Ein Bauernjunge will Kaiser werden. Von seiner Mutter vergöttert und beschimpft, von den Leuten seines norwegischen Bergdorfes ausgegrenzt, erzählt er Wunderdinge über sich. Er raubt die Tochter des reichsten Bauern kurz vor ihrer Hochzeit und läßt sie stehen, weil er sich in das Mädchen Solveig verliebt hat. Von den Menschen für vogelfrei erklärt, flieht er aus dem Dorf und später aus seiner Heimat, gerät unter Bergtrolle, Affen in Marokko und in ein Kairoer Irrenhaus, wird in Amerika ein berühmter Reeder, Sklavenhändler und Pelztierjäger, überlebt Liebesenttäuschungen und Schiffsuntergänge. Als alter Mann kehrt er nach Hause zurück, voller Selbstvorwürfe und Todesangst sucht er, trotz Gott und dem Teufel, nach einem Kern seines Lebens und findet Solveig wieder.
"Peer Gynt" ist Ibsens umfangreichstes und formal interessantestes Werk, das sich von seinen späteren Gesellschaftsstücken in Form und Inhalt erheblich unterscheidet. Stofflich beruht die Geschichte Peer Gynts zum Teil auf alten norwegischen Märchen, Sagen und Motiven der Heimat Ibsens. Peer Gynt hat - da Ibsen, wie sein Peer, Jahre, fast Jahrzehnte im Ausland lebte (München, Dresden und Italien) - auch angelehnte autobiografische Züge. 1874 - 1876 entstand auf Ibsens Wunsch Edvard Griegs Bühnenmusik.
Dramatisches Gedicht von Henrik Ibsen
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Henrik Ibsen (1828-1906)
PEER GYNT
Ein dramatisches Gedicht
Vom Fortlaufen und Ankommen, vom freien Schweben zwischen Realität und Traum, von Irrwegen und Umwegen. Ein egozentrischer Träumer und Phantast durchläuft verbissen sein Leben, findet keinen Halt, hat kein Ziel. Ewig unbefriedigt und glücklos durchrast dieser Träumer sein Dasein, sucht nach immer neuen Identitäten und Rollen und muss am Ende feststellen, dass er am Eigentlichen vorbeigelebt hat, weil er nur der Maxime "Sei dir selbst genug\" gefolgt ist. Schließlich wird ihm sogar die Berechtigung seiner Existenz abgesprochen, und nur die Liebe eines anderen Menschen kann ihn retten.
Peer Gynts Irrweg ist eine Reise durch die Welt und durch das eigene Ich, vollgepackt mit Impressionen aus allen Erdteilen, mit Gebirgen, Wüsten und Meeren, mit Geisterreichen, mit Großfinanz und Proletarierfrust, mit Abendland und Orient, mit Realismus, Allegorien und Visionen, mit Mythos und Tiefenpsychologie - ein Breitwandpanorama des 19. Jahrhunderts, aber auch ein modernes Spiel. Heute, im 21. Jahrhundert, sieht man das Drama mit seinen szenischen Zukunftsvisionen und seinen psychologischen Einsichten als Vorläufer des gesamten modernen Theaters an.
"Ibsen habe eine Fülle unvergänglicher Gestalten entstehen lassen, meinte der Kritiker Alfred Kerr. Wir sind der gleichen Meinung. Und dies, obwohl wir sie als synthetische Wesen, als kunstvoll errechnete Modelle bezeichneten? Ja, weil sie mit Kunst erzeugt sind aus dem Stoff, aus dem nicht nur die Träume sind, sondern auch das, was wir Wirklichkeit nennen. Oder Gesellschaft. Oder Schicksal. Oder auch: das Leben. Unser Leben? Unsere Wirklichkeit? Diese Frage zu stellen ist Sache des Theaters, sie zu beantworten Sache des Publikums.\" (Hans Egon Gerlach).
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Peer-Gynt
Das Bühnenstück:
Es wurde im Jahre 1867 von Henrik Ibsen in Italien geschrieben, die Bühnenmusik schrieb Edvard Grieg.
Das Stück dessen Handlung im Anfang des 19. Jahrhunderts beginnt und gegen die sechziger Jahre hin endigt, spielt teils im Gudbrandstal und seinen Bergen, teils an der Küste von Marokko, in der Wüste Sahara, im Tollhaus zu Kairo, auf See usw.
Drama schildert die Geschichte einer Selbstfindung: »Du selbst zu sein, sei dein Ruhm« - dieser Satz durch zieht leitmotivisch das Werk. Der hübsche Bauernjunge zeichnet sich durch reiche Fantasie und unbändigen Tatendrang aus, doch gelingt es ihm nicht, seine Träume Wirklichkeit werden zu lassen und sein »Selbst« zu finden, alles, was er anpackt, bleibt Episode: Ob er die Braut eines Andern verführt und wieder verlässt, sich am Hof der Trolle im Dovrefjell als Schwiegersohn vorstellt, oder ob er für seine Geliebte Solveig eine Waldhütte baut - alles bleibt Episode. Den ruhenden Gegenpol zu diesem unsteten Umherschwärmen bildet Solveig. Während Solveig in der Waldhütte lebt und in ihrer Arbeit und der gedanklichen Liebe zu Peer Erfüllung findet, reist Peer in die Fremde, um sein »Kaiserreich« zu gründen, doch fern der Heimat widerfährt ihm dasselbe: Er bleibt »ein Mann, der niemals er selbst gewesen.« Als alter Mann kehrt er zurück und begegnet der inzwischen erblindeten Solveig wieder. Dem Heimatlosen sagt Solveig, wo sein »Selbst« die ganze Zeit über war: »In meinem Glauben, in meinem Hoffen, in meinem Lieben.« Indem Peer zu Solveig heimfindet, findet er zu sich selbst.
Das gesamte Stück können sie nachlesen unter :Peer Gynt im Projekt Gutenberg
Die Person:
Ob es Peer Gynt wirklich gegeben hat oder nicht steht nicht ohne Zweifel fest.
Sein wahrer Name soll Peder Olsen Hågå gewesen sein und er Lebte auf dem gleichnamigen Hof in Sødrop.
Henrik Ibsen selbst schrieb an den dänischen Verleger Frederik Hegel am 8.August 1867 :
\"Wenn es Sie interessiert, so hat Peer Gynt wirklich existiert. Er lebte im Gudbrandsdal, wahrscheinlich Ende des vorigen oder Anfang dieses Jahrhunderts. Sein Name ist noch unvergessen bei dem Volk da oben, aber über sein Tun und Treiben weiß man nicht viel mehr, als was in Asjbønsens > Norwegischen Feenmärchen < in dem Abschnitt > Hochgebirgsbilder < zu finden ist. Es ist also nicht viel, worauf ich meine Dichtung aufbauen konnte, aber um so größere Freiheit ist mir dafür geblieben\".
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