Am Anfang muss ich mir die Frage stellen, Macht, was ist das eigentlich? Philosophen und Soziologen kennen für dieses Wort viele Definitionen. Die mir einfachste und plausibelste stammt von M. Weber. Er beschreibt Macht als "Macht die Fähigkeit, eigene Absichten durchzusetzen." Vielmehr ist es die "Chance innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen."
Doch in welcher Beziehung stehen nun Macht, Freiheit und Verantwortung?
Derjenige, der in einer Gesellschaft oder in einer Organisation eine führende Position einnimmt, wird nicht alleine von seinem persönlichen Bedürfnis nach Macht und Herrschaft getrieben, sondern er muss sich seiner persönlichen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die er vertritt und beherrscht bewusst werden. Das ist notwendig, um Legitimation zu erhalten. Legitimation im Sinne von Akzeptanz durch die Gesellschaft. Wird der Herrschende nicht akzeptiert oder ist nicht in der Lage, die ihm gegebene Macht effektiv umzusetzen, verliert er an Einfluss und Akzeptanz. Als Beispiel führe ich hier die Problematik der Weimarer Republik an. Die Regierung, welche nach dem ersten Weltkrieg die Herrschaft des deutschen Kaisers ersetzt hatte, wurde im Großen und Ganzen nie vollständig von der deutschen Bevölkerung akzeptiert, höchstens eine zeitlang geduldet. Diese Problematik führte letztendlich zur Katastrophe und zur Machtübernahme durch die Partei Adolf Hitlers.
Doch ich möchte nicht abschweifen. Tatsächlich aber ist es trotzdem so, dass die Benutzung des Wortes "Macht" meist negativ reflektiert wird. Die Macht, die entweder durch staatliche Autorität oder auch die Eltern beispielsweise verkörpert werden kann, setzt der persönlichen Freiheit Grenzen. Jedoch sind diese Grenzen oftmals notwendig, um das Handeln und Denken des Individuums im Rahmen gesellschaftlicher Konventionen zu halten. Niemals kann jedoch eine Idee umgesetzt werden, ohne dabei den Widerstand anderer Ideen und Vorstellungen zu überwinden. Es muss also meistens Macht, nicht immer im Sinne von Gewalt ausgeübt werden, um gewisse Vorstellungen gegen die Überzeugungen anderer durchzusetzen.
Die wichtigsten politischen Ziele sind es, in der Welt Frieden, Freiheit und Wohlstand zu sichern. Um diese Ziele zu realisieren, bedarf es manchmal des Zusammenschlusses mit anderen Organisationen im eigenen Land oder auch der Zusammenarbeit mit anderen Nationen in der internationalen Politik. Diese Vereinigung findet meiner Meinung nach allerdings nur so lange statt, wie es für die Erreichung bestimmter Ziele notwendig ist. Danach ist der Verhandlungspartner weniger bedeutsam, als er es noch im Laufe des Kontraktes war. Dies ist der Fall, wenn man die Karrieren verschiedener Politiker betrachtet. Um seinen eigenen Aufstieg zu ermöglichen, musste zumeist die Macht anderer überwunden werden.
In der internationalen Politik hat ebenfalls derjenige das meiste politische Gewicht, der über die stärkste Gewalt verfügt. Im Klartext bedeutet das, wer hat die stärksten Armeen und neusten Waffen.
Oder ist es etwa nur Zufall, dass ausgerechnet die fünf Atommächte die einzigen ständigen Mitglieder im Weltsicherheitsrat sind? Meiner Meinung nach nicht. Aber nicht nur die Stärke des Militärs ist dabei ausschlaggebend, eine Zusammenarbeit mit Partnern ist notwendig, um ein gewisses Maß an Macht und Gewalt zu erreichen. Die europäische Union beispielsweise ist zwar ökonomisch betrachtet ein Riese, politisch jedoch nicht sehr hoch anzusiedeln, da die militärische Zusammenarbeit nicht eng genug ist. Die USA haben jedoch ein solches Level an politischer, wirtschaftlicher und militärischer Macht erreicht, dass sie sich ihre Partner größtenteils selber aussuchen können, sofern ein Partner überhaupt benötigt wird.
Wir unterscheiden also zwischen politischer und militärischer Gewalt und deren Verantwortung oder anders gesagt, wir unterscheiden zwischen psychischer und physischer Gewalt. Es ist nur logisch, dass der militärischen Gewalt immer die politische vorangeht. Geht mein Verhandlungspartner beziehungsweise mein Gegner nicht auf Drohungen oder Verhandlungen ein, muss ich ihn dazu zwingen meine Überzeugungen anzunehmen oder zumindest meine Vorstellungen auszuführen. Aber wenn ich einen Gegner schon beherrsche warum sollte ich dann noch psychische Gewalt auf ihn ausüben? Das erklärt die Reihenfolge der Gewalten, die angewandt werden.
Macht, die Handlungen anderer hervorruft, erfolgt nicht nur durch Drohung, da Autorität und Charisma ebenfalls entscheidende Faktoren sind. Dabei ist es interessant festzustellen, dass die Anerkennung einer Autorität und ihrer Verordnungen in der internationalen Politik zu einem großen Teil auf Freiwilligkeit beruht. Schließlich sind die Vereinten Nationen nicht dazu in der Lage, einen Staat wie die USA, zur Annahme eines internationalen Beschlusses zu zwingen. Wenn ein einzelnes Individuum der Gesellschaft die Beschlüsse seiner Autoritäten, wie beispielsweise eines Gerichtes ignoriert, kann es durch die Exekutive, also der Polizei in diesem Falle, zur Einhaltung dieser Beschlüsse gezwungen werden. Es erfolgen also Zwangsmaßnahmen.
