Probleme der Sterbehilfe
von Paula Z.
In den letzen Monaten wurde stark über die Risiken und Hintergründe der Sterbehilfe
diskutiert. Die Sterbehilfe steht im Spannungsfeld zwischen Recht und Autonomie,
zwischen Gesetz und Selbstbestimmung, zwischen Persönlichkeitsrechten und Nothilfe.
Die Sterbehilfe betrifft das Leben und damit das höchste Rechtsgut überhaupt.
Daher sollen nicht die medizinischen Wissenschaften, sondern der dazu legitimierte
Gesetzesgeber die Grenzen zwischen erlaubte und nicht erlaubter Tötung festlegen.
Die indierekte aktive Sterbehilfe (Einsatz von Mitteln, deren Nebenwirkungen die
Lebensdauer herabsetzen können) sowie die passive Sterbehilfe (Verzicht/Abbruch
der lebenserhaltender Massnahmen) gelten als zulässig.
Die direkte aktive Sterbehilfe (gezielte Tötung zur Verkürzung der Leiden eines
Menschen) ist strafbar.
Offen ist die Frage, welche Argumente für die Legalisierung dieser Form
der Sterbehilfe aufzufinden sind.
Früher waren Sterben und Tod gesellschaftlich und sozial integriert. Der Sterbende
war bis zu seinem Tod Mitglied der Gemeinschaft, der er sein Leben lang angehörte.
Er war nicht allein, sondern eingebettet in die Situation seiner Gesellschaft.
Das Sterben war ein sichtbares, offenes Ereignis. So gewannen die Menschen um
den Sterben herum, die Gewissheit im Verhältnis zu ihrem eingenen Tod.
Seit Beginn der 20. Jahrhunderts sterben die Menschen nicht im Kreis der Familie,
sondern in Institutionen. Der Wunsch, an einen eigenen, natürlichen Tod zu erleben
wird immer seltener. Tod und Sterben wird auf einer gesellschaftlichen
Orientierungslinie mit den Wünschen der Sterbenden konfrontiert. Der Wunschtod
tritt immer mehr in den Vordergrund. Das Ereignis des eigenen Todes geschieht
in einem speziellen Umgang. Viele Menschen müssen erst wieder den Mut zurück-
bekommen an einem natürlich und nicht beigeführten Tod zu sterben und darauf
hoffen die verlorene Sicherheit des eigenen Todes mithilfe eines neuen Rechtssystems
wiederzuerlangen. Jedoch entsteht an diesem Punkt ein neuer möglicher Streitpunkt.
Die Würde eines, Menschen ist unertastbar, sie achten und zu schützen ist
Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. `, so heißt es in dem ersten Artikel des
deutschen Grundgesetzes. Im 2. Artikel der Grundrechte heißt es: ,, Jeder hat das
Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist un-
verletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.\"
Beide Grundrechte können eine negative Auswirkung auf die Entscheidung
der Zulassung der Formen der Sterbehilfe zu Folge haben. Jedoch soll man
sich doch auch die Frage stellen, mit welchen Argumenten man das Grundrecht
und die Empfindung gegenüber persönlicher Gedanken in Verbindung bringen kann.
Das Selbstbestimmungrecht sollte auch ein gewisses Maß an Bedeutung tragen.
Die Form der aktiven Sterbehilfe ist verboten, wobei seit einigen Jahren eine lebhafte
öffentliche Diskussion über offensichtlich sinnlose medizinische Maßnahmen ( die nur
ein bisweilen jahrelanges Dahinvegetieren ohne Heilungsaussichten unter zum Teil
großen Schmerzen bedeuten) und den Todeswunsch der Betroffenen geführt wird.
Manche Menschen legten mittlerweile schriftlich (Patientenverfügung) oder mündlich
gegenüber ihren Angehörigen fest, dass sie im Falle einer unheilbaren Krankheit keine
lebensverlängernde Maßnahmen wünschen. Dies ermöglicht oft noch unter bestimmten
Umständen eine passive Sterbehilfe zu leisten. Das Selbstbestimmungsrecht des
Patienten behält demnach Vorrang vor den Entscheidungskriterien des behandelnden
Arztes. Aus rechtlicher Sicht stellt jeder medizinische Eingriff eine Körperverletzung
dar, die nur mit Einverständniserklärung des Patienten möglich ist.
