Häufig werden die Begriffe "wahr" und "Wahrheit", ganz besonders in der Philosophie, verwendet. Doch was ist Wahrheit? Die Frage stellte schon Pilatus, als Jesus ihm sagte: "Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit zeuge."
Jesus glaubt also zu wissen, was die Wahrheit ist. Mehr noch, wo er sich doch selbst für die Wahrheit hält: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." Der ungläubige Skeptiker Pilatus dagegen fragt spöttisch zurück, was Wahrheit überhaupt sei und scheint an der Antwort nicht einmal interessiert zu sein.
Ein moderner Skeptiker, Spengler, hat folgende Antwort vorgeschlagen:
"Was ist Wahrheit? Für die Menge das, was man ständig liest und hört. Mag ein armer Tropf irgendwo sitzen und Gründe sammeln um die Wahrheit festzustellen - es bleibt seine Wahrheit. Die andre, die öffentliche des Augenblicks, auf die es in der Tatsachenwelt der Wirkungen und Erfolge allein ankommt, ist heute ein Produkt der Presse. Was sie will, ist wahr. Ihre Befehlshaber erzeugen, verwandeln, vertauschen Wahrheiten. Drei Wochen Pressearbeit und alle Welt hat die Wahrheit erkannt [...]"
Die Wahrheit ist also "heute ein Produkt der Presse". Offensichtlich versteht Spengler unter Wahrheit hier soviel wie ein "Fürwahrhalten". Dann ist seine Behauptung eine Vermutung darüber, wann die Menge etwas für wahr hält. Ob diese Hypothese richtig ist oder nicht ist für uns im Grunde völlig irrelevant. Denn wir wollen etwas anderes wissen, nämlich nicht, wann wir eine Meinung für wahr halten, sondern was die Wahrheit, d.h. die objektive Wahrheit ist.
Dazu muss man verschiedene Aussagen differenziert betrachten.
Wenn wir sagen, dies sei ein wahrer Freund, so meinen wir nicht dasselbe, wie wenn wir sagen, eine Aussage sei wahr. Im einen Fall meinen wir, dies sei ein echter Freund. Im anderen Falle aber, wenn wir z.B. annehmen, dass eine Zeugenaussage vor Gericht wahr sei, so meinen wir etwas anderes, nämlich dass sie mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Im einen Fall besteht also Wahrheit in einer Eigenschaft einer Person oder Sache, im anderen Falle aber in einer Beziehung zwischen einer Aussage und der Wirklichkeit. Die eine Wahrheit nennt man auch Seinswahrheit, die andere Aussagewahrheit. Wenn wir es genauer betrachten, ist im zweiten Falle allerdings nicht eine Aussage wahr, sondern der Inhalt der Aussage. Denn die bloße physikalische Ausdrucksgestalt einer Aussage kann der Wirklichkeit nicht entsprechen. Erst der Inhalt der Ausdrucksgestalt ist wahr. Diesen Inhalt nennt man auch Proposition. Für eine Proposition verwendet man als Variable ein großes P, Q, R usw., für eine Aussage ein kleines p, q, r usw.
Im folgenden beschränke ich mich auf die Wahrheit von Propositionen.
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