Man kann also sagen, dass alles was mit Politik einhergeht, ob kommunal, national oder international, in jeder Weise Machtpolitik ist. Aber der Versuch eines einzelnen Menschen oder der einer Organisation Macht über andere zu erlangen ist nicht nur auf die Politik beschränkt. Dieses Streben vollzieht sich auch auf der Ebene privaten und familiären Lebens, wenn der Familienvater die Mitglieder seiner Familie restlos kontrollieren will oder der Freund im Kreis seiner anderen Freunde um die höchste Beliebtheit kämpft.
Letzten Endes kann also gesagt werden, dass alle Bereiche menschlichen Zusammenlebens von einem ständigen Kampf um Macht entscheidend mitgeprägt werden. Und die Freiheit vieler Individuen darunter leidet. Dabei stellt sich die Frage, ob man eine solche Art der Gewalt immer verantworten kann?
Macht entsteht vor allem durch Einigkeit und Zusammenhalt, also durch Organisation. Adolf Hitler sicherte seine Macht durch ein äußerst charismatisches Auftreten, aber auch durch die Zusammenarbeit mit seinen Helfern. Aber der Machterhalt der nationalsozialistischen Regierung wurde nicht nur durch Kontrolle und Gewalt gesichert, sondern auch durch die Legitimation, die dem Regime seitens der Bevölkerung zugestanden wurde.
Kann die Macht durch die genannten Aspekte nicht gehalten werden, tritt an ihre Stelle die physische Gewalt, im schlimmsten Falle in Form eines Krieges.
Gewalt verfolgt immer bestimmte Ziele. Sie ist in manchen Fällen möglicherweise berechtigt, aber dadurch nicht unbedingt legitim. Ich nenne den Kosovo-Krieg der Nato hier als Beispiel.
Macht hingegen muss nicht gerechtfertigt werden, da ohne Macht und der ihr zugrunde liegenden Eigenschaften, ein menschliches Zusammenleben, so wie wir es kennen, nicht möglich wäre.
Macht und Gewalt sind, wenn beide nacheinander auftreten, untrennbar miteinander verbunden. Dass die Gewalt nach der Macht auftritt, ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass die Macht versagt hat. Krieg findet immer dort statt, wo die Politik versagt hat. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zum Beispiel, war nicht in der Lage, den Irak durch Drohungen und Sanktionen zum Rückzug aus Kuwait zu bewegen; und nun trat an die Stelle der psychischen Macht, also der Politik, die physische Macht in Form von Gewalt.
Zusammenfassend möchte ich noch einmal darstellen, wie sich die beiden Phänomene Macht und Gewalt erklären. Die Macht konstituiert sich aus Legitimation, Organisation und Effektivität. Sie kommt der Gewalt immer zuvor. Im Prinzip ist unser ganzes Denken und Handeln ein Kampf um Macht. Allerdings streben nicht alle Menschen nach Macht, sie bleiben meistens hinter denen, denen die Machtliebe zueigen, ist zurück. Der Machtkampf findet innen- und außenpolitisch statt, aber auch im Rahmen des privaten Lebens eines Individuums. Macht benötigt keine Rechtfertigung, sie rechtfertigt sich in der Geschichte der Menschheit. Gewalt findet dann statt, wenn die Mittel der Macht nicht mehr ausreichen, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Gewalt braucht eine Rechtfertigung, eine Legitimation hingegen ist nicht zwingend erforderlich. Gewalt teilt sich auf in eine psychische und eine physische Art und Weise. Die psychische ist politisch ambitioniert, die physische hingegen militärisch.
Macht und Gewalt sind also unterschiedliche Vorkommnisse in der menschlichen Gesellschaft, sie sind untrennbar miteinander verbunden und dadurch verankert auch die Einschränkung der Freiheit.
Abschließend möchte ich sagen. Jeder Mensch möchte gern Macht besitzen. Macht ist meist verbunden mit Ruhm und Ansehen. Machtverlust bedeutet zumeist den Untergang. Dies ist die allgemeingültige Meinung, die sicherlich meistens zutrifft. Wenn wir aber in der Geschichte 14 Jahre zurückdenken kann es auch das genaue Gegenteil bedeuten. War es nicht Gorbatschow, der durch seinen Machtverzicht uns die deutsche Einheit ermöglichte? Er gab freiwillig die Macht über die DDR aus seinen Händen. Heute jedoch genießt er Ansehen als einer der größten Politiker des 20. Jahrhunderts. Dies ist ein sehr passendes Beispiel an dem man sehen kann, dass es nicht nur der Macht bedarf, um in einer Gesellschaft angesehen und geschätzt zu werden. Vielmehr geht es darum, dass menschliche Miteinander für jeden Beteiligten möglichst positiv, zu gestalten. Hierfür ist meines Erachtens nach Macht nicht immer das geeignete Mittel, eher schon der Dialog. Ganz ohne Macht und Herrschaft wird eine Gesellschaft sicherlich nicht funktionieren, jedoch gibt es in unserem menschlichen Dasein viele weitere und wichtigere Aspekte.
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