Unter Imperialismus versteht man das Streben eines Landes oder einer Führungs(schicht) nach größtmöglicher Macht über alle Länder, besonders der Weltherrschaft. Imperialismus ist ein modernes Fachwort, das erst seit den 1880er Jahren für die Kolonisation verwendet wird. Doch die Kolonisation ist keine typische Erscheinung für dieses Jahrhundert. Schon in den vorhergehenden Jahrhunderten war die Erschließung von Kolonien oberstes Ziel der Staatsoberhäupter.
Im Altertum waren Makedonien-Griechenland unter Alexander der Große und das Rom der Kaiserzeit die erfolgreichsten imperialistischen Mächte, denen die Beherrschung der damals bekannten Welt nahezu vollständig gelang. Mittelalterliche Vertreter des Imperialismus waren der Islam, die christliche Kirche und einzelne weltliche Herrscher. Mit dem Aufkommen der Nationalstaaten und der Erweiterung der geographischen Kenntnisse entstanden nationalstaatlich-koloniale Imperien: der spanische, portugiesische, niederländische, französische, englische, russische und US-amerikanische Imperialismus.
Gründe:
Die Träger des Kolonialismus waren Missionare, Kaufleute, Siedler, Soldaten, Forscher, Journalisten, Bankiers und Industrielle. Sie repräsentierten auch die verschiedenen Motive:
- Religiöse Motive:
Sehr unterschiedlich war das Wirken der christlichen Missionare. Einerseits betrieben die Orden Kranken- sowie Waisenhäuser und Schulen, andererseits waren sie überzeugt, "Barbaren" eine höhere Kultur zu vermitteln. Vor allem die Bekleidung oder vielmehr die Nichtbekleidung erregte Anstoß, sodaß das Tragen europäischer Bekleidung als Zeichen höherer Zivilisation verstanden wurde.
- Wissenschaftliche Motive
- Humanitäre Motive
- Wirtschaftliche Motive:
Stets war jedoch grundlegend für den Imperialismus ein wirtschaftliches Interesse: im Altertum vornehmlich Tributpflicht, der Zugang zu wichtigen Rohstoffen und der Sklavenhandel, in der Neuzeit vornehmlich die Schaffung neuer Absatzmärkte und die Gewinnung neuer Möglichkeiten der Kapitalanlage. Durch die Möglichkeit der billigen Produktion durch billige Arbeitskräfte, konnten verschiedenste Waren zu besonders niedrigen Preisen in das Mutterland eingeführt werden. Ein weiterer Vorteil war der Wegfall des Zwischenhandels. Das führte zu einer völligen Abhängigkeit des Mutterlandes, was nach der Lossagung der Kolonien für viele Länder zu einem großen Problem wurde.
- Persönliche Motive:
Ein wichtiger Grund für den Imperialismus war ohne Zweifel der Machtgedanke, nämlich zu zeigen, daß man mehr besitzt als alle anderen und viel mehr Macht hat. Nach dem Motto :"Was andere können, kann ich schon lange".
Ziele der Kolonialstaaten:
Für Großbritannien bezeichnete der Imperialismus ein bestimmtes Programm zur inneren Festigung des sich lockernden britischen Weltreichs (Empire). In Deutschland bedeutete er das Streben nach Erweiterung des Bismarckschen Nationalstaats zur "Weltmacht", in Italien ein Streben nach Wiederherstellung der altrömischen Mittelmeerherrschaft. Im Unterschied davon hat sich in der Gegenwart durch die sowjetische Herrschaft besonders im Ostblock einen neue Form des Imperialismus ausgebildet, die unter dem Schlagwort von der Befreiung des Proletariats aus kapitalistischer Versklavung steht. demgegenüber steht die von den USA und ihren Verbündeten vertretene Losung der Befreiung der Völker aus der Knechtschaft der Diktaturen, die ihrerseits sehr häufig nur wieder ein Vorwand ist, den wirtschaftlichen Einfluß der USA und Westeuropas in fremden Ländern zu sichern.
Die Aufteilung der Erde:
Die Hauptschauplätze des Imperialismus waren Afrika, Asien und die pazifische Inselwelt. Die größte Kolonialmacht war Großbritannien. Das britische Weltreich bestand aus vielen Gebieten, die über die ganze Erde verstreut lagen. Es umfaßte um 1900 ein Viertel der Landfläche der Erde und ein Viertel der Menschheit. Es war das größte Reich der bisherigen Menschheitsgeschichte, viereinhalbmal so groß wie das Römische reich im Altertum.
