Frankreich und Europa
Ideen der Französischen Revolution wurden in den übrigen Staaten Europas zunächst v.a. von aufgeklärten Schichten begrüßt. Die Entwicklung kehrte sich jedoch ins Gegenteil mit der Radikalisierung der Ereignisse: Seit der Hinrichtung des Königspaares entstanden in europäischen Staaten zunehmend geistige und politische Gegenströmungen. Alles, das aus Frankreich kam bzw. der Idee der französischen Revolution ähnelte, wurde verurteilt. Diese Entwicklung wurde zu den Wurzeln der späteren Restauration.
Währenddessen wurde in Frankreich General Napoléon Bonaparte vom Direktorium mit der Leitung der Truppen in Italien (Italien-Feldzug) beauftragt. Innerhalb kurzer Zeit wurden Piemont (Lombardei) und Sardinien von französischen Truppen besetzt.
Die europäischen Staaten schlossen sich zu Koalitionen zusammen, um gegen das revolutionäre Frankreich zu kämpfen.
Die ersten 3 Koalitionskriege brachten Frankreich unter der militärischen Führung Napoléons große territoriale Gewinne. Es kündigte sich aber jenes Kräfteverhältnis an, das Napoléon schließlich zum Verhängnis würde. Napoléon schien bei Landschlachten unschlagbar. Um den Hauptgegner England zu schwächen, versuchte Napoléon durch 2 Seeschlachten die britischen Truppen entscheidend zu treffen. Doch beide verlor er gegen seinen Erzrivalen, Admiral Nelson (1789: Seeschlacht bei Abu Qir = Ägypten-Expedition, 1805: Schlacht von Trafalgar = 3. Koalitionskrieg). An diesem Problem, England nicht direkt bezwingen zu können, wird er schließlich scheitern.
Nach der Niederlage von Abu Qir verließ Bonaparte die Landtruppen in Ägypten und kehrte im Oktober 1799 ohne Truppen nach Frankreich zurück.
1799 Sturz des Direktoriums:
Nach seiner Rückkehr aus Ägypten stürzte er am 9./10. November 1799 das Direktorium durch einen Staatsstreich und führte eine Konsularverfassung ein. In einem anschließenden Plebiszit ließ er sich als Erster Konsul die gesamte Macht übertragen. Das Parlament bestand zwar weiter, war jedoch vollkommen von Napoléon als Erstem Konsul abhängig: Seine Anordnungen hatten Gesetzeskraft, er konnte jederzeit in die Rechtsprechung eingreifen.
Es folgte eine innere Umwandlung der annektierten Gebiete und Satellitenrepubliken (= von Frankreich abhängig):
Ehemal. Kirchenstaat à Römische Republik
Schweiz à Helvetische Republik
Genua à Ligurische Republik
Mailand à Cisalpinische Republik
Belgien à Batavaische Republik
Gebiete des Heiligen Römischen Reiches links des Rheins
Diese Veränderung hatte eine Reihe von Reformen zur Folge:
- Einführung neuer Verfassungen, neuer Verwaltungen
- Abschaffung des bisherigen Steuer- und Abgabensystems
- Konfiszierung des Vermögens
- Verfolgung der Priester und der Kirchen
Anfangs gab es keine großen Widerstände, nach außen hin schienen die neuen "Republiken" auch Souveränität zu haben, in Wirklichkeit jedoch sind sie von Frankreich abhängig und hatten viele Verpflichtungen: finanzielle Beiträge, Soldaten für alle französischen Kriege stellen, nur französischen Interessen dienen.
Doch Napoléon begnügte sich bald nicht mehr mit der Position des Konsuls. Führende Royalisten und Republikaner wurden beschuldigt, einen Staatsstreich zu planen. Der folgende Prozeß wurde propagandistisch ausgenützt, um Bonaparte als Retter des Vaterlandes und Bewahrer vor einem neuen Bürgerkrieg darzustellen. So wurde er 1802 durch eine Volksabstimmung zum Konsul auf Lebenszeit gewählt.