Problematisch bleiben jedoch Fälle, in denen eine eindeutige Erklärung des Patienten
fehlt. So ist es bei der kürzlich verstorbenen Terri Schiavo gewesen. Sie ist mit 41
Jahren gestorben. Ihr Mann und gesetzlicher Vormund Michael Schiavo wollte,
dass seine Ehefrau nicht mehr künstlich ernährt werden sollte. ,, Lasst meine Frau
doch in Frieden sterben\", bat er immer wieder. Aber Terri\'s Eltern wehrten sich
verzweifelt. Sie waren davon überzeugt, dass ihre Tochter bei Bewusstsein ist und ihr
Schwiegersohn den Tod will, um an das Erbe zu kommen und frei für eine neue Ehe
zu sein. So zogen beide Seiten von einem Gericht zum anderen. Schonmal kam
Michael Schiavo seinem Ziel sehr nahe. Damals wurde die künstliche Ernährung
seiner Frau für sechs Tage eingestellt. Vor einigen Monaten entstand eine neue
Diskussion über das Schicksal der Komapatientin. Das gespaltene Meinungsbild
der beiden vor Gerichtziehenden Positionen wurde in den Medien verbreitet,
jedoch bestand auch eine Gemeinsamkeit. Und zwar waren sich beide Positionen
darüber im Klaren, dass es eine TRagödie ist und es nicht einfach wäre eine
einfache Lösung zu finden. Seitdem befand sich Terri im Wachkoma und gab nur
selten Geräusche von sich. Jedoch sahen die Eltern Terri\'s dies als ein Zeichen von
,Lebenskraft\' und den Versuch ihrer Tochter mit ihnen zu kommunizieren.
Die von Michael Schiavo beauftragten gerichtlichen Gutachter und Mediziner waren
jedoch davon überzeugt, dass es sich um Reflexe handelt und sich Terri\'s Zustand
niemals ändern würde. Seit 1998 bemühte sich der Ehemann um ein Ende der
künstlichen Ernährung, mit dem Argument, Terri habe ihm noch vor 1990 mehrfach
gesagt, sie wolle -sollte das Schicksal zuschlagen- nie in einem Siechzustand am
Leben erhalten werden. Schriftlich festgehalten wurde das nie, und darauf stützten
sich die Eltern.
Vor wenigen Wochen ist es schließlich doch geschehen. Michael Schiavo hat den
jahrelangen Gerichtsstreit beendet und gewonnen. Die künstliche Ernährung von
Terri wurde eingestellt und sie starb nach wenigen Tagen.
Seitdem ist Sterbehilfe zu einem aktuellem Thema geworden, mit dem sich viele
Menschen auseinandersetzen. Es treten viele Fragen auf, zB.. Hätten Terri\'s
Leiden schon vorher beedet werden können? Wer kontrolliert den Missbrauch
der (aktiven) Sterbehilfe? Wer kontrolliert die Einhaltung der Selbstbestimmung der
Kranken? Wer darf entscheiden, ob Schwerstleidende länger leiden oder früher
sterben dürfen/sollen? Wer will verantwortlich sein zur Durchführung einer
Sterbe hilfe, wer soll eine aktive Sterbehilfe ausführen?
Und vor allem die Frage nach der aktiven Sterbehilfe, die jegliche Grenzen der
bisherigen Gedanken über Freitod und Ethik durchbricht.
Meiner Meinung nach, sollte die aktive Sterbehilfe legalisiert werden, so wie
die Niederlande es schon vorher getan hat. Jeder Mensch sollte selbst über
seinen eigenen Tod entscheiden können. Kein Arzt und kein Gesetz darf diese
Freiheit des Einzelnen beschränken. Aktive Sterbehilfe muss keine voreilige
Flucht vor dem Leid sein, sondern kann auch Endpunkt eines bewussten
Abschieds vom Leben und Angehörigen sein. Jeder Mensch sollte das Recht
auf einen solchen Abschied bei klarem Verstand haben und nicht dahinsiechen
müssen. Warum soll jemand, der sehr starke Schmerzen hat, gegen seinen
eigenen FREIEN Willen leiden? So lange aktive sterbehilfe verboten ist, werden
die Menschen gezwungen sich täglichen qualvollen leiden zu unterziehen und
ihre Lebensfreude in der Dunkelheit ihrer Wahrnehmungsfähigkeit zu suchen.
Das ist menschenunwürdig.
Apropo Dunkel: In Deutschland wird die aktive Sterbehilfe längst praktiziert,
nur heimlich. Eine Legalisierung könnte hier für Ordnung sorgen.
Vorrausetzung für die Zulässigkeit aktiver Sterbehilfe ist, dass keine
Hoffnung auf Besserung des Leidens besteht, dass der Patient seinen
Wunsch FREI äußert und zudem ein zweiter Arzt hinzugezogen wird,
der den Ablauf organisiert, prüft und beaufsichtigt.
Wie war das noch mal? ,Die Würde eines Menschen ist unertastbar\' und
,Die Freiheit der Person ist unverletzlich\' ? Diese zwei Sätze bekommen nun
eine ganz andere, realistische Bedeutung.
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