Gedichtinterpretation "Reklame" von Ingeborg Bachmann
Reklame
Wohin aber gehen wir
ohne sorge sei ohne sorge
wenn es dunkel wenn es kalt wird
sei ohne sorge
aber
mit musik
was sollen wir tun
heiter und mit musik
und denken
heiter
angesichts eines Endes
mit musik
und wohin tragen wir
am besten
unsere Fragen und den Schauer aller Jahre
in die traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge
was aber geschieht
am besten
wenn Totenstille
eintritt
Ingeborg Bachmann
In dem Gedicht "Reklame" von Ingeborg Bachmann aus dem Jahr 1956 handelt es sich um ein Gespräch. Mein erster Eindruck zu dem Gedicht war verwirrt, erst nach mehrmaligen lesen konnte ich mich in das Gedicht Eindenken. In dem Gedicht dreht es sich wahrscheinlich um 2 Personen, die eine fragend, die andere antwortend. Man könnte allerdings denken, dass die beiden Gesprächspartner aneinander vorbei reden.
Auffälligkeiten und genaue Merkmale des Gedichtes "Reklame" von Ingeborg Bachmann sind: Es handelt sich um ein Gespräch, in dem wahrscheinlich 2 Gesprächsteilnehmer miteinander kommunizieren. Beide Personen werden durch unterschiedliche Schriftarten getrennt. Die fragende Person, die jeweils an den anderen Gesprächspartner vier Fragen stellt, wird mit einer üblichen normalen Schrift dargestellt. Im Gegensatz wird die antwortende Person mit Kursivschrift veranschaulicht. Das Gedicht besteht aus 20 Versen, es werden keinerlei Satzzeichen oder andere grammatikalische Hilfsmittel verwendet. Außerdem besitzt das Gedicht keine Reimform. Ein Metrum ist ebenfalls nicht vorhanden. Ingeborg Bachmann hat das Gedicht mit relativ kurzen Versen niedergeschrieben, bis auf den einen Vers mit Traumwäscherei, worauf ich später noch mal zu sprechen komme. Durch genaueres lesen entdeckt man vier Fragesätze, in welchen, außer in der vierten Frage, dass lyrische "Wir" befragt wird. Die gegebenen Antworten gehen allerdings an den Fragen vorbei, sie beantworten diese nicht.
Die Autorin möchte mit dem Gedicht sagen, dass Agitation und Propaganda durch das Beispiel Reklame als Lockmittel zur modernisierten Versklavung verwendet wird!
Durch genaueres Studieren des Gedichtes entdeckt man die im oberen Teil schon erwähnten vier Fragesätze, deren Subjekt außer in der vierten Frage- ein lyrisches "Wir" ist.
Die Person, die auf diese Fragen eingeht, erwidert diese nicht mit der erhofften Antwort, sondern beantwortet sie mit einem heiteren fröhlichen Spruch, was man an folgenden Beispielen erkennt:
"was sollen wir tun"
"heiter mit musik"
oder
"angesichts eines Endes"
"mit musik".
An diesen speziell ausgesuchten Textbeispielen wird dem Leser klar, dass die antwortende Person die fragende mit kurzen lapidaren Versen abspeist. Für den Zuhörer wird der Eindruck erweckt, dass die kursiv geschriebene Person die fragende Person blendet, wenn nicht sogar versucht wird sie abzulenken von den existentiellen Fragen, die sie an sich selbst richtet.
Die fragende Stimme macht einen sehr nachdenklichen, ernsten und traurigen Eindruck auf den Zuhörer durch Aussagen wie:
"Wohin aber gehen wir"
oder
"wenn es dunkel wenn es kalt wird"
bekommt man dies zu spüren. Es erscheint einem so, als sie/er Angst vor der Zukunft hat und sich durch diese nachdenklichen Aussagen versucht sich zu orientieren, wenn nicht sogar zu vergewissern, was in der ferne steht.
Worauf die antwortende Stimme einen fröhlichen und selbstsicheren Eindruck auf den Rezipient macht. Durch
"ohne sorge sei ohne sorge"
oder
"mit musik"
wird dem Leser eine sichere standhafte und Zielgerichtete Linie was die Zukunft betrifft vorgegaukelt.
Das Wort Traumwäscherei kommt mir als Leser komisch vor. Bei versuchen diesen Begriff aufzulösen stieß ich auf das bekannte Wort Geldwäscherei. Der Begriff beinhaltet das jemand aus Geld mehr macht, als was es in Wirklichkeit nicht ist. Diese Begriffserklärung könnte man auch auf Traumwäscherei übertragen. Daraus folgt, dass Traumwäscherei wie eine Seifenblase ist, sie wird gefüllt mit leerer Luft (also nichts) und wenn sie ihren Höhepunkt oder das volle Ausmaß erreicht hat zerplatzt sie und es sieht aus als ob nichts gewesen wäre. Einen werden sozusagen nicht erfüllbare Illusionen gemacht, wie in der Werbung oder Der Reklame.
Ingeborg Bachmann verwendet kein Metrum, weil das Gedicht ungezwungen klingen soll. Durch ein Metrum würden die Verse an Natürlichkeit verlieren, was sie auf gar keinen Fall bezwecken wollte. Eine Eintönigkeit würde durch den Rhythmuseinbau entstehen, was das Frage-Antwort-Spiel der beiden Personen uninterresant und gleichförmig machen würde.
Ingeborg Bachmann schien eine Frau gewesen zu sein die sich in kein Schema rein pressen ließ. Ihr Leben war so unangepasst wie ihr Schreibstil, sie war eine sehr vielfältige Frau.
Ich finde das Gedicht von Ingeborg Bachmann als sehr gelungen, denn sie spricht Probleme der Reklame an, die sich keiner getraut oder die mühe macht sie auszusprechen. Sie will uns damit sagen, dass man das leben mit offenen Augen und allen Sinnes Wahrnehmungen betrachten soll bevor sich von leeren Versprechen oder großen Illusionen verleiten lässt. Vieles wird im Leben vorgespielt und vorgetrickst, schaut erst hinter die Kulisse, bevor ihr eure Meinung oder Urteile fällt!!!!
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