Der Autor:Handke wurde am 6. Dez. 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Er kannte seinen leiblichen Vater nicht, doch seine Mutter heiratete ein zweites Mal. Er war ein guter und begabter Schüler und studierte nach der Matura Jura an der Universität in Graz, was er aber vorzeitig abbricht. \"Die Hornissen\", sein erstes Werk, erschien 1966. Im gleichen Jahr heiratet er auch die Schauspielerin Libgart Schwarz. Sie scheiden sich allerdings, und Handke zieht seine Tochter alleine auf. Berühmtheit erlangt er schließlich als er in Princeton der \"Gruppe 47\" vorwirft \"beschreibungsimpotent\" zu sein. Wenig später wird er Mitglied der \"Grazer- Autorengruppe\". Handke reist viel umher, und wechselt oft seinen Wohnort. Unter anderem lebte er in Paris, Berlin, den USA, Salzburg, Düsseldorf, Graz, und zur Zeit wieder in Frankreich. Er schrieb Schauspiele, Romane und Erzählungen, die ihn zu einem berühmten Autor und Dramatiker gemacht haben. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie zum Beispiel dein Kafka-Preis 1979, den Bremer Literaturpreis 1988 oder den Grillparzer-Preis 1991.Einige seiner Werke waren: \"Der Ritt über den Bodensee\", \"Begrüßung des Aufsichtsrats\", \"Der kurze Brief zum langen Abschied\", \"Die Angst des Torwarts beim Elfmeter\", \"Nachmittag eines Schriftstellers\",...
Inhalt:Der Erzähler erfährt aus der Zeitung, dass seine Mutter Selbstmord begangen hat, und möchte über ihr Leben schreiben.Er beginnt beim Großvater, welcher tschechischer Abstammung ist und sich geringen Grund erwirtschaften kann. Dies genügt ihm aber nicht, also beginnt er zu sparen. Er reduziert die Ausgaben auf ein Minimum und gönnt sich nahezu nichts mehr. Er denkt dabei auch an seine Kinder, die irgendwann einmal heiraten sollen und sich einrichten müssen. An Bildung denkt er jedoch nicht.Die Mutter ist gut in der Schule gewesen, allerdings muss sie ihre Ausbildung abbrechen und von Zuhause weg, um in einem Hotel als Köchin zu arbeiten. Sie führt ein recht lockeres Leben und verliebt sich in einen Mann, von dem sie später auch ein Kind erwartet. Dennoch heiratet sie einen deutschen Unteroffizier, da sie einen Vater für ihr Kind braucht. Während des Krieges geht sie zurück aufs Land um später zu ihrem Mann nach Berlin zurückzukehren. Dieser ist aber inzwischen mit einer anderen zusammen, trotzdem bleibt sie bei ihm und treibt zwei Kinder ab. Sie verlassen wenig später das Land und kehren nach Österreich zurück, zu ihrer Familie. Es wird alles unpersönlicher, und sie wird zu einer harten Person. Ihr Mann beginnt sie zu schlagen, was sie nicht verletzt. Doch mit der Zeit kehrt sie ins Leben zurück und verlässt ihr kühles Äußeres. Sie liest wieder Bücher und redet sogar über sich. Sie leidet allerdings an Depressionen und hat einen Nervenzusammenbruch. Als auch ihr Mann später an Tuberkulose erkrankt versendet sie an alle Verwandten Briefe und nimmt eine Überdosis Schlaftabletten.
Charakterisierung der Hauptpersonen: Die Mutter: In ihrer Jugend ist sie ein kluges Mädchen, das nie die Chance bekommt, sich zu beweisen. Sie möchte sich aber selbst verwirklichen und flüchtet von daheim. Sie heiraten ihren Mann nur um den Willen der Kinder. Mit der Zeit wird sie kälter und verliert den Kontakt zur Außenwelt. Sie lebt in ihrer eigenen Realität und stellt sich selbst in den Mittelpunkt. Ihr Mann schlägt sie zwar, aber sie lacht ihn hingegen einfach aus und lässt ihn nicht ausreden, wenn er etwas zu sagen hat. Sie verlernt es, fröhlich zu lachen und Gefühle zu zeigen. Gegen Ende der Erzählung erwacht sie und knüpft an ihre blühende Jugend an. Auch wenn ihr das vorerst gelingt bekommt sie Depressionen und hat Probleme mit dem Leben. Sie gibt sich Selbst die Schuld an allem Unheil und spielt lange mit dem Selbstmordgedanken. Doch erst spät kann sie sich dazu überwinden, da sie das ganze Leben nur als Scherz ansieht.