Die Aufteilung Afrikas:
Der große Erdteil Afrika fiel zwischen 1870 und 1914 fast zur Gänze den imperialistischen Mächten zum Opfer. An seinem Beispiel kann man den Wettkampf der Kolonien gut verfolgen.
England versuchte eine ununterbrochene Landbrücke durch den Kontinent von Süden nach Norden zu schaffen. Das Motto war: "Britisch vom Kap bis Kairo." Doch England mußte diese Idee aufgeben und dem Deutschen Reich die Kolonie Deutsch-Ostafrika zugestehen. So beanspruchte England folgende Gebiete: Ägypten, Anglo-Ägyptisch Sudan, Nigeria, Uganda, Kenia, Rhodesien, Sierra Leone, Gambia, die Goldküste und die Südafrikanische Union
Frankreich besetzte fast ganz Nordafrika. Das Ziel war ein zusammenhängender Landgürtel vom Atlantik (Dakar im Westen) bis zum Toten Meer und Dschibuti am Golf von Aden im Osten. Doch diese Idee mußten sie 1898 aufgeben. Britische und französische Truppen marschierten im Sudan auf Faschoda zu, die "Faschoda-Krise" endete mit dem Verzicht Frankreichs auf den Sudan. Das französische Gebiet erstreckte sich über Franz.-Westafrika, Madagaskar, Franz.-Äquatorial-Afrika, Franz.-Aden und Franz.-Guyana.
Das Deutsche Reich war von der Idee eines deutschen Indiens vom Golf von Aden bis zum Sambesi (Fluß) geprägt. Doch England verhinderte es mit seinen Kolonien Uganda, Kenia und Rhodesien.
Die Expansion Cecil Rhodes ließ auch die portugiesische Idee von der Verbindung Angolas und Moçambique scheitern
Die Pläne Italiens eines ostafrikanischen Großreiches wurden 1896 von äthiopischen Truppen des Negus Menelik II. in der Schlacht von Adua begraben (Äthiopien blieb selbständiges Gebiet).
Mittlerweile traten in den Wettkampf um die Erwerbung von Kolonien in Afrika immer mehr europäische Staaten ein. Um 1914 gab es nur noch zwei selbständige Gebiete in Afrika: den 1848 gegründeten Negerfreistaat Liberia und das alte Kaiserreich Abessinien (= Äthiopien).
Aufteilung der pazifischen Inseln:
Die Inseln im Pazifik waren zur Zeit der Segelschiffe wichtige Stationen, um die Nahrungs- und Wasservorräte aufzufüllen. Als Kohlestationen wurden sie wieder interessant. Mit dem auftreten deutscher Kaufleute wurde auch diese Region verteilt. Frankreich besetzte 1853 Neukaledonien. 1885 einigten sich Großbritannien und das Deutsche Reich darauf, die Osthälfte Neuguineas zu teilen. Das Deutsche Reich erhielt auf die Inseln nördlich Neuguineas, den Bismarck-Archipel und das Kaiser-Wilhelm-Land.
Im Krieg gegen Spanien annektierten die USA 1898 Kuba, Puerto Rico, die Philippinen und Hawaii. Spanien verkaufte 1899 die Insel Palau, die Marianen und die Karolinen an das Deutsche Reich.
Forscher in fremden Erdteilen:
Zur gleichen Zeit, als die europäischen Großmächte neue Kolonien erwarben, drangen wagemutige Forschungsreisende in entlegene Gebiete fremder Erdteile ein, in die Europäer noch nie zuvor gekommen waren.
Der "dunkle Erdteil" Afrika war das Ziel der meisten Expeditionen. Briten, Deutsche und Franzosen stießen auf Eingeborenenpfaden und Flüssen in das Innere des Kontinents vor. Der schottische Missionar Livingstone war der erste, der Südafrika durchquerte. Seine folgenden Forschungsreisen unterstützte die britische Regierung.
Auch Asien mit seinen weiten Steppengebieten, Wüsten, Hochgebirgen und Dschungeln zog viele Entdeckungsreisende an.
Besonders große Gefahren und Strapazen brachten die Fahrten in die gänzlich unbekannten Polargebiete mit sich. Eine österreichische Nordpolexpedition stieß unter Payer und Weyprecht in die Arktis vor und entdeckte das Franz-Joseph-Land.
Die Sonderstellung Rußlands:
Rußland führte eine besondere Form des Imperialismus. Während die europäischen Nationalstaaten um jede Insel und Kolonie kämpften, breitete sich das russische Gebiet klammheimlich nach Osten aus. Rußland schien unaufhörlich zu wachsen, bis es schließlich ein Gebiet bis zum pazifischen Ozean umfaßte. Zar Peter I. gewann Gebiete an der Ostsee und erreichte damit sein Ziel, einen Zugang zu einem Weltmeer zu besitzen. Später dehnte Katharina II., eine Zeitgenössin Maria Theresias, die russische Herrschaft auf das Gebiet nördlich des Schwarzen Meers aus.
