So fasst Max Frisch selbst das Thema seines Romans "Stiller" zusammen. Dieser Satz ist relativ anspruchsvoll, verschachtelt und wirkt leicht überladen. Darum nun etwas ausführlicher, dass es etwas deutlicher wird.
Der Mensch von heute steht vor dem Problem, in einer Massengesellschaft als Individuum zu überleben. Das Christentum kann ihm keinen Halt mehr geben. Wie findet der Mensch zu sich selbst? Philosophen, die in der Mitte unseres Jahrhunderts grossen Einfluss hatten, waren der Ansicht, der Mensch sei verurteilt, frei zu sein. Das Individuum könne sich in der modernen, aufgeklärten Welt nicht mehr einfach wie früher Gott zuwenden. Der Einzelne sei ganz auf sich alleine gestellt. Das macht den Menschen Angst. Deshalb fügen sie sich in vorgegebene Rollen. Sie übernehmen Ideale, die ihnen durch Medien präsentiert werden. Viele wenden sich auch religiösen Sekten zu, in denen sie Gemeinschaft und Orientierung finden wollen. Andererseits leidet das Individuum oft an seiner Alltagswirklichkeit und den falschen Idealen.
Genau das ist die Handlung & Grundproblematik dieses Buches. Der Kampf eines Menschen um seine subjektive und gegen seine objektive Identität. Dieses Problem nimmt im Buch eine sehr grosse Stellung ein. Max Frisch hat in der Figur Stiller einen Menschen konstruiert, der erfüllt ist von der Sehnsucht nach einem freien Leben. Durch seine Ich-Schwäche ist er aber nicht in der Lage, sich selbst anzunehmen. Er flieht vor den falschen Erwartungen, die die Gesellschaft an ihn und er an sich selbst stellt. Denn die Gesellschaft erwartet, dass der Einzelne so ist, wie die Anderen ihn sehen. Er will sich in einen neuen Menschen verwandeln, muss aber erkennen, dass er seiner Vergangenheit nicht entfliehen kann. Er begibt sich auf die Such nach dem eigenen Ich.
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