Vorspiel: Ein Straße in der Hauptstadt von Sezuan
Der Wasserverkäufer Wang erzählt von der großen Armut in der Stadt. Nur mehr die Götter, so hört man, könnten in der ausweglosen Situation helfen. Wang erwartet sie schon seit drei Tagen. Nun treffen sie ein. Der Wasserverkäufer erkennt sie daran, dass sie wohlgenährt sind, Staub an den Schuhen haben, sonst aber keinerlei Anzeichen regelmäßiger Beschäftigung aufweisen. Er sucht für die Götter ein Nachtquartier, findet aber niemanden, der bereit wäre, die drei Reisenden aufzunehmen. Nur die Prostituierte Shen Te, die selbst erhebliche materielle Probleme hat, ist bereit, auf einen Freier zu verzichten, um den Göttern ein Nachtlager bieten zu können. Die Götter sehen nun in Shen Te jenen "guten Menschen\", nach dem sie suchen, d.h. den Menschen, der unabhängig von materiellen und sozialen Umständen selbstlos, freundlich und hilfsbereit ist. Als Dank für ihre Hilfsbereitschaft schenken die Götter Shen Te eine große Geldsumme, damit sie es etwas leichter hat, gut zu sein. Dann ziehen die Götter weiter.
1.Szene: Ein kleiner Tabakladen
Shen Te hat sich mit dem Geld der Götter einen Tabakladen gekauft und meint, sie könne durch ihren kleinen Besitz anderen Menschen Gutes tun. Tatsächlich finden sich sofort Hilfsbedürftige ein. Ihre ehemaligen Wirtsleute, die mittlerweile obdachlos sind, bitten um eine Unterkunft. Bald folgt dem Ehepaar die Großfamilie nach, um sich bei ShenTe einzunisten. Der Schreiner verlangt 100 Silberdollar für die Regale, die er für den Laden gebaut hat. Shen Te ahnt bereits, dass die Kapazitäten ihres kleinen Geschäfts nicht reichen, um allen zu helfen, die Hilfe brauchen. Bereits in der 1.Szene wird der fiktive Vetter Shui Ta erfunden. Shen Te braucht nämlich für den Abschluss des Kaufvertrags einen Bürgen. Da sie keinen hat, erfindet sie auf den Rat ihrer ehemaligen Wirtsleute hin einen Vetter, der diese Rolle übernehmen kann.
Zwischenspiel: Unter einer Brücke
Die abreisenden Götter setzen Wang davon in Kenntnis, dass sie in Shen Te einen Menschen gefunden hätten, der ihren Vorstellungen vom Gutsein entspricht. Sie machen sich nun auf die Suche nach weiteren guten Menschen.
2.Szene: Der Tabakladen
Die Situation im Tabakladen ist für Shen Te aufgrund der vielen Leute, die ihre Hilfe fordern, unerträglich geworden. Der Vetter Shui Ta muss erscheinen. Er wirft die Obdachlosen mit Polizeihilfe aus dem Laden und handelt die Rechnung des Schreiners mit fragwürdigen Mitteln von 100 auf 20 Silberdollar herunter. Nur der Forderung der Hausbesitzerin, die Miete für ein halbes Jahr im Voraus zu bezahlen, steht auch Shui Ta machtlos gegenüber. Ein Geldgeber muss gefunden werden. Für Shen Te wird per Inserat ein kapitalkräftiger Mann gesucht: "Welcher ordentliche Mann mit kleinem Kapital, Witwer nicht ausgeschlossen, wünscht Einheirat in aufblühendes Tabakgeschäft?\"
3.Szene: Abend im Stadtpark
Shen Te will sich mit einem reichen Witwer treffen, der auf das Inserat geantwortet hat. Sie begegnet im Stadtpark dem arbeitslosen Flieger Sun, der Selbstmord begehen will. Er findet keine passende Anstellung, weil er nicht die nötigen Mittel hat, um das Schmiergeld zu bezahlen.
Zwischenspiel: Wangs Nachtlager in einem Autowrack
Die Götter erscheinen Wang im Traum. Er berichtet ihnen, dass Shen te wegen ihrer Wohltaten "Engel der Vorstädte\" genannt wird. Von Shui Ta's Verhalten sind sie allerdings nicht begeistert. Wangs Einwand, der Vetter sei eben ein guter Geschäftsmann, begegnen sie verständnislos. Um Geschäfte ginge es doch nicht, sondern um den guten Menschen.
