Zu dem relativ kleinen Sortiment an Fabeltieren und der geringstmöglichen Zahl an handelnden Tieren innerhalb einer Fabel kommt als weiteres Merkmal die typische Gestaltung der Fabeltiere hinzu. Dabei kann es sein, dass das der Ruf eines Tieres in der Meinung des Volkes bereits vorgeprägt war, bevor es als Vertreter einer bestimmten Eigenart oder Gesinnung in der Fabel Verwendung fand. Daneben ist aber auch denkbar, dass eine bestimmte Vorstellung von der Art eines Tieres erst durch die Fabel selbst geprägt worden ist, indem es im Laufe der Geschichte der Fabel stets durch die gleichen markanten Eigenschaften geprägt wurde.
So ist der Fuchs uns in seinem Verhalten deshalb so vertraut, weil er in jeder Fabel einen für ihn typischen Charakter hat und weil dieser von den Dichtern stets hervorgehoben wird. Nur dadurch, dass der Fuchs in jeder Fabel als der Schlaue erscheint, bleibt sein Bild erhalten. Entsprechendes gilt z. B. für den Esel, der das Törichte, Naive und Sture verkörpert und für das Lamm als Zeichen der Unschuld und Wehrlosigkeit.
Durch diese stets wiederkehrende typische Gestaltung der Fabeltiere gewinnt die Fabel ihren festen Bestand an Figuren.
Treffen in einer Fabel z. B. der gefräßige Wolf und der dumme Esel zusammen, dann weist diese Figurenkonstellation schon auf die Art der Handlung hin.
Die typischen Eigenschaften, die den Tieren in der Fabeldichtung zugeschrieben werden, findet man auch in Sprichwörtern und Redensarten wieder. z.b:
"Kein Wässerchen trüben" - Der Wolf und das Lamm
"Sich mit fremden Federn schmücken" - Die hochmütige Krähe und die Pfauen
"Sich den Löwenanteil sichern" - Der Löwe mit anderen Tieren auf der Jagd
"Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andren zu" - Der Fuchs und der Storch
"Undank ist der Welten Lohn" - Der Wolf und der Kranich
"die Höhle des Löwen" - Der alte Löwe und der Fuchs
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