Bernd Heinrich von Kleist wird am 18. Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder als Sohn des Offiziers Friedrich von Kleist und dessen zweiter Frau Ulrike geboren. Die Kleists sind eine ausgesprochene Soldatenfamilie, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bereits achtzehn preußische Generäle hervorgebracht hatte. Gemäß der Familientradition wird Kleist protestantisch und preußisch streng erzogen, von Liebe und Wärme in der Familie, wie sie etwa Goethe erfuhr, kann bei ihm keine Rede sein. Vater und Mutter sterben früh, einzig zu seiner Stiefschwester Ulrike hat Kleist ein herzliches Verhältnis. 1792 tritt Kleist in Potsdam ins Militär ein, hält jedoch nicht viel von der nur dem Staat dienenden und das Individuum vernachlässigenden Institution. So zieht Kleist 1802 in die Schweiz und trägt die Absicht, einen alten Bauernhof zu erwerben um auf dem Land sein Glück zu finden.
Doch schon 1803 tritt Kleist wieder in die Armee ein, diesmal auf der Seite des ihm angeblich verhaßten Napoleons, um den Tod zu finden. 1806 ist Kleist bei sehr schlechtem gesundheitlichem Zustand, mit der es allerdings nie so furchtbar stand, wie er glaubte. Er selbst sieht die Dichtung als Handlungsersatz. Kleist entschließt sich, patriotischer Dichter zu werden, der in kriegerischer Sprache zu Franzosenhaß aufruft. Der Sommer 1811 vergeht unter Mißerfolgen, Ablehnungen und Demütigungen. Er fühlt sich "öde" und "traurig", als "ein ganz nichtsnutziges Glied der Menschheit behandelt". In diesem Jahr 1811 setzt er schließlich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ein Ende.
Zu Kleists wichtigsten und berühmtesten Werken zählen unter anderem das Lustspiel "Der zerbrochene Krug", das Drama "Die Familie Schroffenstein", "Robert Guiskard" und eben "Michael Kohlhaas".
Michael Kohlhaas lebt um die Mitte des 16. Jahrhunderts am Ufer der Hafel in einem kleinen Dorf namens Kohlhaasenbrück in Brandenburg. Er ist Pferdehändler und bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr ein ehrlicher und gerechter Mensch. Aber genau dieses Rechtsgefühl macht ihn zum Räuber und Mörder. Dazu kommt es folgendermaßen:
Wieder einmal ist der Roßhändler unterwegs nach Sachsen, um dort seine gesunden, jungen Tiere zu verkaufen. Er wird jedoch von einem Zöllner aufgehalten, dem er Zoll bezahlen muß. Nach Entrichtung des Weggeldes will er weiterreiten, wird jedoch vom Burgvogt aufgehalten, der von ihm einen Passierschein fordert. Kohlhaas, der bisher einen solchen noch nie benötigte, sucht den Junker Wenzel von Tronka auf, um dieses Mißverständnis aufzuklären. Der Junker aber, der von den Pferden von Kohlhaas begeistert ist, beharrt auf dem Gesetz. So erklärt sich der Pferdehändler bereit, einen solchen Passierschein aus Sachsen zu holen und läßt als Pfand die Pferde und einen Knecht zurück.
Wie er vermutet hatte, war das ganze nur ein Schwindel. Als er deswegen wieder auf das Schloß zurückkehrt, um sich seine Pferde wieder abzuholen, ist sein Knecht nicht mehr da und er findet zwei völlig abgemagerte Pferde vor. Auf dem Schloß wird behauptet, daß der Knecht ein Verbrechen begangen hatte, und er daher verjagt worden war. Die Pferde wurden dann, während seiner Abwesenheit für die Feldarbeit eingesetzt.
Als Kohlhaas nach Hause zurückkehrt, erfährt er von seinem Knecht, daß er zu Unrecht vertrieben worden sei. Daher reicht der Roßhändler eine Klage ein, die jedoch abgewiesen wird. Er wendet sich deshalb über den Staatshauptmann Heinrich von Geusau an den Brandenburger Kurfürsten. Doch die Bitte um Hilfe kommt nicht zu diesem selbst, sondern zu dessen Erzkanzler Graf Kallheim, der mit dem Junker von Tronka verwandt ist. Deswegen mißlingt auch dieser Versuch. Schließlich will die Frau von Kohlhaas versuchen, in die Burg des Junkers zu gelangen, um die Klage ihres Ehemannes noch einmal vorzubringen. Dabei wird sie aber von einer Wache der Burg verletzt und sirrt wenige Tage später an den Verletzungen. Vor dem Tod beschwört sie ihrem Mann, seinem Feind zu vergeben, wie es in der Bibel steht, und die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Kohlhaas, der seine Familie jedoch sehr geliebt hat, schwört nun ewige Rache. Er stellt dem Junker ein Ultimatum von drei Tagen, in denen er die Pferde durchfüttern und anschließend nach Kohlhaasenbrück zurückbringen sollte. Als die Tage vorübergehen und er keine Antwort erhält, verkauft er sein Grundstück und schickt seine Kinder zur Großmutter.
