In den von mir ausgewählten Komödien bringt Shakespeare eine breite Palette aggressiven Verhaltens. Aggression geht quer durch alle Gesellschaftsschichten und erscheint in vielen unterschiedlichen Ausdrucksformen, von spielerischem Necken oder Gängeln über Beschimpfungen, Intrigen bis hin zur physischen Gewalt und dem Tod. Die Charaktere der Komödie sind gefangen im Spannungsfeld ihrer gesellschaftlichen Rollen, den Umständen, die von dieser Gesellschaft an sie herangetragen werden und ihren eigenen leidenschaftlichen Instinkten und Gefühlen. Anregungs - und Vermeidungsverhalten werden gleichzeitig aktiviert, was zu Verhaltensauffälligkeiten, Konfusion und Chaos führt. Aggression ist eine Ausdrucksform davon und manchmal auch Teil der Bewältigungsstrategien. Im Prozeß der Wiederherstellung von Ordnung und Harmonie, im Prozeß der Reifung und Läuterung, gehen die Figuren Irrwege. Doch mit der Erlangung der Ordnung reguliert sich auch Verhalten wieder, nimmt seine normale, harmonische und nicht schädigende Form wieder an.
Im psychologischen Sinn geschieht beim Zusehen oder Lesen eines Werkes \"Lernen am Modell\". Erfahrungen, die Figuren machen und Verhaltensmuster, die sie zeigen, werden als potentielle Verhaltensmöglichkeiten von den Zusehern und Lesern prinzipiell gelernt. Ob sie als brauchbare Muster auch übernommen werden liegt sehr stark an der vorhandenen oder nicht vorhandenen positiven Verstärkung der Modelle, bzw. Figuren und Charaktere des Stücks. Darin liegt nun für die reale Welt ein Vorteil, aber zugleich auch eine Gefahr.
Der Vorteil kann in der Erkenntnis liegen, daß schwierige Situationen gemeistert werden können und sich schließlich nach dem Motto Ende gut alles gut in Wohlgefallen auflösen. Auch zeigt die Komik, daß ein leichter Zugang zum Leben, also die komische Perspektive der Dinge, Harmonie bringen kann.
Die Gefahr allerdings besteht, gerade was Aggressivität anbelangt, in einer gewissen Verharmlosung aggressiven Verhaltens durch den Komikcharakter und, in der Folge, durch die Herabsetzung der Reizschwelle der Sensibilisierung. Das bißchen Schlagen (Dromios) oder das bißchen Intrige (Sir Toby, Maria) ist ja eigentlich doch ganz lustig - vor allem dann, wenn es durch Duldung der Betroffenen (Dromios) oder Erfolg ( Toby, Maria) noch verstärkt wird.
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