Entstehungsgeschichte und Interpretation
Goethes erste Beschäftigung mit dem Stoff im Jahre 1776 und am 28.3.1779 beendet. Den Stoff für diese Tragödie entnahm Goethe von Euripides Werk, zunächst in Prosa behandelt, später in Versform umgewandelt. Nach einigen Jahren der Umgestaltung vollendet er dieses Wekr schließlich 1786 in Rom. Goethe näherte sich in bedeutsamer Weiser der Antike und schuf sogleich das vollendetste Beispiel antiker Dramatik in deutscher Sprache. Erst gegen Ende des Werkes greifen Vorgeschichte und aktives Handeln ineinander. Hatte Euripides den Rohstoff der Sage zum Drama geformt, so verlegte Goethe die Konflikte ganz ins Seelische. Mit der Bedeutung Iphigenies als Frau die unfähig zur Lüge sei und reine Priesterin, gestaltete er ein Humanitätsideal.
Hauptpersonen
Iphigenie
Thoas, König der Taurier
Orest
Pylades
Arkas, Hauptmann
Ort der Handlung: Ein Hain vor einem Diana Tempel in Tauris.
Handlung
Iphigenie, Agammemnons Tochter, kann sich nicht an das Leben in Tauris gewöhnen. Tagelang steht sie am Ufer des Meeres,\"das Land ocr Griechen mit der Seele suchend\". Zwar hat sie als Priesterin der Diana schon manches Gute in Tauris stiften können, vor allem den alten grausamen Brauch abgeschafft dass jeder Fremde am Altar der Diana geopfert wird. Doch nichts kann ihre Sehnsucht nach der Heimat und ihren Verwandten stillen. Standhaft weist sie auch die Werbung des Königs Thoas ab, der seine Familie verloren hat und sie gerne als Gattin hätte. Als Thoas (zu Beginn des Stückes) erneut um ihre Hand wirbt, enthüllt sie ihm
- als Zeichen ihres Vertrauens - zum ersten Mal ihre Herkunft: sie stammt aus dem fluchbeladenen Geschlecht des Tantalus, der im Übermut den Göttern trotzte und dessen Nachkommen in Bruder- und Kindermorden sich austobten. Sie selbst, Iphigenie, war auch schon fast zum Blutopfer in Aulis, bestimmt worden, als ihr Vater Agamemnon mit den Griechen gegen Troja zog, sollte sie geopfert werden, um günstigen Wind für die Fahrt zu erlangen. Doch die Göttin Diana nahm sich ihrer an und versetzte sie, in eine Wolke gehüllt, nach Tauris. Thoas hindert dies alles nicht, auf seiner Werbung zu bestehen, ja er sucht sogar einen Zwang auf Iphigenie auszuüben, indem er die alte Menschenopferung wieder eingeführt wissen will, wenn sie seiner Werbung nicht Gehör schenkt. Zwei Fremde sind in Tauris gelandet. Diese sollen den Göttern als Opfer dargebracht werden. Iphigenie, entsetzt darüber, wird bald in einen noch größeren Konflikt gezogen. Die Fremden sind nicht nur Griechen, Landsleute von ihr, es sind:
ihr jüngster Bruder Orestes und sein Freund Pylades, die einem göttlichen Befehl folgend nach Tauris gekommen sind. Orestes, schwer beladen mit dem Fluch des Muttermörders - er tötete seine Mutter Klytaimnestra, nachdem diese Agamemnon bei seiner Heimkehr aus Troja mit Hilfe ihres Liebhabers Aigisthos umgebracht hatte -, ist von Apollo geweissagt worden, dass der Fluch, der auf ihm lastet, sich lösen würde, wenn er ,,die Schwester, die an Tauris Ufer im Heiligtume wider Willen\" lebt, nach Griechenland zurückbrächte. Orestes und Pylades legen es so aus, daß mit der ,,Schwester\" das Götterbild der Diana, Apollos Schwester, gemeint sei, und