Der Großvater:Er stammt aus Tschechien und beinahe alle seiner Vorfahren sind Knechte gewesen. Er hat es geschafft sich zu erheben und etwas zu erreichen. Doch er will immer mehr, und spart sehr viel, was ihn gleichzeitig auch geizig macht. Er ist sogar der Ansicht, dass Frauen nicht auf Schulen und Universitäten gehören, sondern in die Küche, um den Haushalt zu führen. Das ist auch der Grund, warum er seiner Tochter verbietet, weiter zu lernen. Er hat immer alles hart erkämpft, aber auch viele Rückschläge erlitten.
Der Ehemann:Er wird von seiner Frau regelrecht eingeschüchtert, er kann sich seiner Ansicht nach nur wehren, indem er sie schlägt. Doch nicht einmal das hilft ihm, wenn er von einem harten Arbeitstag nach Hause kommt. Er und seine Frau haben einander nie wirklich geliebt, sie leben nur aus Gewohnheit zusammen. Am Ende reden die beiden nicht mehr miteinander, und sie vereinsamen, jeder auf seine Weise.
Aufbau, Handlungsstruktur:Das Buch umfasst 97 Seiten und ist nicht in Kapitel gegliedert. Man kann die Handlungsabläufe in etwa so beschreiben:1.) Die Zeitung und die Gedanken des Autors, seine Gründe dieses Buch zu schreiben2.) Ihre Kindheit und das Leben in der Stadt zusammen mit ihrem Mann3.) Der Umzug aufs Land4.) Das seelische Erwachen der Mutter bis zu ihrem Selbstmord5.) Ein wildes Chaos des Autors, in dem er einzelne, nicht zusammenhängende Momente ihres Lebens wieder aufrollt.Höhepunkt ist die Entscheidung der Mutter, Selbstmord zu begehen. Die Erzählzeit beträgt etwa 90 Minuten, die erzählte Zeit ist nicht genau zu definieren, da sowohl von Großvater, als auch Mutter erzählt wird.
Stilmittel, Sprache: Die Erzählung ist in einem einfachen Stil verfasst. Die Sätze sind meist sehr lang, teilweise auch abgehakt. Der Autor lässt durchwegs niemanden zu Wort kommen, daher finden sich in dem Werk keine direkten Reden und nur wenige Zitate. Er beschreibt die Stimmungen, die Leute, ihre Gefühle und ihr Verhalten jedoch genau, auch auf die Umgebung und das gesamte Umfeld legt er Wert. Das Buch ist im wesentlichen eine Biographie seiner Mutter, niemand wird direkt charakterisiert.
Deutung, Motive, Symbolik:Der Autor schreibt über das Leben seiner Mutter wie in einem Rückblick. Er ist nicht beteiligt, weiß aber alles sehr genau. Der Leser kann sich leicht in die Hauptperson hineinfühlen, und im Unterbewusstsein aus den ganzen beschreibenden Passagen Dialoge machen, wo sich gar keine befinden. Am besten trifft die Beschreibung Helmut Scheffels zu: \"Kein Urteil, kein literarisches Denkmal für eine Mutter, kein abgeschlossenes Bild, nach dessen Beendigung der Autor und mit ihm der Leser befreit aufatmen könnte, sondern die Beschreibung einer grausigen offenen Wunde.\" Es kristallisieren sich keine deutlichen Symbole heraus, da es, wie erwähnt, anfangs wie eine Biographie gestaltet ist.
Rezeptionspoetik:Das Buch hat international Eindruck hinterlassen, und spaltet die Leser in zwei Hälften: Die einen sind begeistert und regelrecht fasziniert von dem Werk, bei den anderen hat es natürlich auch eine Faszination ausgedrückt, aber auch Schockierung. Es stellt etwas eine veränderte Form des Realismus dar, und faktisch einen ungewohnten Stil. Daher stieß es auf so viel Interesse.Ich persönlich musste das Buch zweimal lesen, um herauszufinden wie es zu lesen ist. Man versteht das Werk eigentlich nur dann, wenn man sich in die Lage der Hauptperson versetzt, und versucht so zu fühlen wie sie es tut. Da die Gefühle und Leute aber so breit umschrieben sind, kommt man leicht aus dem Fluss, und man muss gedanklich nochmals den Satz durchgehen, um alles mitzubekommen. Wirklich berauscht hat mich die Erzählung nicht, doch die Art der Beschreibung war sehr gut, die Menschen, die teilweise emotionslos auf der Welt umherwandern, ohne zu wissen, wofür. Ebenso wie der Umbruch von Freude und Erfolg zu Gefühllosigkeit und Kälte.
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