Michael Köhlmeier Biographie Michael Johannes Köhlmeier ist am 15. Oktober 1949 in Hard in Vorarlberg geboren. Er genoß eine humanistische Bildung und versuchte sich bald als freier Schriftsteller. Von 1970 bis 1978 studierte er Germanistik und Politologie in Marburg sowie Mathematik und Philosophie in Gießen und Frankfurt. Von 1973 bis 1975 gestaltete er gemeinsam mit Reinhold Bilgeri die Kabarettsendung \"Im Westen nichts Neues\" für Radio Vorarlberg. Aus dieser Arbeit gehen auch die ersten gemeinsamen Lieder hervor, bzw.
im Anschluß daran gemeinsame Tonträger. Bereits mit seinem Debütroman \"Der Peverl Toni und seine abenteuerliche Reise durch meinen Kopf\" (1982) fand Köhlmeier große Beachtung, darauf folgten weitere Romane wie \"Moderne Zeiten\" (1984) und \"Spielplatz der Helden\" (1988). Von Ende der 60er Jahre bis 1985 war er freier Mitarbeiter des ORF und Verfasser zahlreicher Hörspiele. 1995 wurde seine Bearbeitung der "Sagen des klassischen Altertums" aufgenommen und auf Ö1 veröffentlicht. Köhlmeier verwarf dabei die Idee, Textstellen von einem professionellen Schauspieler vortragen zu lassen und erzählte statt dessen die Sagen aus dem Stehgreif. Der Erfolg dieser Produktion war so groß, daß die Reihe im nächsten Jahr fortgesetzt wurde.
Ebenfalls in der Tradition der Antike steht Köhlmeiers bekanntester Roman, Telemach, der die Geschichte vom Sohn des Odysseus und dessen Gattin Penelope in die Neuzeit verlegt. Seine bekannteste Erzählung "Sunrise" wurde 1994 veröffentlicht, "Bleib über Nacht" 1993. Seit 1995 lebt er als freier Schriftsteller mit seiner Frau Monika in Hohenems in Vorarlberg. Preise und Auszeichnungen: · 1974 Rauriser Förderungspreis für Literatur · 1976 Nachwuchsstipendium für Literatur des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst · 1983 Rauriser Literaturpreis des Landes Salzburg · 1988 Johann-Peter-Hebel-Preis für Literatur des Landes Baden-Württemberg (für "Spielplatzt der Helden") · 1993 Manès-Sperber-Preis für Literatur des Bundesministeriums für Unterricht und KUnst und des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung · 1996 Buchprämie des BMWVK · 1996 Anton-Wildgans-Preis der österreichischen Industrie · 1997 Grimmelshausen-Preis der Stadt Renchen Weitere Werke - Der Peverl Toni und seine abenteuerliche Reise durch meinen Kopf - Moderne Zeiten - Spielplatz der Helden - Im Süden der Vernunft - Bleib über Nacht - Telemach - Sagen des klassischen Altertums - Kalypso - Calling - Geh mit mir - Der Tag, an dem Emilio Zanetti berühmt war SUNRISE Inhalt Während des nächtlichen Versuchs zweier Freunde einen Autolenker dazu zu bewegen, sie ein Stück mitzunehmen, beginnt einer der beiden (Richard) eine Geschichte zu erzählen: Leo Pomerantz, ein Obdachloser, hat beschlossen sein Leben sein Leben nach dem Frühstück zu ändern und ist gerade im Begriff den Hollywood-Boulevard zu überqueren, um im Café auf der anderen Seite eben dieses einzunehmen. Doch Leo sieht in der Mitte des Boulevards einen Mann, der ihm mit einem glänzenden Gegenstand zuwinkt, den er nicht sogleich erkennen kann. Er geht also auf den Fremden zu, als dieser ausholt und den Gegenstand, eine Sichel nach ihm wirft.
Doch der Tod verfehlt sein Ziel. Die Sichel prallt von einem Auto ab und bohrt sich in die Brust der jugendlichen Stripperin Rita Luna. Die junge Frau ist aber nicht bereit diese Ungerechtigkeit hinzunehmen. Schließlich war die Sichel ja für Leo bestimmt gewesen, was dieser auch weiß. So beschließt der Tod die Zeit in Los Angeles für eine Stunde anzuhalten und jedem der beiden exakt 27 Minuten Zeit zu geben, um zu erklären warum man selbst und nicht der andere am Leben bleiben soll. Leo beginnt nun mit seiner Geschichte.
