2.1.Titel: Nathan der Weise von Gotthold Ephraim Lessing
2.2 Entstehung
Lessing war ein Protestant, der sich sein ganzes Leben lang um die religiöse Wahrheit bemühte. Ihm ging es trotz der Bibelkritik und Orthodoxie um die Bewahrung des Christentums. Nach seiner Veröffentlichung von Samuel Reimarus nachgelassenen Papieren, in denen er die dogmatischen Lehrmeinungen der lutherischen Kirche in Frage stellte, wurde ihm ein Schreibverbot vom Herzog erteilt. Die Schrift erregte großes Aufsehen und führte zu Angriffen des Hauptpastor Goeze, die Lessing nicht unerwidert lassen konnte. (Sein "Anti-Goeze" gehört heute neben Luthers " Wider den Hans Worst" zu den bedeutendsten deutschen Polemiken.)
Der Fragment-Streit (literarisch-theologischer-Streit) zog nun das Schreibverbot nach sich. Doch Lessing ließ sich nicht mundtod machen, sondern verlegte die Auseinandersetzung auf eine andere Ebene, die Bühne. Er wollte versuchen, ob er auf seiner "alten Kanzel" noch "ungehört predigen" konnte und verfasste "Nathan der Weise". Er gestaltete in diesem dramatischen Gedicht das geheime Ideal der deutschen Aufklärung, die Humanität.
2.3 Bedeutung des Werkes im Gesamtschaffen Lessings
Nathan der Weise war Lessings letztes Stück. Er umging mit diesem Stück das herzogliche Schreibverbot und konnte durch das Theaterstück auch weiterhin seine Gedanken zu Grundfragen menschlichen Glaubens und menschlichen Zusammenlebens äußern. Dazu musste er abstrakte Begriffe in anschauliches Geschehen verwandeln und das aktuelle Thema in die Vergangenheit zurückversetzen. So stellt Lessing seinen Glauben an den Sieg der Vernunft im Menschen in einer Bühnenhandlung dar. Er versuchte zu zeigen wie man andere Glaubensrichtungen akzeptiert.
Gattung und Textsorte:
Man kann das dramatische Gedicht "Nathan der Weise" keiner bestimmten Gattung zuordnen. Allein der Titel "Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen" lässt auf keine Gattung, wie z.B. Emilia Galotti = Trauerspiel, schließen. Das Gedicht hat sowohl komische wie auch tragische Elemente. Als komische Elemente zählen Dajas Übereifer, Nathans Ironisierung von Recha usw. Tragisch sind die Glaubenskriege und die Ermordung von Nathans Familie. Das Gedicht ist also eine Mischung aus beiden Textsorten, was als Schutz diente, denn so diente es nicht als argumentative Streitschrift, die Lessing verboten war zu veröffentlichen. Ein Gedicht ist scheinbar nur zum Lesen und nicht zum Aufführen gedacht.
2.4. Umfang und Aufbau:
Das Drama ist in fünf Akte der geschlossenen Form gegliedert
. Exposition
1. Einführung Nathans: Rückkehr nach Jerusalem
2. Nathan erzieht Recha
3. Nathan und der Derwisch Al Hafi
4-8: Der Stolz des Tempelherrn
: Entwicklung
1-3: Sultan Saladin, seine Pläne, sein Geldmangel
4-8: Die Erziehung des Tempelherrn beginnt
9: Al Hafis Alternative
: Wendepunkte
1-3: Der Tempelherr liebt das vermeintliche Judenmädchen
4-7: Nathan erzieht Saladin
Die Ringparabel als Kern der Botschaft
8-10: Die Verwirrung des Tempelherrn
V: Krise
1-2-: Der Tempelherr sucht Rat beim Patriarchen
3-5: Der Tempelherr verklagt Nathan beim Sultan
6-8: Nathans Selbsterziehung als Vorgeschichte
V: Lösung
1-2: Saladins Umgang mit Geld
3-5: Neue Selbstbesinnung und neue Verwirrung des Tempelherrn
6-8: Die Lösung des Knotens
Die wechselseitige Verknüpfung der Menschheitsfamilie
Als Metrum verwendet er einen fünf-hebigen Jambus, den Blankvers, der bezeichnend für die deutsche Klassik wird.
Er benutzt keine Reime, aber viele Enjambements
Es gibt keinen Erzähler, sondern nur Dialoge. Dadurch wird die Sprache lebendig und geschmeidig, ebenso wie die vielen Ausrufe.
Das Kernstück des Gedichts ist die Ringparabel, die Lessing von Boccaccio aus dessen "Decamerone" übernommen hat. Er führt sie noch weiter aus und verknüpft um sie herum zwei Haupthandlungsorte: zum einen Nathans Haus und zum anderen Saladins Palast. Die Orte "Kloster" und "unter den Palmen" spielen eine weniger bedeutende Rolle.
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