Das Gedicht \"Hiroshima\" von Marie Luise Kaschnitz behandelt die Folgen des Atombomben Abwurfs auf Hiroshima am 6. August 1945, wobei nicht die Stadt selber, sondern der Bomberpilot im Mittelpunkt steht, der die Atombombe abwarf. Es war der erste Einsatz einer Atombombe, durch die etwa zwischen
70 000 und 200 000 Menschen umkamen.
Das Gedicht ist ein Prosagedicht, besitzt also keinen Reim und hat auch ansonsten keine geschlossene Form. Es ist in zwei Teile untergliedert, die sich in Aufbau, Form und Inhalt deutlich unterscheiden. Dieser Kontrast, den die Verfasserin in ihrem Gedicht verwendet, wird als künstlerisches Mittel eingesetzt. Der erste Teil besteht aus acht, der zweite aus fünfzehn Zeilen, getrennt durch eine Leerzeile, auch Zäsur genannt. Der erste Teil ist geprägt durch die zweimalige Wiederholung der Eingangszeile "Der den Tod auf Hiroshima warf...". Inhaltlich behandelt sie die Vermutungen über den Seelenzustand des Piloten. Es wird beschrieben, dass er ins Kloster ging und dort die Glocken läutete, sich selbst aufhing sowie wahnsinnig wurde und nachts von Gespenstern geplagt war. Die letzte Vermutung erhält die meiste Beachtung, da sie gegenüber den ersten Beiden Zeilen mehr einnimmt.
Im ersten Teil wird jedoch noch nicht deutlich, dass die Vermutungen nicht stimmen.
Der zweite Teil hingegen wirkt wie eine Antithese zum Ersten. Er beginnt mit der Aussage: ,,Nichts von alledem ist wahr.\". Vom lyrischen Ich erfährt man, dass es den Piloten vor einiger Zeit vor seinem Haus in einem Vorort gesehen hat. Der Garten des Hauses besitzt einige junge Hecken und Rosenbüsche, die aber noch nicht groß genug sind, um sich hinter ihnen verstecken zu können. "Gut zu sehen war das nackte Vorstadthaus"(Z.14,15) und "Sehr gut erkennbar war er selbst"(Z.20). Die Zeilen 13,14 bestätigén diese Aussage: "Das wächst nicht so schnell, dass sich einer verbergen könnte im Wald des Vergessens.\". "Wald des Vergessens" stellt eine Metapher dar, die verdeutlichen soll, dass der Pilot sich nicht vor der Außenwelt verbergen kann und das in absehbarer Zeit der Abwurf der Atombombe nicht vergessen wird. Außerdem wird deutlich, dass der Todespilot nach einer Möglichkeit sucht um das Erlebte bewältigen zu können, indem er Vergessen möchte.
Dennoch wird er als glücklicher Familienvater mit einer jungen Frau und zwei Kindern beschrieben, die miteinander im Garten spielen. Doch die scheinbare Idylle wird in den Zeilen 18,19 bereits in Zweifel gezogen "Der Knabe der auf seinem Rücken saß und über seinem Kopf die Peitsche schwang\". Die Peitsche ist an dieser Stelle zwar nur ein Spielzeug des Jungen, doch sie stellt eine Bedrohung dar, da sie ansich ein Mittel der gewaltsamen Züchtigung ist.
Weiterhin erfährt man, dass sich ein Photograph hinter der Hecke befindet. Dieser steht aufgrund des Ausspruches "das Auge der Welt" als Symbol für die Menschheit bzw. Öffentlichkeit. Aufgrund dessen, dass der Pilot beobachtet wird ist sein Lachen nicht fröhlich und unbeschwert, sondern sein Gesicht ist "verzerrt von Lachen". Trotz seiner erzwungenen Heiterkeit scheint das Bild von einer glücklichen Familie getäuscht zu sein. Diese Stimmung wird durch die Wörter ,,verbergen\" und ,,verzerrt\" erzeugt, von welchen für mich eine gewisse Negativität ausgeht. Diese beiden Textstellen werfen in meinen Augen ein getrübtes Licht auf die ansonsten, durch das heile Familienleben dargestellte, freundliche Strophe.
Marie Luise Kaschnitz hat das Anliegen, die Leser zum Nachdenken über diesen Sachverhalt an zu regen und zu verhindern, dass dieses schrechreckliche Ereignis in Vergessenheit gerät um eine Wiederholung eines Unglücks in diesem Ausmaß zu vermeiden. Dies kann ich aus diesem Gedicht für mich entnehmen. Letztendlich bleibt jedoch dem Leser selbst über lassen wie er die Situation im Garten deutet.
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