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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Michael berg


1. Drama
2. Liebe

1.2. Die Entwicklung des jungen Michael Berg



Der Protagonist und Ich-Erzähler Michael Berg ist in der Erzählgegenwart Jura- Professor an einer deutschen Universität mit dem Arbeitsschwerpunkt Rechtsgeschichte. Er blickt auf seine bemerkenswerte Liebesbeziehung zu einer viel älteren Frau, Hanna Schmitz, zurück. Sie beginnt als er 15 war.

Mit seien 15 Jahren steckt Michael Berg in der Pubertät. "Diese ist als physisches sowie psychisches, vor allem aber als eine sexuelles Entwicklungsgeschehen zu verstehen." 3 Insofern erlangt Michaels Begegnung mit Hanna entscheidende Bedeutung. Das zeigt sich an vielen Textpassagen.

Zunächst fällt Michaels sexuelles Reifen auf. Seine sexuellen Fantasien und Wünsche werden dabei von Schuldgefühlen begleitet.

"Ich wachte jeden Morgen mit schlechtem Gewissen auf, manchmal mit feuchter oder fleckiger Schlafanzughose. Die Bilder und Szenen, die ich träumte, waren nicht recht. [.] Besonders unrecht war, dass ich die Bilder und Szenen, wenn ich sie nicht passiv träumte, aktiv phantasierte. [.] Kehrte sich die moralische Erziehung gewissermaßen gegen sich selbst? [.] Ich erfuhr Tag um Tag, dass ich die sündigen Gedanken nicht lassen konnte. Dann wollte ich auch die sündige Tat." 4



Typisch ist auch die eigentümliche Mischung von sexueller Erregtheit und gleichzeitiger Verschämtheit. Während Hanna sich ihre Strümpfe anzieht, kann Michael die Augen nicht von ihr lassen. Als sie dies bemerkt, wird er rot, hält es nicht mehr aus, stürzt aus der Wohnung, rannte die Treppe hinunter und aus dem Haus. Wenn Michael dann aber über sein Verhalten nachdenkt, kehrte die Erregung wieder. Das einscheidende Erlebnis ist der erste Geschlechtsakt, der in Michael auch weiteres sexuelles Verlangen nach Hanna auslöst.

"Sie legte die Arme um mich, die eine Hand auf meine Brust und die andere auf mein steifes Geschlecht. [.] Ich hatte Angst vor dem Berühren, vor dem Küssen, davor, dass ich ihr nicht gefallen und nicht genügen würde. Aber als wir uns eine Weile gehalten hatten, [.] wurde alles selbstverständlich. Das Erforschen ihres Körpers mit Händen und Mund, die Bewegung der Münder und schließlich sie über mir, Auge in Auge, bis es mir kam [.]." 5



Auffällig ist weiterhin Michaels pubertärer Wachstumsschub. Er selbst nimmt die physische Veränderung an sich wahr, wenn er bemerkt, er habe zu lange Arme und Beine für die Koordination seiner Bewegungen gehabt. Allerdings kann man daran auch ein gängiges Verhaltensmuster der Pubertät erkennen, nämlich, dass er sich unsicher und nichtsnutzig fühlt, das kleinste Scheitern führt zur Selbstabwertung:



"Ich hatte zu lange Arme und zu lange Beine [.]. Meine Brille war ein billiges Kassenmodell und mein Haar ein zausiger Mop [.]. In der Schule war ich nicht gut und nicht schlecht[.]. Ich mochte nicht wie ich aussah, wie ich mich anzog und bewegte, was ich zustande brachte und was ich galt." 6

Außerdem ist Michaels psychische Reife zu erkennen. Nach seinen sexuellen Erlebnissen mit Hanna fühlt er sich kraftvoll und überlegen und er will mit seiner neuen Männlichkeit auch seinen Lehrern und Mitschülern imponieren. Dies führt zu einem Konflikt mit seinen Eltern. Da er immer noch an den Folgen seiner Gelbsucht leidet, darf er noch nicht wieder zur Schule gehen. Ganz selbstbewusst aber verkündet er seiner Familie: "Ich gehe morgen wieder zu Schule." 7 Er verteidigte seine Entscheidung erfolgreich gegen die Bedenken seiner Mutter. Gleichzeitig spürt er eine gewisse emotionale Zerrissenheit. Einerseits zeigt Michael zu diesem Zeitpunkt Verständnis für seine oft unausstehlichen Geschwister, für seine stets besorgte Mutter und für seinen Vater, den Philosophieprofessor, der sich kaum für seine Familie zu interessieren scheint, und Michael hat sie plötzlich alle furchtbar lieb. Andererseits: "Ich fühle mich wie bei einem Abschied. Ich war noch da und schon weg. Ich hatte Heimweh nach Mutter und Vater und den Geschwistern und die Sehnsucht, bei der Frau zu sein." 8

