Geschichtlicher Hintergrund
· Industrialisierung: Elend der Menschen, Hunger, Armut, Vermassung in den Großstädten, Schlechte Arbeitsbedingungen...
· Herausbildung einer wirt. besitzlosen Arbeiterklasse (Proletarisierung)
· Fortschritte in Wissenschaft und unbeirrbarer Glaube an sie (Positivismus)
· Bismarcks Sozialistengesetz (1878) und Sozialgesetzgebung (1883-89) und Auseinandersetzung mit den Sozialisten => Spannungen in der Gesellschaft
Naturalismus Allgemein
· Bezeichnung für jegliche Art von Literatur, die ohne Stilisierung, Überhöhung oder Beschönigung der Wirklichkeit auskommt und diese exakt abzubilden versucht
· Naturalismus nahm in Frankreich und Skandinavien (Ibsen) seinen Anfang und ging u. a. mit seiner gesellschaftskritischen Tendenz über die Bestrebungen des bürgerlichen bzw. poetischen Realismus weit hinaus
· In Deutschland waren besonders die naturalistischen Dramen von Bedeutung
Grundidee des Naturalismus
· die Natur/Realität sollte so wirklichkeitsnah und objektiv wie möglich wiedergegeben werden, ohne jegliche künstl. Stilmittel
· Definition des naturalistischen Theoretikers Arno Holz:
Kunst = Natur - X
X = Bedingungen der Wiedergabe, die Art der Sprache, die dichterische Form (alle dichterischen Stilmittel, z.B. Reimschemas) => je weniger x, desto besser, um so exakter kann die Wirklichkeit wiedergegeben werden
Natur = die Realität, die Wirklichkeit, das reale Leben
Arno Holz: "Unsere Welt ist nicht mehr klassisch,/Unsere Welt ist nicht romantisch, /Unsere Welt ist nur modern....."
· Schwerpunkt ist die Auswahl und die logische Folge der Szenen aus den wirklichen Leben, nicht die künstlerische Gestaltung (X)
Stil und Merkmale
· genaue, detaillierte Wiedergabe bis ins kleinste Detail
· Themen waren u.a. Großstadtleben, Alkoholismus, Arbeitslosigkeit, Armut, Kranke und Geistesgestörte, Kriminalität, Zerrüttung von Familie und Eheleben, Lebensverhältnisse der verarmten Arbeiterklasse
· das Drama wurde bevorzugt, Lyrik und Roman waren seltener
· Merkmale: Dialekt, häufig offenes Ende und ungeklärte Fragen, Sekundenstil, Traditionelle Dramenforn aber auch schon epische Ansätze, Dialoge überwiegen Monologe deutlich (Monologe = Wirklichkeitsfremd), häufig Kollektivhelden, Handlungsträger sind jetzt auch von der Gesellschaft verachtete Personen (Säufer, Dirnen, Kriminelle...), spielt in Milieus (z.B. Elendsvierteln, Fabriken, Hinterhöfen, Arbeiterbehausungen...), radikal und zeitkritisch
· Ziel: Charakter einer Protestbewegung, um Mißstände aller Art aufzudecken und damit die Gesellschaft positiv zu beeinflussen
Vertreter und wichtige Werke
Dramen: Gerhart Hauptmann (1862-1946): Vor Sonnenaufgang (1889), Die Weber (1892), Der Biberpelz (1893), Die Ratten(1911) / Arno Holz (1863-1929) und Johannes Schlaf (1862-1941): Die Familie Selicke (1890) / Johannes Schlaf (1862-1941): Meister Ölze (1892) / Hermann Sudermann (1857-1928): Frau Ehre (Schauspiel, 1889), Johannisfeuer (Schauspiel. 1900), Stein unter Steinen (Schauspiel. 1905)
Erzählungen und Romane: Gabriele Reuter: Aus guter Familie (Roman. 1895) / Helene Böhlau: Der Rangierbahnhof (Roman. 1896) / Peter Hille: Die Sozialisten (Roman. 1886) / Max Kretzer: Meister Timpe (Roman. 1898)
Nat. Zeitschriften: Julius und Heinrich Hart: Kritischen Waffengänge (gegründet 1882) / Michael Georg Conrad: Die Gesellschaft (gegründet 1885) / Heinrich Hart: Berliner Monatshefte für Literatur, Kritik und Theater (gegründet 1885)
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