Vor mehr als zehn Jahren hat Fernando seine Gattin Cäcilie und seine kleine Tochter Lucie verlassen, um seinem starken Freiheitsdrang nachzugeben.
Cäcilie quält sich mit der Erinnerung an ihn und gerät zusätzlich noch in finanzielle Schwierigkeiten. Fernando jedoch lernt auf seinen Reisen die gerade sechzehnjährige Stella kennen und verliebt sich in sie.
Auch sie verliebt sich Hals über Kopf in Fernando und gemeinsam ziehen sie auf ein einsames Rittergut, wo sie fünf glückliche Jahre verleben.
Doch Fernandos Freiheits- und Abenteuerdrang sind wieder stärker und so verlässt er auch Stella ohne weitere Nachricht.
Durch eine Verkettung von Zufällen sind nun gerade Cäcilie, die sich Madame Sommer nennt, und ihre Tochter gerade auf besagtem Rittergut, als Fernando zurückkehrt.
Nun muss er sich zwischen seiner Frau und Tochter und der Geliebten entscheiden.
Der erste Akt des Dramas stellt das äußere Leben vor, Cäcilie und ihre Tochter treffen im Posthause ein, denn Lucie hat gute Chancen eine Anstellung bei Stella als Gesellschafterin zu finden. Nach drei Jahren der Suche nach seiner Frau und Tochter und einer Beschäftigung als Offizier im Ausland, trifft auch Fernando im Posthause ein und speist dort sogar, ohne es zu wissen, mit seiner Tochter.
In diesem ersten Akt wird schon deutlich wie sehr Cäcilie unter der Trennung von ihrem Mann leidet.
Im zweiten Akt lernen sich zunächst erst mal die drei Frauen kennen und Stella und Cäcilie, die ja das gleiche Schicksal teilen, obwohl sie natürlich nichtsahnend sind, dass es sogar den gleichen Mann betrifft, sind sich sehr sympathisch.
Ab jetzt spielt das Drama auch nur noch in dem abgeschirmten Bereich des Ritterguts.
Erst am Schluss dieses Aktes erkennt Cäcilie, dass sie und Stella von dem gleichen Mann sprechen und Stella bekommt Nachricht von der Rückkehr Fernandos.
Der dritte Akt ist gleichsam zweigeteilt, der Anfang des Aktes ist gekennzeichnet von der Freude über das unerwartete Wiedersehen von Stella und Fernando. In der zweiten Hälfte des Aktes wird Fernando durch das plötzliche Aufeinandertreffen mit seiner Frau, die er anfangs kaum erkennt, an seine Schuld erinnert und missbilligt sein eigenes unentschlossenes Verhalten mit den Worten,
13
< Herz! Unser Herz! o, wenn´s in dir liegt, so zu fühlen und so zu handeln, warum hast du nicht auch Kraft, dir das geschehene zu verzeihen? >
Schon jetzt weiß Cäcilie, dass sie zugunsten von Stella verzichten will und denkt über ihre Flucht mit Lucie nach. Fernando will mitfliehen, ist sich aber darüber bewusst sich erneut Schuld aufzuladen und beklagt das auch.
Fernando will sich nun im vierten Akt schließlich von Stella verabschieden, die die Welt nicht mehr versteht, als sie die Absicht erkennt.
Der Schluss des Aktes ist gekennzeichnet von Ratlosigkeit und Trauer, die Cäcilie mit den Worten zum Ausdruck bringt < Und kann der Knoten gelöst werden, heiliger Gott im Himmel! Zerreiß ihn nicht. >
Im letzten Akt steht Fernando nun schon kurz vorm Selbstmord und Stella ist völlig aus der Fassung, während Cäcilie den möglichen Ausweg durch ein Gleichnis erzählt.
Der Graf von der Gleichen, der einen Kreuzzug durch die liebevolle Pflege einer Sarazenin überlebt, nimmt diese mit nach Deutschland.
Er stellt sie seiner Frau vor und auch die ist der Sarazenin dankbar und so leben sie einfach zu dritt weiter.
Eine ähnliche Lösung könnte also auch für sie in Frage kommen, und Fernando ist anfangs auch gar nicht abgeneigt, jedoch ist er weiterhin so verzweifelt, dass er den Schauplatz verlässt und sich erschießt. Stella hat sich währenddessen kurzerhand selbst vergiftet. Dies ist allerdings die zweite Fassung des Schlusses dieses Stückes, der auf Schillers Initiative zurückgeht und um 1800 geschrieben wurde.
In der ersten Fassung, die mehr dem Sturm und Drang entspricht, leben sie tatsächlich zu dritt weiter, was für die damalige Zeit jedoch skandalös war und zu großer Empörung führte.
Kurz nachdem Schiller starb wird das Drama 1806 in der zweiten Fassung am Weimarer Hoftheater aufgeführt und in den folgenden Jahren oft wiederholt.
Dieses Drama ist vom Grundton und von der Gesinnung des (Anti-) Helden her, dem Clavigo sehr ähnlich. Fernando steht vor dem gleichen Dilemma einer alten Schuld und einem immer fortwährendem Drang nach Freiheit, da er in der erfüllenden Bindung an eine Frau gleichzeitig Beschränkung empfindet.
14
Erschwerend für Fernando ist das Dreiecksverhältnis seiner Beziehung, so dass er sich nicht nur zwischen seiner Frau und der Freiheit entscheiden muss, sondern gleich zwischen zwei Frauen.
Fernando quält sich eigentlich nur durch das ganze Drama, er möchte alles haben und ist doch nicht fähig auch nur einen Teil ganz zu besitzen. Er ist weder ganz Ehemann, noch Geliebter, noch Vater. Am Ende scheitert er an seinem eigenen Unvermögen sich für eins zu entscheiden und auch sein Freiheitsdrang kommt nicht mehr voll zum Zuge, da auch der im nicht alles geben kann und ihn schon gar nicht von seiner Schuld, die er empfindet, rein waschen kann.
Cäcilie , die am Anfang des Stückes stark darunter leidet, verlassen worden zu sein, reift bis zum Ende des Dramas zusehends zu einer starken Frau. Sie erkennt das Dilemma ihres Mannes und ist schließlich sogar zum Verzicht auf ihr eigenes Glück zugunsten Stellas bereit. Diese ist, wahrscheinlich auch aufgrund ihres noch sehr jugendlichen Alters, extrem gefühlsbetont. Die Liebe zu Fernando ist, auch nachdem sie von ihm verlassen wurde, ihr einziger Lebensinhalt. Das Rittergut ist ihr Rückzugsgebiet, ihre Oase, in der sie alles an ihren Geliebten erinnert und sie wartet nur auf den erlösenden Moment seiner Rückkehr.
Die Frauen dieses Stückes scheinen hier zwar nicht gar so passiv wie die im Clavigo und doch sind sie es, die unter den Fehlern und dieser inneren Zerrissenheit der Männer leiden müssen. Alles was sie tun können ist warten und hoffen.
Einmal mehr hat Goethe in diesem Drama sein eigenes wankelmütiges Wesen dokumentiert, über die Trennung von Friederike ist er noch immer nicht vollkommen hinweg, zudem löste er gerade seine Verlobung mit Lili, seiner Geliebten aus Frankfurt.
Das Grundthema dieses Dramas ist, wie so oft in Goethes Jugenddramen, der fast zwangsläufig auftretende Konflikt zwischen der Verwirklichung des eigenen Ich und der kompromissbehafteten Bindung in einer Beziehung, die er in immer wieder wechselnden Konstellationen thematisiert.
|