Der Text "April, nutzlos vertan" beginnt zäh. Der Einstieg in die Geschichte erfolgt sehr sanft und zieht sich in die Länge. Der Autor, Klaus Mann beschreibt zuerst äußerst detailliert die familiäre Situation der Hauptperson, dessen bisheriges Leben, sowie sein soziales Umfeld und ansatzweise auch das Charakterbild des Protagonisten. Wirkt es beim Lesen anfänglich auch etwas zu genau, bemerkt man schon bald, dass genau diese Gründlichkeit in der Beschreibung für den weiteren verlauf der Handlung von großer Bedeutung ist. Dem Leser wird vermittelt, dass Max Perzel, die Hauptperson des Textes ein gewöhnlicher junger Mann ist, der bisher nichts wirklich Aufregendes erlebt hat. Der Autor untermauert dies noch mit diversen Klischees für ein langweiliges, unaufregendes Leben (besuchte das Gymnasium in einer mitteldeutschen Kleinstadt, Vater ist pensionierter Beamter, durchschnittlich begabter Schüler, unauffälliges Äußeres.)
Die ersten Anzeichen für eine Wende im Text zeichnen sich in dem Absatz ab, in dem der Protagonist das Fenster öffnet und die blühende Natur erstmals richtig wahrnimmt. Auch als Leser hat man das Gefühl, als würde der Text nun endlich den Grauschleier verlieren, der bisher prägnant auf diesem lastete.
An dieser Stelle entsteht sogar ein, wenn auch sehr dezentes Gefühl der Spannung und Neugier auf den weiteren Verlauf der Handlung.
Schließlich symbolisiert der Satz "Ich könnte spazieren gehen" den endgültigen Umbruch der Geschichte, da man als Leser sofort erahnt, dass auf diesem Spaziergang ein unverhofftes Ereignis fast zwingend notwendig ist, damit die Geschichte überhaupt einen Sinn ergibt.
Klaus Mann beendet den ersten Teil der Geschichte, und damit auch die Personenbeschreibung, mit einem Wort, welches stellvertretend für den gesamten ersten Absatz stehen könnte um diesen zusammenzufassen - konventionell.
Im weiteren Verlauf der Handlung macht sich beim Leser ein Gefühl der Unruhe breit. Schlag auf Schlag bekommt der Protagonist neue Impressionen aus dem Leben, und diese Welle an Eindrücken reißt so auch den Leser mit.
Auch der Stil und die sprachliche Gestaltung ändern sich schlagartig. Wirkt der Schreibstil bedingt durch den Einsatz vieler Adjektive in die Länge gezogenen Sätze noch unauffällig, schlicht und ruhig, vermitteln die kurzen, prägnanten Sätze, in Kombination mit etlichen Ausrufezeichen, sowie oftmals ohne Bindewort aneinandergereihte Wörter und Satzteile , Unruhe und Aufbruchstimmung. (Bsp.: Andere Farben, Gerüche, Gesichter; alles gesteigert, heftig geworden, und zwischen allen Geräuschen die Stimme des Mädchen.)
Ebenso verändert der Autor seine Wortwahl sehr geschickt, um so das Erzähltempo und analog dazu auch die Lesegeschwindigkeit zu variieren. Als auffälligstes Beispiel dafür sei die "Anpassungsfähigkeit" des Verbs "gehen" hier genannt. Anfangs "spaziert" Max Perzel noch "so dahin", später eilt er schon, um am Ende der Geschichte schon im Laufschritt sich fortzubewegen. Auch diese Entwicklung vermittelt dem Leser die Unruhe, welche der Erzähler im zweiten Teil der Geschichte öfters erwähnt.
Die gesamte Geschichte ist in einer vergangenen Zeitform verfasst, sei es das Plusquamperfekt bei der Schilderung von Max Perzels bisherigem Leben, oder das Präteritum für die eigentliche Handlung. Nach dem Umbruch im Leben der Hauptperson wechselt jedoch die Erzählperspektive öfters vom auktorialen Erzähler (scheinbar allwissende an der Handlung unbeteiligte Person) in die Ich-Perspektive. Dies geschieht aber so nahtlos, sodass der Leser davon nicht allzu viel mitbekommt. Unaufmerksamen Lesern könnte es durchaus passieren, dass sie einfach darüber hinweglesen, so flüssig sind die Übergänge.
Ebenso wechselt natürlich auch die Zeitform in das Präsens, da es sich ausschließlich um Gedanken und innere Monologe handelt, die aus dieser Perspektive erzählt werden. ("Oh Gott, was habe ich bisher mit meiner Zeit getan - Ich erwürge die Alte.")
Mit jedem Wechsel in die Ich-Erzählperspektive bekommt der Leser Einblicke in die Gedankenwelt des Protagonisten. Einblicke, die, da man sie praktisch ohne Mittelsmann in Form eines Erzählers, völlig ungefiltert sind und somit unverfremdet an den Leser weitergereicht werden.
Die erzählende Zeit des Textes erstreckt sich über fast zwei Jahrzehnte, was jedoch nicht bedeutet, dass der gesamten Zeitspanne die selbe Priorität zugewiesen wird. Der eigentliche Fokus liegt auf wenigen Stunden im Leben des Max Perzel, nämlich jenen von seiner Wandlung. Die restliche Jahre werden im Vergleich dazu nur oberflächlich gestreift.
Auf der Bedeutungsebene gibt der Text mehr her, als man anfänglich vermuten würde.
Im Text "April, nutzlos vertan" geht es um einen unauffälligen jungen Mann, der mit dem Beginn seiner Studienzeit sich vom konventionellen und konservativen Weltbild, welches er durch seine Eltern vermittelt bekam, loslöst.
Dass der April in der Geschichte, unschwer zu erkennen, nicht wirklich für den Monat selbst steht, bemerkt man sofort. Vielmehr ist er eine Metapher, für die zwei unterschiedliche Deutungen plausibel sind.
Zum einen gibt es die Möglichkeit, dass das ganze Jahr, Jänner bis Dezember, das Leben des Max Perzel symbolisiert. Folglich wäre er, mit seinen neunzehn Jahren im April seines Lebens, und stünde kurz vor dem Eintritt in den Mai mit seinem zwanzigstem Geburtstag.
Der April steht jedoch auch für Veränderungen. Normalerweise ist er der Monat, in dem das winterliche Grau endgültig vom blühenden Frühling und aufkommenden Sommer verdrängt wird. Einer alten Volksweisheit zufolge ist ja auch der Sommer verregnet, wenn im April durchgehend schlechtes Wetter den Alltag trübt.
Folglich könnte Max Perzel auch meinen die letzte Chance ergreifen zu müssen, damit sein Lebenssommer statt trüb doch noch sonnig sein wird.
Über die Rolle der beiden Damen im Text kann ich selbst nur spekulieren. Vielleicht steht die ältere, verbitterte der beiden stellvertretend für jemanden, dessen eigener April verregnet war, und somit das ganze Jahr über schlechtes Wetter herrscht.
Die Interpretation des Textes lässt also viel Raum für eigene Ideen. Es fällt schwer alle Symbole so zusammenzusetzen, dass deren Deutung am Ende zueinander passt, und eine abgerundete Interpretation auf der Bedeutungsebene, ohne störende Ecken und Kanten entsteht. Die sprachliche Interpretation ist jedoch eindeutig.
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