Dann brennt er mit einigen seiner Knechte, die ihm treu ergeben sind, die Burg des Junkers nieder. Dabei tötet er mehrere Menschen, doch der Junker von Tronka kann über ein Kloster in die Stadt Wittenberg entkommen. So zündet Kohlhaas trotz der Gegenwehr des Landvogts die Stadt dreimal an. Die Wut der Bürger richtet sich nun gegen Wenzel von Tronka.
Kohlhaas gelingt es mit dem kleinen Haufen von Anhängern, der sich mittlerweile um ihn gebildet hat, 500 Mann unter dem Befehl von Friedrich von Meißen, durch einen Überraschungsangriff zu besiegen. Kurz danach schlägt er 300 Männer des Landvogt in die Flucht. Nach einiger Zeit nennt man Kohlhaas bereits den "Mordbrenner". Leipzig ist in Kriegsbereitschaft, kann jedoch gegen die immer größere Anzahl an Gegnern gegen Kohlhaas nichts ausrichten.
Durch Martin Luther, den Kohlhaas sehr verehrt, bekommt er freies Geleit und die Klage wird von neuem vor Gericht gebracht. Der Pferdehändler legt die Waffen nieder. Auf das hinauf macht ihm der Kurfürst klar, daß er, wenn er den Prozeß verlieren würde, mit der ganzen Strenge des Gesetzes bestraft würde. Kohlhaas nimmt trotzdem die Bedingungen an. Da die Unruhe wächst, beschließt Kohlhaas zu fliehen. Doch die Flucht Mißlingt und Kohlhaas wird zum Tode verurteilt. Er soll nach Brandenburg gebracht werden, dies wird durch die Krankheit eines seiner Kinder verzögert.
Als er endlich eintrifft wird nach der Kapsel, die er um den Hals trägt gefragt. Da erzählt er von einer Zigeunerin, die dem sächsischen und brandenburgschen Kurfürsten die Zukunft vorausgesagt hat. In der Kapsel befindet sich ein Zettel, der wichtige Nachrichten für den Kurfürsten von Sachsen enthält. Alle Versuche, den Zettel in seine Macht zu bringen, scheitern kläglich.
Bevor Kohlhaas gehängt werden soll, liest er den Zettel und vernichtet ihn, indem er ihn aufißt. Der Kurfürst von Sachsen fällt sofort in Ohnmacht. Kohlhaas wird nun unter der Klage des Volkes hingerichtet und begraben.
Diese Novelle ist im Winter 1804/05 entstanden, in einer verhältnismäßig ruhigen Periode des Dichters, als er in Königsberg tätig war. Vollendet wurde das Werk für die Buchausgabe erst 1810, doch schon zwei Jahre vorher hatte Kleist Teile davon in seiner Zeitschrift "Phöbus" abgedruckt. Da diese Zeitschrift in Sachsen erschien, mußte Kleist Teile des Werkes, die Sachsen stark angriffen, umschreiben. Er verlegte dabei das meiste der negativen Geschehnisse nach Brandenburg. Bei der späteren Buchausgabe in Brandenburg ging er nach dem gleichen Schema genau umgekehrt vor, indem er wieder Sachsen in den Mittelpunkt stellte.
Teile der Novelle beruhen auf wahren Begebenheiten. Etwa im Jahre 1535 war ein Viehhändler namens Hans Kohlhaase mit seinem Vieh nach Sachsen unterwegs. In einer Schenke fiel er einigen Bauern auf, da er in Eile war. Die Bauern hielten ihn für einen Viehdieb, weil er in der Nacht weiterreiten wollte. Als ihn die Bauern zur Rede stellen wollten, zog Hans Kohlhaase sein Messer und bedrohte die Bauern. Deshalb nahmen ihm die Bauern die Pferde weg und verlangten, daß sie solange bei ihnen blieben, bis Kohlhaase genug Beweise gebracht hatte, daß die Pferde sein Eigentum wären.
Als Hans Kohlhaase bei seiner Rückkehr erkannte, daß seine Pferde für die Feldarbeit benützt worden waren und er einen großen Betrag für die Fütterung bezahlen sollte, protestierte er bei verschiedenen Fürsten, die ihm jedoch nicht halfen. Als Rache plünderte er mehrere Orte und zündete sie an. Als er gefangen genommen und zum Tode verurteilt worden war, soll er auf dem Weg zu seiner Hinrichtung immer wieder gemurmelt haben: "Nunquam vidi iustum derelictum." - "Niemals habe ich einen Gerechten verlassen gesehen...
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