Michael wird aufgrund seiner sexuellen Erfahrung mit der 36-jährigen Hanna erwachsen. Er tritt selbstbewusst auf und löst sich von seiner Familie.



1.3. Verlauf seiner Beziehung mit Hanna



So glücklich Michael zunächst in dem doch eher vordergründig sexuellen Verhältnis mit Hanna ist, so sehr wird ihm die Beziehung doch auch zunehmend zur Belastung. Dies zeigen deutlich die Streitsituationen zwischen den beiden. Michael erscheint dabei als der Unterdrückte, während Hanna die dominante Rolle spielt. Michael leidet bewusst an dieser Beziehung, versucht aber gleichzeitig diese auf seine Kosten aufrechtzuerhalten und Zugeständnisse zu machen. Michael ist also abhängig von Hanna.

"Wenn sie drohte, habe ich sofort bedingungslos kapituliert. Ich habe alles auf mich genommen. Ich habe Fehler zugegeben, die ich nicht begangen hatte [.]. Wenn sie kalt und hart wurde, bettelte ich darum, dass sie mir wieder gut ist, mir verzeiht, mich liebt. Manchmal empfand ich, als leide sie selbst unter ihrem Erkalten und Erstarren. Als sehne sie sich nach der Wärme meiner Entschuldigungen, Beteuerungen und Beschwörungen. Manchmal dachte ich, sie triumphiert einfach über mich. Aber so oder so hatte ich keine Wahl." 9



Es sind in der Regel Missverständnisse, die die Streitereien zwischen Hanna und Michael auslösen. Einmal sogar kommt es dazu, dass sie ihn brutal mit ihrem Gürtel schlägt. Michael ist überrascht und ratlos, weil er gewohnt ist, dass man in Konfliktsituationen redet. Mit Hanna ist aber genau dies nicht möglich. "Fängst du schon wieder an?" 10 ist ihre Reaktion, als er nach Erklärungen sucht. Die Probleme zwischen Hanna und Michael sind also im Wesentlichen Kommunikationsprobleme und die ergeben sich aus Hannas Analphabetismus, von dem Michael aber zu diesem Zeitpunkt noch nichts weiß.

Eher unglaubwürdig erscheint Michaels Feststellung, dass Hanna und er sich damals nahe waren. Tatsächlich leben sich die beiden in diesem Frühjahr auseinander. Es entwickelt sich auf Seiten Michaels eine zunehmende Distanz gegenüber Hanna. So sieht er sich nach anderen Frauen um, insbesondere nach seiner Mitschülerin Sophie, und er ist voll Groll gegen Hanna, die er schließlich vor seinen Mitschülern verleugnet.

"Ich habe mich nicht zu ihr bekannt. Ich weiß, das Verleugnen ist eine unscheinbare Variante des Verrats. [.] Aber der, der sich nicht bekennt, weiß es genau, Und der Beziehung entzieht das Verleugnen ebenso den Boden wie die spektakulären Varianten des Verrats." 11



Das Verhältnis mit Hanna stürzt Michael zunehmend in einen inneren Konflikt, der insofern nur vordergründig gelöst erscheint, als Hannas plötzliches Verschwinden Michael von einer aktiven Konfliktlösung zunächst befreit. Bewältigt ist die Beziehung zu Hanna aus Michaels Sicht damit keineswegs. Das zeigt sich dann auch im weiteren Handlungsverlauf. Das Gefühl der eigenen Schuld und die nicht bewältigte, sich fortsetzende Abhängigkeit von Hanna führt bei Michael in der Folgezeit zu einer Bindungsunfähigkeit und einer Abweisung anderer Menschen.

 
 

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