Er erzählt von seiner Mutter, die gestorben ist, als er 12 Jahre alt war und von seinem Vater, der immer das Programm wechselte, wenn im Fernsehen Familienserien gezeigt wurden. Er spricht von seinem weltmännischen Onkel Leonhard (von dem er auch seinen Namen hat), den er abgöttisch geliebt hat und von dessen Freundin Rosa-Linda, die wie er behauptet, seine erste große Liebe gewesen ist. Er erzählt, wie er sich eingebildet hat, ihr ein großes Geschenk machen zu müssen, und zu diesem Zweck die heimliche Finanzreserve der Eltern geplündert hat, um eine Handtasche zu kaufen. Leo endet damit, wie seine Eltern Rosa-Linda als Kleptomanin entlarven und sie vor dem mit Diebesgut angefüllten Wagen zur Rede stellen. Nur die Handtasche, die ihr der kleine Leo heimlich ins Gepäck geschmuggelt hat, behält sie. Deshalb, damit er sein Leben ändern kann um wieder solche Momente erleben zu können, und weil er ein Ziel habe, nämlich mit dem Trinken aufzuhören, dürfe er jetzt noch nicht sterben, appelliert er an den Tod.
Da ist seine Zeit auch schon abgelaufen und es beginnt nun ihrerseits Rita um ihr Leben zu reden. Sie hätte der Tod beinahe schon einmal geholt, obwohl sie auch damals eigentlich nicht an der Reihe gewesen wäre. Denn als sie in einer Klinik am Broadway auf das Ergebnis ihres Aids-Tests wartet, lernt sie den mexikanischen Schoscho kennen. Er ist am Boden zerstört und droht sich mittels bereitgehaltener Spritze sofort einen goldenen Schuß zu verpassen, sollte er HIV-Positiv sein. Doch beide erhalten einen negativen Bescheid, was der junge Mexikaner geschickt auszunützen weiß. Da Rita und er zur Zeit die einzigen Menschen wären, die wirklich hundertprozentig wüßten, dass sie nicht Aids hätten, müssten sie doch logischerweise zusammenbleiben und einander nicht aus den Augen lassen.
Die beiden ziehen auch wirklich zusammen, doch droht Schoscho jedesmal, wenn ihm etwas nicht passt, mit Selbstmord. Insgesamt versucht er 12 mal sich zu töten. Rita hält das nicht mehr aus und schneidet sich bei einem erneuten Suizidversuch selbst die Pulsadern auf. Durch unglaubliches Glück aber überleben die beiden. Sie wäre eben noch nicht dran gewesen, weder damals noch heute, schließt Rita ihre Ausführungen. Auch Richard, der diese Geschichte seinem Freund erzählt hat, endet an dieser Stelle.
Aber der gespannte Zuhörer läßt sogar eine Mitfahrgelegenheit aus, um die Entscheidung des Todes zu erfahren. Richards Einwand, die Erzählung wäre nun eben aus, und es könne sich ohnehin jeder selbst aussuchen wie es weitergehe, lässt er nicht gelten. Am liebsten wäre es ihm wenn der Tod den beiden ein Jahr Frist geben würde. Wenn dann keine Lösung gefunden werden sollte, müssten beide sterben. Sollte aber jemand eine Regelung finden, dann müsste eben dieser \"Schlaukopf\" sterben, um Rita und Leo zu retten. Daraufhin öffnet Richard nun seinen Rucksack und nimmt seine Sichel heraus, holt aus und trifft seinen Zuhörer.
Thema Thema ist die Unmöglichkeit, zwei Leben auf die Waagschale zu legen, um zu entscheiden welches lebenswerter sei. Auf ungewöhnliche Weise wird damit das Recht auf Existenz mit der eigenen Persönlichkeit und Lebensgeschichte verwoben. Motive Der Tod: Sowohl der personifizierte Tod als auch das Sterben spielen eine wichtige Rolle in der Erzählung. Leo Pomerantz Mutter stirbt, als dieser 12 Jahre alt ist. Dieser Schicksalsschlag bleibt ihm lebenslang in Erinnerung. Beinahe ins Groteske zieht sich das Todesmotiv bei Rita und ihrem Freund Schoscho: nicht weniger als ein Dutzend mal versucht der junge Mann sich umzubringen, und treibt dadurch auch seine Freundin in den Selbstmord.
Daß Rita damals überlebt hat, macht sie sozusagen mit dem Tod bekannt Und zum Schluss opfert sich der Zuhörer (unfreiwillig) für diese zwei, für ihn eigentlich Fremde, auf, und stirbt. Der Tod als eine Figur, die einerseits neutral und gerecht, andererseits aber auch unfair erscheint. Ort der Handlung Hollywood-Boulevard: Der Boulevard ist sowohl jene Stelle, an der der Tod die Sichel nach Leo Pomerantz wirft, als auch der Platz an dem die Erzählung durch den Tod des Zuhörers ihr unerwartetes Ende nimmt. Messingumrandete Sterne, in die die Namen der Stars eingraviert sind, zieren diese Straße, ziehen aber andererseits auch den Schmutz an. Während Rita und Leo erzählen, setzt sich der Tod auf einen Stern, der rätselhafterweise keinen Namen aufweist. Zu dieser Zeit liegt dichter Nebel über dem verdreckten Boulevard, was dazu führt daß der Leser nicht den Eindruck eines vornehmen, sondern heruntergekommenen Schauplatzes erhält.
