13.1. Anklage
Um jemanden vor das Hexengericht zu stellen, genügte schon die Anklage zum Beispiel durch Kinder oder neidische Nachbarn, Konkurrenten usw.
Der Verteidiger wird von den Richtern ausgewählt bzw. es gibt keine Verteidigung. Anwälte, die zu sehr für die Verfolgten eintreten, werden selbst der Hexerei verdächtigt. Es werden nur Belastungszeugen zugelassen.
Auch in Arthur Millers Werk werden viele Menschen, ohne einen wirklichen Grund, unter Anklage gestellt. Ein Beispiel dafür ist die Anklage gegen Rebecca:
"Wie lautet die Anklage gegen Rebecca, Herr Nurse?"
"Mord, wundersamer und übernatürlicher Mord an den neugeborenen Kindern von Thomas und Ann Putnam. Was soll ich tun, Herr Hale?"
"Glauben Sie mir, wenn selbst Rebecca Nurse vom Teufel gewonnen wurde, dann kann nichts mehr verhindern, dass die gesamte lebendige Welt in Flammen aufgeht. Vertrauen Sie auf die Gerechtigkeit des Gerichts. Das Gericht wird sie nach Hause schicken. Das weiß ich"
13.2. Vorwürfe
Die Anklagepunkte beziehen sich nicht so sehr auf Beobachtungen des Handelns der Angeklagten, sondern wiederholen oft in sehr pauschaler Weise die herkömmlichen Vorwürfe des "Hexenhammer" gegen die "Hexen". Diese Vorwürfe verselbständigen sich zu einem festen Schema von Vorwürfen, die von Prozess zu Prozess weitergetragen werden.
13.3. Hexenproben
Ähnlich wie die Anklagen zielen auch diese "Experimente" weniger auf die gerichtlichen Wahrheitsfindung als auf die Ängste der Öffentlichkeit.
Nadelprobe
Nach Ansicht der Hexenrichter hinterließ der Umgang der Hexe mit ihren teuflischen Liebhabern Flecke auf der Haut, die blutleer und schmerzunempfindlich sein sollten. So als würde sich die Hexe unter dem Einfuß des Teufels in ein Wesen verwandeln, das nicht mehr fleischlich - menschlichen Charakter hat. Man sucht sich nun Warzen, Muttermale u.ä. auf der Haut der Angeklagten und sticht hinein. Nachweislich werden dazu von den Folterknechten auch einziehbare Messer benutzt, die eben wirklich keine blutenden Wunden hinterlassen.
Hexenwaage
Um fliegen zu können, mussten Hexen außergewöhnlich leicht sein. So wurde das Wiegen der Beschuldigen in Europa zu einer populären Nachweismethode. Das Prüfungsverfahren wurde jedoch von Ort zu Ort unterschiedlich gehandhabt. In einem Dorf wurde man mit der dicken Bibel aufgewogen. Schlug die Waage zu Gunsten des Angeklagten aus, dann war er unschuldig. Anderswo musste man sich mit einem festgelegten Gewicht genau im Gleichgewicht halten. In der holländischen Stadt Oudewater konnte man sich sicher sein, dass man freigesprochen wurde, da man gegen ein irdisches Mindestgewicht aufgewogen wurde.
Wasserprobe Man stellt sich auch vor, dass die Hexe immer leichter wird, weil sie dem Teufel ihr "Inneres", ihre Seele gegeben hat. Also braucht man sie nur ins Wasser zu werfen und sehen, ob sie untergeht.
13.4. Folter & Foltermethoden
Bleibt die Angeklagte trotz schwerer Folter standhaft, ist dies erst recht ein Zeichen für ihre Teufelsbündnerei, denn wer außer dem Teufel konnte sie schmerzunempfindlich machen? Auch der Widerruf der Aussage nach Folter wird als teuflisches Machwerk angesehen.
"Was hat deinen Sinneswandel bewirkt, in diesen beiden letzten Wochen? Du hast den Teufel gesehen, oder?" "Entweder du gestehst oder du wirst aufgehängt!" Mit diesen Worten möchte Richter Danforth Mary zu einem Geständnis überreden.
