Der von Dürrenmatt zur Übergabe des Schillerpreises 1959 in Mannheim gegebene Kommentar zur Aufgabenverteilung des Einzelnen und des Staates, wird in dem Text \"Die Verantwortung der Physiker\", von Oskar Keller, in den Interpretationen zum Deutschunterricht \"Die Physiker\", 1970 in München erschienen, folgend präsentiert.
In der Aussage von Dürrenmatt, wird die Frage aufgeworfen, wann man seine Bedürfnisse und Ansichten dem Staat unterordnet und wann man ihm widersprechen muss. Das eigentliche Problem, welches er in dieser Frage sieht, ist die Tatsache, dass der Einzelne in der heutigen Welt nicht mehr die Macht und Möglichkeiten besitzt, seinen Willen gegen die Allgemeinheit durchzu- setzen. In der Realität sieht er nur noch das Resignieren. Dieses stellt sich in Form einer handlungsunfähigen Ohnmacht dar, das Gefühl übergangen worden zu sein.
(Den einzigen Ausweg aus diesen Umstand sieht er in der Tatsache, dass jeder einzelne in der Menge untergeht und somit die Möglichkeit besitzt, entschlossen und tapfer das Seine zu tun, um die schlimmst mögliche Wendung abzuwehren.)
Dieses Problem auf den Physiker Möbius übertragen, ergibt eine sinnvolle Theorie. Ihm musste klar geworden sein, dass der Staat als Kontrollorgan über seine Theorien nicht in der Lage sein würde, sie vor einem Missbrauch zu schützen. Ferner ist er wahrscheinlich davon überzeugt, dass gerade der Staat sich dieses als Waffe zu Nutzen macht. Da er das folgende Elend, welches auf seiner Erfindung ruht, mit seinem Gewissen wahrscheinlich nicht vereinbaren kann, ist die einzig logische Schlussfolgerung, dass er die Theorien unter seiner eigenen Aufsicht, ohne den möglichen Zugriff einer weiteren Person, entwickelt, um dann zu entscheiden, wofür diese benutzt werden. Falls dabei ein zu grosses Risiko eintreten würde, so hätte er die Möglichkeit seine Entdeckung zu verschweigen und ein eventuell entstehendes Leid zu verhindern. Doch der einzig mögliche Weg um solch eine Bedingung zu gewährleisten, ist unterzutauchen. Dies Problem hat er dadurch gelöst, daß er vorgibt, verrückt zu sein. Dadurch hofft er wahrscheinlich, dass seine bisherigen Arbeiten als eine Spinnerei eines irren Menschen nicht ernst genommen werden.
In der Irrenanstalt, versucht er jede gefühlsbetonte Beziehung zu unterbinden, was ihm die benötigte Anonymität gewährleistet, um nicht erpressbar zu sein.
Der Einfall von Möbius sich in eine Irrenanstalt zu begeben scheint im ersten Moment der einzig richtige zu sein. Wie wir anhand des Buches \"Die Physiker\" von Dürrenmatt sehen, kann dieses auch durch Zufälle vereitelt werden. Ebenso ist eine genaue Planung, wie z.B. das Verwischen von Spuren notwendig. Möbius hat verpasst, seine Dissertationen zu vernichten und für niemanden zugänglich zu machen. Bei diesen Versuch wäre er vielleicht auf einen der beiden anderen Physiker Alec Jasper Kilton oder Joseph Eisler gestossen. Bei dieser Gelegenheit hätte er durch eine falsche These die Hoffnungen der beiden vernichten können und wäre somit für keinen der später beteiligten Parteien interessant geworden. In dieser Ruhe lebend, jederzeit bereit für die Geheimhaltung seiner Thesen einzustehen, hätte er ein glückliches Leben im Kreise seiner Familie führen können. Dadurch wären Mittel wie der Mord an der Oberschwester überflüssig gewesen.
Aber auch der von mir angegebene Weg der Vertuschung kann nicht für sich in Anspruch nehmen, vom Zufall unabhängig zu sein. Dadurch stellt sich die allgemeine Frage, ob eine einzelne Person dazu überhaupt in der Lage ist? Das kann man am oben genannten Beispielen verneinen. Dennoch vertrete ich die Meinung, dass Möbius, wenn er auch seinen Plan etwas lückenhaft durchführte, er doch den richtigen Weg gegangen ist. An diesem Beispiel gesehen, hätte jeder Staat mit Sicherheit seine Theorien dazu benutzt, um primär Vorteile vor anderen zu haben und nicht wie von Möbius beabsichtigt, das Leid der Bevölkerung zu lindern.
Das ist im Grunde genommen legitim, denn der Staat hat auch die Aufgabe für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen, was er in diesem Fall durch die Vormachtstellung gesichert hätte. Doch die Möglichkeit eines Missbrauches z.B. durch einen machtbesessenen Kleinstaat ist ein zu hohes Risiko um dieses einzugehen.
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