Die Erzählung der Marquise von O... beginnt mit folgenden Sätzen: "In M..., einer bedeutenden Stadt im oberen Italien, liess die verwitwete Marquise von O..., eine Dame von vortrefflichem Ruf, und Mutter von mehreren wohlerzogenen Kindern, durch die Zeitungen bekannt machen: dass sie, ohne ihr Wissen in andre Umstände gekommen sei, dass der Vater zu dem Kinde, das sie gebären würde, sich melden solle; und dass sie, aus Familienrücksichten, entschlossen wäre, ihn zu heiraten. Die Dame, die einen so sonderbaren, den Spott der Welt reizenden Schritt, beim Drang unabänderlicher Umstände, mit solcher Sicherheit tat, war die Tochter des Herrn von G..., Kommandanten der Zitadelle bei M... Sie hatte, vor ungefähr drei Jahren, ihren Gemahl, den Marquis von O..., dem sie auf das innigste und zärtlichste zugetan war, auf einer Reise verloren, die er, in Geschäften der Familie, nach Paris gemacht hatte."
Die Marquise von O... veröffentlicht also in einer Zeitung ein Inserat, das besagt, sie suche den Vater ihres noch ungeborenen Kindes. Zu diesem Schritt bewegt sie die Rücksicht zur Familie, obwohl sie damit den Spott der Welt auf sich zieht. Einen Vorgeschmack, was uns in der Geschichte erwartet, erhalten wir hiermit schon im ersten Satz.
Es verbergen sich aber noch mehr Informationen im Anfang dieser Erzählung, die bei näherem Hinsehen schnell ersichtlich werden. Ausser der Situation werden ein Grossteil der Hauptfiguren sowie der Ort der Handlung bekanntgegeben. Beides wird jedoch sofort wieder eingeschränkt durch die Einleitung des Autors "(...) deren Schauplatz vom Norden nach dem Süden verlegt worden" und durch die Verkürzung von Orts- und Familiennamen, die eine klare geographische Einordnung unmöglich macht. Durch diese Unsicherheiten ist bereits ein erstes Element entstanden, das den Leser aufmerksam werden lässt. Den grössten Teil der Spannung erzeugen jedoch die Widersprüche, die sich in den Aussagen des Erzählers verbergen. So sucht eine Frau durch die Zeitung den Vater ihres noch ungeborenen Kindes, um ihn heiraten zu können. Dies tut sie, wie sie selber schreibt, "aus Familienrücksichten" . Rücksicht für die Familie würde aber bedeuten, diese, in den Augen der Gesellschaft, schändliche Tat, versuchen zu verheimlichen, anstatt sie an die grosse Glocke zu hängen. Auch wie es dazu kommen konnte, dass eine verwitwete Frau von solch gutem Ruf, die darüber hinaus schon mehrere wohlerzogene Kinder hat, ungewollt schwanger wird ohne den Vater zu kennen, weckt die Neugierde des Lesers in hohem Maße. Die Geschichte setzt damit schon in einem Krisenpunkt ein, dessen Hintergründe noch nicht bekannt sind. Die Frage, wie es denn dazu kommen konnte und was nun daraufhin geschehen wird, lässt einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen, bis man die Antworten gefunden hat.
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