Im Verlauf zweier Jahrhunderte hatte Rußland Nordasien fast ganz in seinen Besitz gebracht. Nun zeigte es durch mächtige Bahnbauten die Fortsetzung seiner imperialistischen Politik an. Die transkaukasische Bahn führte nach Armenien und in den Vorderen Orient. Die gewaltige transsibirische Linien eröffnete Nordasien der Besiedlung und stellte die Verbindung mit dem Pazifischen Ozean her. Hier gewann Rußland mit Wladiwostok einen eisfreien Hafen.
Die Herrschaft über die Kolonien:
Die Rohstoffe der Kolonien wurden mit modernen technischen Mitteln erschlossen. Daher wurden in den Kolonien Häfen, Eisenbahnlinien, Straßen, Bergwerke und Plantagen angelegt. Das Kapital dafür gaben die europäischen oder amerikanischen Geldgeber, weil sie sich davon hohe Gewinne versprachen.
Im Handelsaustausch gegen Nahrungsmittel, Kautschuk, Baumwolle, Kupfer, Blei und Erdöl kamen Industrieerzeugnisse - Maschinen, Hafen- und Eisenbahnanlagen, Fertigwaren, Medikamente - in die Kolonialgebiete.
Die heimische Bevölkerung wurde zur Abriet für die Kolonialmächte herangezogen. Auf ihr Schicksal nahm man dabei meist keine Rücksicht. Zum Landraub und zur schonungslosen Ausbeutung ihrer Arbeitskraft gesellten sich Hunger und Rechtlosigkeit, in der die Kolonialvölker gehalten wurden. Jede geringste Auflehnung wurde gewaltsam niedergeworfen und grausam bestraft.
Auswirkungen:
Der Kolonialismus zerstörte innerhalb weniger Jahre alte, jahrtausendlang entwickelte Kulturen; nicht nur in der Absicht, Kolonien auszubeuten und Menschen und Ressourcen in den Dienst des Mutterlandes zu stellen. Die Kolonialvölker sollten die religiösen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anschauungen der Kolonialmächte übernehmen, sie sollten "europäisiert" werden. Der Glaube an die Überlegenheit der westlichen Zivilisation führte zum Unverständnis der Eigenständigkeit der sozioökonomischen Systeme der "Eingeborenen" (Gerade diese Sammelbezeichnung für die Bevölkerung der Kolonien ist Ausdruck der Ignoranz gegenüber den Eigenarten all dieser Gesellschaften und ihrer Kulturformen). Unterdrückung wurde mit einem Teilhabenlassen an einer höheren, europäisch-westlichen Zivilisation gerechtfertigt. Kolonisation meinte nicht Ausbeutung, sondern Entwicklung.
Beziehungen zu den "Eingeborenen":
Die den Briten nachgesagte Toleranz gegenüber den "Eingeborenen" beruhte auf der strikten Segregation (= gesellschaftliche Abgrenzung) der Weißen, die die Bewohner der Kolonien unbehelligt ließen, solange ihre wirtschaftlichen Interessen nicht berührt wurden und solange jene sich "zivilisiert" verhielten. Dazu gehörte die Einhaltung des Verbotes der Sklaverei ebenso wie friedliches Fügen und Befolgen der Anordnungen des "chief".
Ganz anders behandelte die Franzosen die Bewohner der Kolonien. Die Republik trachtete, die "Eingeborenen" zu "citoyens" zu machen. Dies bedeutete nicht, politische Verantwortung zu übertragen, sondern französische Lebensart zu übernehmen. Der Umgang der Franzosen mit den abgesetzten Fürsten war vom Gefühl zivilisatorischer Überlegenheit bestimmt, die nicht angebracht war. So konnten im 1896 brutal unterworfenen Königreich Madagaskar fast alle lesen, da bereits Ende des 18. Jahrhunderts die allgemeine Schulpflicht eingeführt worden war.
Etwas stärker eingebunden in die Verwaltung der Kolonien war die Bevölkerung in den portugiesischen Kolonien. Schon aufgrund der geringeren Bevölkerungszahl Portugals mußte ein Teil der Kolonialverwaltung zunächst aus der Bevölkerung der Kolonien stammen, die durch die Politik des "assimilado", der Anpassung, dazu ausgebildet wurde.
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