Außenpolitik:
1804 begründete Napoléon das "Empire", mit welchem er an römische Kaiser bzw. an die Tradition der Karolinger anknüpfte (Selbstkrönung zum Kaiser der Franzosen). Er träumt von einem Europa unter französischer Herrschaft.
Hauptgegner waren Preußen, Österreich und England. Um die französische Vormacht und seine eigene Herrschaft in Europa zu sichern, setzte Napoléon in eroberten Staaten seine Brüder ein (Louis erhält Königreich Holland, Joseph Königreich Neapel, später Sardinien, und Jérome Königreich Westfalen).
Innenpolitik:
Einrichtungen wurden geschaffen, die von bleibender Dauer waren - modern, ohne Rücksicht auf die Vergangenheit. Napoléon läßt sich diese Reorganisationsmaßnahmen immer wieder durch Plebiszite bestätigen.
- Einführung des metrischen Systems
- Einheitliches Schulsystem
- Finanz- und Bankwesen: Währungsreform, Banque de France (um Inflation zu bekämpfen)
- Zensur
Höhepunkt und Krise des Empire
In mehreren Koalitionskriegen versuchten v.a. England, Preußen, Rußland und Österreich, die militärische Überlegenheit der Truppen Napoléons zu brechen. Die Kontinentalmächte verloren dabei große Gebiete an Frankreich; Frankreich konnte triumphale Friedensschlüsse verzeichnen.
Friede von Schönbrunn 1805:
- Österreich mußte Venetien und Dalmatien (und somit den Zugang zum Meer) an die unter französische Verwaltung stehende Republik Italien abtreten.
- Das Königreich Bayern erhielt von Österreich Tirol, Vorarlberg und das Innviertel im Tausch mit Salzburg.
Friede von Tilsit 1807:
- Das Königreich Preußen wurde nach einem weiteren Krieg stark verkleinert.
Nun beherrscht Napoléon Europa von den Pyrenäen bzw. der Straße von Messina bis zur Weichsel.
Neuordnung im deutschen Raum - Ende des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation
1803: Reichsdeputationshauptschluß
Zur Entschädigung jener Fürsten, die Territorien links des Rheins verloren hatten: Säkularisierung (Verweltlichung) und Mediatisierung (kleine, direkt dem Kaiser unterstehende Territorien werden einem größeren Fürstentum unterstellt).
1806:
Süd- und westdeutsche Fürsten gründeten ein Bündnis unter französischem Schutz, den Rheinbund. Kaiser Franz II. legt die Krone nieder, was das Ende des seit 962 bestehenden Hl. Röm. Reiches bedeutete (Franz II. war seit 1804 Kaiser von Österreich = Franz I.).
Nach der Niederlage Preußens 1807 wurden aus dem preußischen Besitz das Großherzogtum Warschau, und das Königreich Westfalen abgetrennt.
Der Gegner England:
Napoléons Traum, England direkt zu besiegen, war durch die Flottenniederlagen bei Abu Qir und Trafalgar zerstört. Nun sollte England wirtschaftlich ruiniert werden. Er errichtete eine Kontinentalsperre, die England in die Knie zwingen sollte. Alle verbündeten und abhängigen Staaten wurden zu einer Seeblockade verpflichtet. Das Sperrsystem sollte Ostsee, Nordsee, Mittelmeer und Atlantik umfassen, funktionierte aber nie vollständig.
Auswirkungen der Kontinentalsperre:
England:
Anfangs war England in einer Absatzkrise, es gab eine Reihe von Firmenzusammenbrüchen, was zu einer hohen Arbeitslosigkeit führte. Doch England erschloß schnell und erfolgreich neue Märkte in Süd- und Mittelamerika. Die Abnahme der Exporte nach Europa wurde durch die Zunahme nach Amerika mehr als wettgemacht. In Europa belieferte England weiterhin die Neutralen (Schweden, Portugal, Türkei), von dort an wurden die Waren in die restlichen europäischen Staaten weitergeschmuggelt.