Fame Café und Starship Trooper: Der Besuch dieser beiden Lokale ist die einzige Gemeinsamkeit die Rita und Leo haben, bevor sie im gleichen Augenblick die Straße überqueren. Das Fame Café fungiert als Frühstückslokal, das Starship Trooper als Nachtclub. Während Rita als Stripperin in der Bar arbeitet, hält sich Leo dort meist zum Vergnügen auf. Der häufige Besitzerwechsel dieses und anderer Lokale ist für den Unterstandslosen ein Segen, da keiner der neuen Besitzer weiß, wer bei seinem Vorgänger Lokalverbot gehabt hat, eine Strafe mit der Leo des öfteren belegt worden ist. Charaktere und deren Konstellation Leo Pomerantz, genannt: Squeezy: Er ist ein Unterstandsloser, der sich in der Nähe des Hollywood-Boulevards hinter Ölfässern und Gaskartuschen einen Schlafplatz eingerichtet hat. Sein Alter gibt er zwar mit 52 an, aber wenn Squeezy sich im Spiegel betrachtet sieht er sich viel älter.
Das ist auch der Grund weshalb er seinen Lebensstil verändern möchte. Sein großes Ziel, das er auch im Gespräch mit dem Tod immer wieder anführt, ist es, in einem Jahr auszusehen wie 53 und nicht wie 70. Nach dem frühen Ableben seiner Mutter, verlässt Squeezy die Highschool vorzeitig und betätigt sich als Zimmermann am Strand von Malibu. So ausführlich der Autor einzelne Kindheitserlebnisse dieser Figur beschreibt, so wenig erfährt der Leser jedoch von Leos sozialem Abstieg, der ihn zu einem Außenseiter der Gesellschaft macht. Der Tod seiner Mutter prägte den Knaben, wohl aus deswegen, weil er bis heute nie dessen den wahren Grund erfahren hat. Sein Vater war für ihn stets ein \"Antivorbild\"; Onkel Leonhard und dessen Lebensgefährtin dagegen zeigten die Welterfahrenheit und Großzügigkeit, die er an seinen Eltern vermisst hat.
Squeezy vermittelt zwar einen ungebildeten Eindruck, doch weiß er mit bruchstückhaften Zitaten (\"Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da\" ) sein Gegenüber zu verblüffen. Selbst beim Tod versucht er mit Argumenten wie \"Der Zufall ist das Höchste, denk an die Griechen\" Eindruck zu schinden. Er meint damit, dass es eben Schicksal sei, dass die Sichel ihn verfehlt und die junge Frau getroffen habe. Das sei unabänderlich, denn \"es ist zwar ungerecht, aber es steht nirgends geschrieben, dass der Tod eine gerechte Sache ist.\" Squeezy möchte um jeden Preis weiterleben und gerät deshalb während seiner Erzählung oft in Panik und vergißt, was er eigentlich ins sagen wollte. Rita Luna: Sie ist eine noch junge Frau, kaum zwanzig Jahre, die trotzdem reifer wirkt als Leo Pomerantz.
Sie arbeitet in einem Striplokal namens \"Starship Trooper\". Rita Luna, ihren richtigen Namen erfährt man nicht, ist eine außerordentlich gute Zuhörerin, die wegen ihrer ansprechenden Gestalt von Generaldirektoren und Managern gleichermaßen geliebt wird. Sie trifft die Sichel des Todes nur aus Versehen, deshalb ist sie nicht bereit diese Ungerechtigkeit einfach auf sich sitzen zu lassen. Rita ist überzeugt, \"daß es bei einer so gigantischen Sache wie dem Sterben mit Sicherheit Listen oder so etwas ähnliches gibt.\" Obwohl also die Sichel bereits in ihrer Brust steckt, gibt sie nicht auf, und pocht, zum Missvergnügen Leos, auf ihr Recht. Da Rita überzeugt ist, daß sie noch nicht zu sterben an der Reihe ist, beginnt ihre Erzählung viel gelassener als Leos, wohl auch deshalb, weil sie dem Tod bereits einmal entgangen ist.
