten niedergeprügelt wurden. Man merkte, daß der Staat unsicher wurde und hysterisch auf jegliche Art von Oppositon reagierte. Im Januar 1989 wurde Havel dann erneut festgenommen und am 21.2.1989 begann der Prozess gegen ihn, indem er zu weiteren 9 Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Daraufhin wurde von seinen Freunden eine Petition entworfen, die um die vorzeitige Freilassung Havels bat (nach einem ½ Jahr hatten schon 40 000 Menschen unterschrieben). Im November nach seiner Freilassung wurde Havel Sprecher der Oppositionsbewegung "Das Bürgerforum", die eine demokratische Tschechslowakei anstrebten und zu dieser Zeit schon die Masse der Bevölkerung hinter sich hatten. Nachdem Husák gestürzt war, stellte sich die Frage wer denn nun Präsident werden sollte, wozu sich die Person Vaclav Havel anbot, da er für die Integriät und den neuen Anfang des Landes stand. Am 29. Dezember 1989 wurde Vaclav Havel zum Präsidenten der Tschechslowakei gewählt. Nachdem die Parlamentswahlen im Juni 1992 andeuteten, daß die Tschechslowakei ihrem Ende zustrebte, trat Havel einen Monat später resigniert zurück. Am 26.1.1993 wurde er dann zum ersten Präsidenten einer tschechischen Republik gewählt. Drei Jahre später am 27.1.1996 starb seine Frau Olga an schon lange währenden Herzproblemen. Im selben Jahr noch muß Vaclav Havel sich einer schweren Lungenoperation unterziehen. Kurz nach der Operation noch in seiner Genesungszeit heiratet er dann am 4.1.1997, für viele überraschend Dagmar Veskrnová, eine bekannte Theater- und Filmschauspielerin.
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