Die "peinliche Befragung" gehört in Europa bis in das 18. Jahrhundert zur üblichen Gerichtspraxis, nicht nur bei Hexenprozessen. Bei anderen Verfahren ist aber mehr Kontrolle durch Anwälte möglich.
. Personen, denen vorgeworfen wurde, dass sie die Sakramente entweiht hatten wurden mit einem Beil die Glieder abgeschlagen.
. Schraubstockartige Vorrichtungen mit scharfen Nadeln dienten dazu, den Opfern die Arm- oder Beinknochen beziehungsweise Gelenke zu zerbrechen.
. Bei dem mit Metallspitzen besetzten hölzernen Folterstuhl wurde der Sitz durch ein Feuer von unten erhitzt, sodass sie die heißen Metallspitzen in das nackte Fleisch hineinbohrte.
. Bei der Kopfpresse wurde die Metallkappe auf den Kopf des Opfers heruntergeschraubt. Der Druck konnte den Kiefer zersplittern, die Augäpfel aus den Augenhöhlen treten lassen und den Schädel zertrümmern.
. Auf dem Streckbett wurde das Opfer festgebunden und in die Länge gezogen.
13.5. Geständnis und Urteil
Das unter der Folter meist erzwungene Geständnis bestätigt die in der Anklage erhobenen Vorwürfe und damit das Hexenschema der Richter. Fast ausnahmslos werden die "Hexen" zum Tode durch Verbrennen verurteilt. Als Gnadenerweis wird manchen besonders gefügigen Opfern die Erdrosselung vor der Verbrennung zugestanden. Der Feuertod sollte ein inquisitorisches Brennen, die Strafen der Hölle und das reinigende Feuer des Purgatorium (Zwischenstufe für sündhafte Seelen) auf der Erde vorweg sein. Diese Vorstellung vom reinigenden Feuer lebt bis heute in Bücherverbrennungen und ähnlichem fort.
13.6. Denunziation von Mitschuldigen
Unter der Folter wurden die Angeklagten auch aufgefordert, andere Personen zu benennen, die mit ihnen zum Sabbat gezogen seien.
Tituba wird von Pastor Hale dazu gezwungen andere Dorfbewohner zu beschuldigen:
"Wer kam mit dem Teufel zu dir? Zwei? Drei? Vier? - Wie viele?"
"Waren vier. Da waren vier."
Oft sagen Richter und Folterknechte die Namen persönlicher Gegner vor.
Pastor Hale legt Tituba sogar die Worte in den Mund, die er von ihr hören will: "Wenn der Teufel zu dir kommt, ist da jemand bei ihm... eine andere Person? Vielleicht jemand aus der Stadt? Jemand, den du kennst?" "Sarah Good? Hast du Sarah Good bei ihm gesehen? Oder die Osburn?"
In jedem Falle werden diese Denunziationen besonders interpretiert, denn sonst hätte sich die Hexe z.B. durch Angabe der Richter selbst oder der hinter den jeweiligen Prozessen stehenden Kreise rächen können. Die durch die Richter gesteuerten Denunziationen führen zu immer stärkerer Ausweitung des Teufelskreises von Denunziation, Anklage, Folter und Verurteilung.
Der Richter hat auch in Arthur Millers Werk die Macht zu entscheiden, wer bestraft wird und wer nicht: "Dann wissen Sie auch, dass annähernd vierhundert Menschen im Gefängnis sind, und das aufgrund meiner Unterschrift?"
Oft kann die Prozeßwelle nur durch wachsenden heftigen Unmut der Bürger gebremst werden, die um den Zusammenbruch des Geschäftslebens und um das eigene Leben fürchten müssen.
"In Andover haben sie das Gericht aus der Stadt gejagt. Sie wollen nichts mehr mit Hexerei zu tun haben. Es gibt Leute hier, die sich diese Nachricht zunutze machen wollen, und ich sage es offen, ich fürchte, dass es auch hier zu einem Aufstand kommen wird." Die Massenhysterie und die Massenhängungen können nur dadurch beendet werden, dass sich wie in Andover alle Bürger zusammenschließen und das Gericht aus der Stadt "jagen".
Bezeichnenderweise sind die Hexenrichter oft umherwandernde Geistliche oder Juristen; sie können ihr Wirken nach Abflauen der Verfolgungswelle an anderen Orten fortsetzen.
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