streben danach, dieses dem Tempel zu rauben. Es kommt nach anfänglicher Verstellung der Jünglinge zur erschütternden Erkennungsszene zwischen den Geschwistern, wobei Iphigenie zum ersten Mal von Trojas Fall und dem furchtbaren Heimkehrerschicksal ihres Vaters Agamemnon Nachricht erhält. Orestes, der an eine für ihn günstige Wendung der Dinge nicht mehr glauben kann und will, verfällt erneut den Schreckensbildern der ihn verfolgenden Rachegöttinnen. Der mitfühlenden schwesterlichen Liebe Iphigenies und ihrer entsühnenden priesterlichen Kraft gelingt es jedoch, ihn von der Gewissensqual zu erlösen und den Wahnsinn von ihm zu nehmen. Und schon bereiten die drei die gemeinsame Flucht vor. Das Götterbild soll mitgenommen und Thoas getäuscht werden. Nun aber offenbart sich die ganze Seelengröße Iphigeniens. In letzter innerer Auseinandersetzung mit dem wilden Titanismus ihres Geschlechtes der alten Feindschaft zwischen Göttern und Menschen, deren gewaltiger Ausdruck der \"Gesang der Parzen\" ist, ringt sie sich ganz zu der neuen Religion entsühnender Liebe und wahrer Menschlichkeit durch. Selbst auf die Gefahr hin, den Bruder, Pylades und sich selbst dem Untergang preiszugeben, vermag sie es nicht, den König Thoas, der ihr zu einem zweiten Vater geworden ist, zu betrügen . Sie gesteht dem König die beabsichtigte Flucht und gibt sich bedingungslos seiner Großmut anheim. Und sie hat sich nicht getäuscht. Nach anfänglichem Zögern verzeiht Thoas. Dianas Bild bleibt in Tauris, da der Götterspruch, ja nun eine andere sinngemäße Auslegung möglich macht. Von Iphigenies Anruf edelster menschlicher Gesinnung überwältigt, lässt Thoas sie mit ihrem Bruder und dessen Freund freiwillig ziehen.
Sagenumfeld
Da Agammemnon, der Heerführer der Griechen gegen Troja und König von Argos, auf der Jagd eine Hirschkuh getötet hatte, die der Artemis (Göttin der Jagd) heilig war, sandte die Göttin, der in Aulis versammelten griechischen Flotte, eine Windstille. Auf Rat des Sehers Kalchas wollte Agammemnon seine Tochter Iphigenie opfern um die Göttin zu versöhnen. Doch Artemis ließ Iphigenie in eine Wolke gehüllt vom Opferaltar verschwinden und brachte sie nach Tauris, wo sie in ihrem Tempel zur Hohepriesterin wurde.
Orestes der jüngste Sohn des Agamemmnon, war in Phokis aufgewachsen, zusammen mit Pylades, seinem Cousin. Als junge Männer zogen sie nach Argos, wo Orestes den Tod seines Vaters rächte indem er seine Mutter und ihren Liebhaber tötete. Von diesem Tag an verfolgten ihn die Erinnyen (Rachegöttinnen) unerbittlich, bis er in Delphi eine Zuflucht fand und der Gott Apollon riet ihm, sich von seinem Verbrechen durch eine kühne Tat zu reinigen. Er sollte in Tauris ein Bild der Artemis entwenden und es nach Attika bringen. Orestes tat, wie ihm befohlen; als er aber nach Tauris kam ließ ihn Thoas, der König des Landes, gefangen nehmen und wollte ihn der Arthemis opfern.
Im Kerker erkannte Iphigenie ihren Bruder und sie flohen gemeinsam mit dem Bild nach Attika.
Auch in Goethes Stück sind Unterschiede zu bemerken, im Gegensatz zur klassischen Sage. Doch wahrscheinlich sehr bewusst, um eine gewisse Geschichte und Dramatik zu konstruieren.
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