Kontinentaleuropa:
Die Agrarexporte nach England und Amerika fielen aus. Die Nordseehäfen waren besonders betroffen. Auch französische Hafenorte wie Bordeaux, Marseille und Nantes verloren größere Anteile am Seehandel. Es gab Warenmangel bei Zucker, Kaffee, Tee und Baumwolle. Einige wenige Industriezweige profitierten, v.a. in Frankreich und in Belgien fiel die überlegene Konkurrenz durch britische Produkte weg. Viele Gebiete wurden von Frankreich abhängig. So wurden Spanien und Portugal besetzt und Katalonien, Rom, Dalmatien, Holland und die nordwestdeutsche Küste in französisches Staatsgebiet umgewandelt. Weite Teile Europas verarmten, die versprochenen Ideale erwiesen sich als unwahr. Die Ausbeutung durch Frankreich erzeugte Feidgefühle, Haß und Widerstand.
Widerstand gegen Napoléon:
Österreich:
1809 rief Österreich andere Völker zum Freiheitskampf auf. Der Krieg ging zwar verloren, aber erstmals gelang einer österreichischen Armee unter Erzherzog Karl der Sieg über französische Truppen (Schlacht von Aspern). Gleichzeitig gab es auch einen Aufstand in Tirol unter Andreas Hofer (à Friede von Schönbrunn).
Spanien:
Spanien wird als Verbündeter nach 1807 wie ein Besiegter behandelt. Napoléon setzte seinen Bruder als König ein, der jedoch einen Guerillakrieg gegen Napoléon führt und die Kontinentalsperre unterlief.
Freiheitskriege - Sturz Napoléons
1812 Rußland-Feldzug:
Da Rußland (Alexanders I.) die Kontinentalsperre nicht wirklich durchgeführt hatte und einer Periode fortgesetzten Spannungen zwischen Frankreich und Rußland, eröffnete Napoléon 1812 ohne Kriegserklärung mit einem Aufgebot von 700.000 Mann ("Große Armee") den Kampf gegen Rußland (Rußlandfeldzug 1812). Doch der Angriff auf Rußland wurde zum Fiasko. Am 14. September zog Napoléon in Moskau ein. Die Weigerung des Zaren, Frieden zu schließen, der Brand von Moskau und in Rußland früh einsetzende Winter zwangen Napoléon zum Rückzug. Von der anfänglichen fast 700.000 Mann starken Großen Armee blieben am Ende nur noch etwa 5.000 Männer übrig. Das Scheitern des Feldzuges gegen Rußland sollte zum Wendepunkt der Napoléonischen Herrschaft werden.
Rußland, Österreich und Preußen, England und Schweden schlossen sich zu einer Koalition zusammen und gingen zum Gegenangriff über. Sie besiegten Napoléon bei Leipzig ("Völkerschlacht") 1813. Im Frühjahr 1814 marschierten Truppen der Verbündeten in Paris ein (31. März), Napoléon dankte ab (6. April).
Bei den anschließenden Friedensbestimmungen (1. Friede von Paris) wurde Napoléon ehrenvoll behandelt, er erhielt eine Leibgarde, ein Jahresgehalt und die Insel Elba als souveränes Fürstentum. Doch der Friede sollte nicht lange halten.
Während die europäischen Mächte in Wien über die Neuordnung Europas beraten (Wiener Kongreß), gelingt es Napoléon 1815 überraschend nach Frankreich zurückzukehren und neuerlich ein Heer aufzustellen. Die darauf folgende "Herrschaft der Hundert Tage" wird durch die Niederlage bei Waterloo (Belgien) beendet.
Laut den Bestimmungen des 2. Frieden von Paris, wurde Napoléon auf die Insel St. Helena im Atlantik verbannt. Frankreich erhielt durch geschicktes Verhandeln des französischen Außenministers Talleyrand eine Anerkennung der Grenzen von 1789 (vor der Revolution). Als Nachfolger Napoléons wird der Bourbone Ludwig XVII als König bestimmt. Frankreich mußte jedoch Kriegsentschädigungen zahlen und geraubte Kunstschätze ausliefern.
|