Hanna Schmitz
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Wieso musste mein Leben nur so schlecht verlaufen?
Ich wurde am 21. Oktober 1922 in Hermannstadt geboren. Meine Mutter starb bei meiner Geburt an Tuberkulose. Mein Vater, ein Fabrikarbeiter, erkrankte als ich 6 Jahre alt war an Keuchhusten. Er arbeitete trotzdem weiter um mich und meine Großmutter zu ernähren und damit wir ein warmes Dach über dem Kopf hatten. Mit 8 Jahren starb dann auch mein Vater. Meine Großmutter war ein herzensguter Mensch. Sie hielt jedoch nicht viel vom Lesen und Schreiben. sie sagte immer, dass brauchst du nicht um einen Haushalt zu führen und zum Kochen, aber rechnen musst du können sonst weißt du nie wie viel Geld du hast und so. Sie brachte mir die nützlichsten Dinge bei. 1930 starb dann auch sie an Altersschwäche.
Ich hatte keine Verwandten mehr, so kam ich dann in ein Waisenhaus in Berlin. Wir mussten viel arbeiten und putzen, doch auch dort lernte ich weder lesen noch schreiben. Die sogenannte Kinderfrau die sich um uns kümmerte war eine sehr strenge und doch zu gleich auch freundliche Person und sie laß uns auch jeden Abend vor, weil niemand von uns lesen konnte. Sie mochte mich sehr und half mir wo sie nur konnte.
Mit 17 verschaffte sie mir eine Arbeitsstelle bei Siemens bei der ich weder lesen noch schreiben musst, denn sie wusste, dass ich Analphabetin war und wenn es dann doch mal etwas zu schreiben gab half sie mir oder ich redete mich raus. Ich wohnte aber weiterhin im Waisenhaus. Das Ganze ging zwei Jahre gut bis man mich weiterbilden wollt. Eine Arbeitskollegin habe in einem Aushang gelesen, dass bei der SS Aufseherinnen gesucht werden und man bräuchte keinen besonderen Kenntnisse zu haben um diese Stelle antreten zu können. Ich wusste ja damals noch nicht was auf mich zukommen würde. Doch ich hatte zugesagt und konnte nicht mehr zurück. Im Herbst 1943 fing ich dann in Auschwitz meinen sogenannten Wachdienst an. Es war schwierig diese armen Menschen wie Dreck zu behandeln, aber was sollte ich anderes tun? Ich war nur eine einzelne Person und musste Geld verdienen um selbst überleben zu können. Im Frühjahr 1944 wurde ich nach Krakau versetzt, da die dortigen Aufseher und Aufseherinnen bei einer Explosion in der Fabrik ums Leben gekommen waren. Es war nicht so schlimm, wie in Auschwitz. Die Selektion der Gefangen mussten wir zwar immer noch erledigen, aber von rund zwölfhundert die jeden Monat zu uns kamen mussten wir "nur" sechzig zurückschicken. Das hieß, dass selbst, wenn man nur durchschnittliche Kräft besaß, man eine Überlebensdauer von 20 Monaten hatte und die meisten hofften, dass der Krieg bald enden würde.
Ich durfte das Ansehen bei meinen Kommandanten nicht verlieren. Ich war nach außenhin einen strenge und harte Aufseherin mit dem harten Gesicht und der Reitpeitsche, die langsamen antreibend, doch ich suchte mir aus jeder "Fuhre" an Menschen die schwächste heraus. Sie machte ich zu meiner Vorleserin. Das Vorlesen war für mich ein wichtiger Bestandteil meines Lebens geworden, da ich mir selbst kein Wissen anlesen konnte, lernte ich viel durch das Zuhören. Sie kam etwa ein Stunde am Tag zu mir um mir vorzulesen und ich gab ihr dann etwas zu essen und zu trinken. Doch ich konnte sie nicht lange bei mir behalten und wenn ich sie dann zurückschicken wollte, fingen die meisten an zu weinen, so musste ich die anderen Aufseherinnen bitten sie zu entfernen. Es tat mir leid, aber ich musste mein Gesicht waren.
Das Elend begann im November 1945 als das Lager Aufgelöst wurde. Im Dezember brachen wir dann mit den Frauen Richtung Westen auf . Viele der Frauen waren unzureichend gekleidet. Manche starben an Überanstrengung, da wir sie sehr stark antrieben und andere standen morgens einfach nicht mehr auf, da sie erfroren waren. Manchmal mussten sie an Mauern oder in Scheunen schlafen. Wir dagegen schliefen dann in den Herrenhäusern und hielten abwechselnd wache. Schließlich hatten wir den Befehl die Überlebenden nach Berlin zu bringen.
Nach einer Woche war die Hälfte der Frauen schon tot. Wir kamen in ein kleines fast verlassenes Dorf. Die Frauen bekamen einen warmen Sud zu essen. Wir hatten ein Streit da keiner den Nachtdienst übernehmen wollte. Eine große bullige Aufseherin mit einem höheren Rang verschaffte sich Gehör und machte den Vorschlag, dass wir einfach die Türen der Kirche abschließen könnten und wir es uns im Pfarrhaus gemütlich machen könnten. Die Mehrheit war dafür, doch ich war dagegen ich hatte ein ungutes Gefühl.
