Die germanistische Zunft hadert immer noch mit Remarque. Es scheint ihr schwerzufallen, den, den weltbekannten und gern gelesenen Schriftsteller als ,seriös\' einzustufen. In Deutschland scheint er für viele Germanisten nach wie vor ein Trivialist zu sein, dem überdies der Vorwurf mangelnden Engagements während der Nazizeit nachgeht ebenso wie sein schlechter Ruf als Liebhabervon Luxus, schönen Frauen und schönem Leben, worüber sich schon einer seiner damaligen Nachbarn in Ronco, Robert Neumann, mokiert hatte. Später rehabilitierte er ihn.
Hierzulande teilt Remarque die Geringschätzung seines literarischen Werkes mit ,Knittel & Co., während die USA ihm und seinem Werk anhaltendes Interesse, Neugier, Respekt und Anerkennung entgegenbringen. Remarques Bücher jedoch, auch ohne plakative Vermarktung, verkaufen sich gut, und es ist anzunehmen, dass das Jahr 1998 (hundertjähriger Geburtstag), die Verkaufszahlen noch einmal erhöhen wird, vielleicht auch ein breiteres und ernsthafteres Forschungsinteresse wecken kann. Nach RemarquesTod galt es einen riesigen literarischen und beträchtlichen sachgegenständlichen Nachlass zu verwalten. Dieser ging 1977 zu einem Teil in amerikanischen Besitz über (New York University). Nach dem Tode von Frau Paulette Remarque-Goddard (1990) gelangte ein weiterer, sehr wesentliche Teil der Hinterlassenschaften aus dem Hause Remarque Goddard in die USA. Zweifelsfrei wurde dadurch den Amerikanern die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Remarque zu einem frühen Zeitpunkt möglich gemacht.
Erst in den 80er Jahren begann in Deutschland die wissenschaftliche Remarque-Forschung. Dazu trugen nicht unerheblich private Forscherbei, so der Osnabrücker Hanns-Gerd Rabe, der mit Remarque bereits seit den 20er Jahren bekannt war und begonnen hatte, Remarque-Materialien zu sammeln und zu systematisieren, die erder Remarque-Dokumentationsstelle der literaturwissenschaftlichen Abteilung an der Universität Osnabrück zur Verfügung stellte. Diese trug in weitverzweigter Forschungsarbeit eine Fülle weiterer Remarque-Materialien zusammen, so dass 1988 das Remarque-Archiv der Stadt Osnabrück entstehen konnte. Inzwischen ist dort das weltweit umfangreichste Material mit internationaler Reputation zu Leben und Werk des Autors versammelt.
Durch großzügige Unterstützung aus dem Ausland, u.a. aus den USA, ferner durch private Schenkungen verfügt das Archiv heute nicht nur über einen sehrreichhaltigen Buchbestand, sondern auch über handschriftliche Originale einzelner Werke, über Briefe, Filme und Fotos, überGemälde und über einige für die biographische Remarque-Forschung unersetzlich wichtige Konvolute, u.a. zu einem Teil der privaten und geschäftlichen Korrespondenz Remarques. Daneben organisiert das Archiv wechselnde Ausstellungen und dokumentiert in einer eigenen Schriftenreihe den Niederschlag seiner Arbeit. Besonders zu erwähnen ist die dem Archiv angeschlossene Forschungsstelle \"Krieg und Literatur\", die durch Symposien und regelmäßige Publikationen einen unschätzbar wichtigen Beitrag zum Thema \"Frieden\" leistet.
In einem Gespräch, ca. zehn Jahre vor seinem Tod, sagte Erich Maria Remarque zu den Motiven seines Schreibens: \"Ich bin kein politischer Mensch.lch will meine Leser weder überzeugen, noch überreden noch erziehen. Ich beschreibe, was mich bewegt, und weil ich mich als normalen Menschen betrachte, weiß ich, daß auch andere durch das bewegtwerden, was mich bewegt."
Diese Zurückgenommenheit und aufrichtige Bescheidenheit, die Selbstverständlichkeit, mit der Remarque nahm und gab, und die Wahrhaftigkeit, die sein literarisches Werk auszeichnet, machen ihn nicht zu einem großen Schriftsteller, gleichwohl zu einem, dessen Werk einen hohes gelebtes Ethos an die in das 21. Jahrhundert gehende Menschheit weitergibt: Humanität zum Gesetz des Handelns zu machen.
|