Die bedeutendste Rolle in ihrem Leben spielt der achtzehnjährige Mexikaner Schoscho, den sie erst vor kurzem kennen gelernt hat. Im Gegensatz zu ihrem Freund regiert Rita beherrscht, bisweilen sogar stoisch und bringt diesen dadurch gehörig aus der Fassung, wie etwa mit dem Kommentar, sie bringe sich nicht um, sollte sie Aids haben Die wegen jeder Kleinigkeit geäußerten Suizidgedanken ihres Partners bringen, die junge Frau aber dann doch aus der Ruhe. Sie schneidet sich, mehr aus Trotz denn aus Verzweiflung die Pulsadern auf. Ritas gewichtigstes Argument am Leben zu bleiben, ist, dass der Tod offensichtlich beim Sichelwurf einen Fehler gemacht hätte. Dennoch verhält sie sich Leo gegenüber nicht feindselig, sondern hilft ihm sogar wieder auf die Sprünge als dieser vor lauter Aufregung in seinen Ausführungen steckenbleibt. Der Dünne (Tod) alias Richard: Die wahre Identität des Autostoppers Richard, der wie beiläufig seinem Freund eine Geschichte erzählt, erfährt der Leser erst im letzten Abschnitt der Erzählung.
Die Rolle des Todes, oder des Dünnen, wie Richard sich selbst nennt, in eben dieser Geschichte dagegen scheint klar. Die Gestalt des Todes scheint allgegenwärtig und mächtig, obwohl er sich auch einer einfachen Umgangssprache bedient. In der Person des Richard, lässt es sich der Tod nicht nehmen, seinem Zuhörer Belehrungen zum Thema Sprache und Sprachgefühl zu erteilen. Er geht zum Beispiel der eigentlichen Bedeutung von \"gleichgültig\" auf den Grund und führt neue Wörter wie \"Spätstück\" ein. Auch erweist sich der Tod als überaus fair. Nicht nur, dass er Rita und Leo Gelegenheit gibt ihr Leben zu retten, gibt er doch auch seinem Zuhörer noch kurz vor Schluss der Erzählung eine Möglichkeit sich aus der Angelegenheit zu winden, die dieser allerdings ungenützt lässt.
Der Zuhörer: Von ihm, der sich nichtsahnend die Geschichte seines vermeintlichen Freundes Richard anhört, erfährt der Leser am wenigsten. Weshalb die beiden zu Autostoppen gezwungen sind, bleibt ebenso unerwähnt, wie eine Erklärung, wie sich er und Richard, der ja niemand geringerer als der Tod ist, überhaupt kennengelernt haben. Bemerkenswert ist jene Textstelle, an der er eine Mitfahrgelegenheit auslässt, um den Ausgang der Geschichte zu erfahren. Da Richard aber (wie es scheint) keinen Schluss weiß, versucht er selbst ein Ende zu erfinden und führt den Schlaukopf ein. Damit hat er sein eigenen Todesurteil besiegelt, merkt das aber erst, als er sieht, wie Richard die Sichel aus dem Rucksack holt. Form und Aufbau der Erzählung Köhlmeier führt in \"Sunrise\" zwei Erzählebenen ein, deren Aufbau weitgehend symmetrisch erfolgt.
Ausgangspunkt der Handlung ist der Hollywood-Boulevard, wo die beiden Freunde nach einer Mitfahrgelegenheit Ausschau halten und dabei abwechselnd die wenigen, vorbeifahrenden Autos zum Anhalten bringen wollen. Diese Ebene bildet also das Gespräch zwischen Richard und dem Zuhörer, während sich der Inhalt dieser Geschichte von \"Leo Pomerantz, Rita Luna und dem Dünnen\" auf einer zweiten Stufe abspielt. Richards Erzählung wird regelmäßig unterbrochen. Ein Wechsel der Ebenen findet nämlich immer genau dann statt, wenn ein Auto die beiden Freunde passiert. Diese Pausen nützt der Autor, um kurze Dialoge zwischen Richard und dem Zuhörer dazwischenzuschieben. Lässt man diese kurzen Unterbrechungen außer acht, erhält man vom Aufbau der Erzählung folgendes Bild: Am Beginn steht eine kurzen Einleitung auf der ersten Ebene erzählt , die nur dazu dient einen kurzen Einblick in die Situation zu geben und den Schauplatz zu beschreiben.
Was folgt ist der Hauptteil auf der zweiten Ebene , der sich in zwei Hälften gliedern lässt. Eine davon ist die Lebensgeschichte des Leo Pomerantz, die zweite ist die von Rita Luna. Am Ende der Erzählung kommt man wieder auf die erste Ebene. Erst dann stellt sich heraus, dass die eigentliche Handlung in der bis jetzt unscheinbaren ersten Ebene spielt.
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