In dieser Nacht wurde die Kirche von den Amerikanern bombardiert. Eine Bombe entzündete den Dachstuhl des Kirchenschiffes. Eine andere schlug in das Dach des Pfarrhauses ein. Einige von uns wurden getötet und andere schwerverletzt. Die Aufseherinnen die überlebt hatten, darunter auch ich, diskutierten was zu tun war. Ein paar brachten die Verletzten mit einem Lastwagen in ein Lazarett, andere begleiteten den Transport in einem Kübelwagen.
Wir standen allein da ohne zu wissen was wir machen sollten. Wir waren so hilflos. Die große bullige Aufseherin sagte, dass wir das Dreckspack von Juden einfach verbrennen lassen sollen. Ich traute mich nicht etwas dagegen zu sagen. Ich verstand diesen ganzen Nazikram nicht schließlich waren es doch genauso Menschen wie wir alle. Meine Kinderfrau war auch eine Jüdin. Doch ich konnte wie immer nichts dagegen tun. Die große bullige Aufseherin schrieb einen Bericht und dann zwang sie mich zu unterschreiben. Wir flohen alle in unterschiedliche Richtungen.
Ich stand unter Schock bis ich irgendwann gegen Ende des Krieges neuen Fuß in Kassel fand.
Dort hatte ich eine kurze Beziehung mit einem einflußreichen Mann, der unsere Beziehung beendete als er merkte, dass ich Analphabetin war. Es war für mich eine sehr innige Beziehung. Ich war schwanger. Er wusste nichts davon und ich verlor das Kind im 6 Monat. Ich war zu Tode betrübt, wollte sterben. Mein Versuch mich umzubringe misglückte jedoch. Als ich im Krankenhaus aufwachte lag ein umschlag mit Geld auf de Nachttisch und ein Zettel den ich nicht entziffern konnte. Ich bat die Krankenschwester mir ihn vorzulesen, da ich ohne meine Brille, die ich verloren hätte, nicht lese könnte. Auf diesem Zettel stand, dass ich mit Hilfe des Geldes in einer anderen Stadt einen Neuanfang machen sollte.
Ich zog nach Kassel, wo ich acht Jahre lang lebte.Ich wurde Zugschaffnerin und zog in eine kleine Wohnung in der Bahnhofstraße. Eines Nachmittages im Jahre 1959 sah ich wie sich ein Junge an der Hauswand, des Mietshauses in dem ich wohnte, übergab. Ich machte mit seiner Hilfe die Sauerei weg, fragte ihn wo er wohnt und brachte ihn nach Hause. Ein paar Monate später kam er mit einem Strauß Blumen zu mir um sich bei mir zu bedanken. Ich weiß noch, als er gehen wollte musste ich auch in seine Richtung und sagte zu ihm er solle warten. Ich ging in die Küche um mich anzuziehen und die Tür stand einen Spalt weit offen. Er beobachtete mich wie ich mir die Strümpfe anzog. Irgendwie erregte es mich wie er mich mit seinen Blicken auszog, doch als er merkte, dass ich seinen Blick sah, drehte er sich um und rannte weg. Doch er kam zurück. Er war mindestens 17 Jahre jünger als ich, doch es war mir egal. Ich nahm mir das was ich brauchte von ihm. Manchmal einen Sündenbock, dann jemanden der auf mich angewießen war, dann jemand den ich brauchte. Mein Verhalten ihm gegenüber war sehr sprunghaft und meinen Launen entsprechend. Er vergötterte mich und deshalb wieß ich ihn nicht ab. Im Gegenteil ich zeigte ihm die ganze Welt der Sexualität, was ich wollte und was ihm gefiel. An Ostern machten wir eine geimeinsame Radtour. Am Anfang intensivierte sich unsere Beziehung, doch eines Morgens war er verschwunden neben meinem Bett lag ein Zettel und ich konnte ihn nicht lesen, als er dann wieder kam. Schlug ich ihm ins Gesicht und gleichzeitig küsste ich ihn. Ich hatte meine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle. Und als er zu mir sagte, dass er mich liebt, war es auch um mich geschehen. Er war mein geliebter Vorleser. Ich gab ihm mehr recht in unserer Beziehung er war nicht mehr nur mein. Jetzt gab es ein uns. Unsere Beziehung hielt nicht lange. Als ich ihn eines Sommertages im Schwimmbad beobachtete merkte ich wie verschieden wir waren. Ich packte meine Sachen und zog nach Hamburg. Ohne ein Wort beendete ich so unsere Beziehung.
1966 kam ich vor Gericht, doch mir war alles egal ich wollte nicht mehr. Ich konnt nicht mehr. Ich hatte in Hamburg auch noch eine Beziehung gehabt in der mich der Mann schlug.
Ich nahm alle Schuld auf mich und wurde zur lebenslangen Haft verurteilt. Mein Jungchen besuchte jeden Gerichtsverhandlung. Als ich dann im Gefängnis war, schickte er mir Kasetten auf denen er mir vorlaß. Ich lernte lesen und schreiben und schrieb ihm kurze Briefe.
Vor ein paar Tagen sagte man mir, dass ich bald frei kommen würde und mein Jungchen mich besuchen würde. Als ich ihn dann sah wurde mir ganz anders, ich war gealtert und er auch, dies wurde mir erst jetzt klar.
Ich weiß nicht, wie ich noch einen Neuanfang überstehen sollte. Ich bin müde des Lebens, Deshalb werde ich mich heute, einen Tag vor meiner Entlassung, selbst erhängen. Das Geld was ich gespart habe werde ich meinem Jungchen geben der es an eine Stiftung für Juden geben soll.
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