4.Szene: Platz vor Shen te's Tabakladen
Frau Yang, die Mutter des arbeitslosen Fliegers Sun, erzählt Shen te, dass ihr Sohn 500 Silberdollar für eine Schmiergeldzahlung braucht. So könnte er eine Stelle als Flieger bekommen. Shen te gibt ihr sogleich 200 Silberdollar, die sie sich soeben geliehen hat, um die eigene Miete bezahlen zu können. Die fehlenden 300 Silberdollar will sie von ihrem Vetter Shui Ta besorgen lassen.
Zwischenspiel: Vor dem Vorhang
Shen Te zieht die Kleider des Shui Ta an.
5.Szene: Der Tabakladen
Sun verbirgt vor Shui Ta nicht, dass Shen Te für ihn vor allem als Finanzquelle interessant ist. ShenTe/Shui Ta, die sich in Sun verliebt hat, ist bestürzt. Als nun der reiche Barbier Shu Fu um Shen Te wirbt, versichert ihm Shui Ta, dass sich seine Cousine mit ihm treffen werde. Shu Fu will die vielen Armen, um die sich Shen Te annimmt, in seinen Baracken hinter dem Viehhof unterbringen. Aber als der Vetter wieder in das Mädchen Shen Te verwandelt ist, erliegt sie erneut der Verführung des Fliegers Sun und folgt dem, den sie liebt, bedingungslos.
Zwischenspiel: Vor dem Vorhang
Shen Te ist auf dem Weg zur Hochzeit mit Yang Sun. Sie hofft, dass Sun ihr die 200 Dollar zurückgeben wird, denn der alte Mann, von dem sie das Geld geliehen hat, ist aus Sorge um seine möglicherweise verlorene Barschaft krank geworden.
6.Szene: Nebenzimmer eines billigen Restaurants in der Vorstadt
Die Hochzeitsgesellschaft hat sich versammelt. Nur Shui Ta fehlt noch. Shen Te kann Sun nicht dazu bewegen, ihr die 200 Silberdollar zurückzuzahlen. Im Gegenteil, er besteht darauf, auch noch die restlichen 300 zu bekommen, die ihm für die geforderte Schmiergeldsumme fehlen. Er will aus diesem Grund mit Shui Ta reden, denn der wird, so meint Sun, einsehen, dass es dumm wäre, auf die Stelle als Flieger zu verzichten. Aber Shui Ta kommt nicht, und die Trauung findet nicht statt.
Zwischenspiel: Wangs Nachtlager
Die Götter erscheinen Wang zum zweiten Mal im Traum. Der Wasserverkäufer gibt den Göttern zu bedenken, dass Shen Te möglicherweise zu gut ist für diese Welt. Aber die Götter weisen Wangs Einwand entschieden zurück, obwohl sie selbst immer wieder auf ihrer Reise erleben müssen, dass kein Mensch gut sein und gleichzeitig ein menschenwürdiges Leben führen kann.
7.Szene: Hof hinter Shen Te's Tabakladen
Der Barbier Shu Fu hat gehört, dass Shen Te von ihrem Bräutigam verlassen worden ist und dass ihr Tabakladen ruiniert ist. Er ist berührt vom selbstlosen Handeln des "Engels der Vorstädte\" und überreicht Shen Te einen Blankoscheck, den diese aber nicht einlösen will. Der Wasserverkäufer Wang bringt ein hungerndes Kind zu Shen Te. Es handelt sich um das Kind jenes Schreiners, der von Shui Ta ruiniert worden ist. Die Familie ist mittlerweile obdachlos geworden. Shen Te ist mittlerweile selbst schwanger. Angesichts des hungernden Kindes ist sie fest entschlossen, ihr eigenes Kind niemals hungern zulassen. Um ihm ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, wir sie lieber künftig allen anderen "Tiger und wildes Tier\" sein. Noch einmal verwandelt sie sich in Shui Ta und löst den Scheck des Herrn Shu Fu über 10 000 Silberdollar ein. Shui Ta weist nun den bettelnden Armen und Obdachlosen einen neue Rolle zu. Ohne Gegenleistung soll ihnen nicht mehr geholfen werden. Sie sollen in den Baracken des Herrn Shu Fu, die mit dem nun verfügbaren Investitionskapital zur Tabakfabrik gemacht werden, arbeiten. Dafür können sie dort wohnen.
8.Szene Shui Ta's Tabakfabrik
Einige Monate sind vergangen. Von Frau Yang erfährt das Publikum, was mittlerweile passiert ist. Shui Ta's Tabakmanufaktur funktioniert. Man nennt ihn den Tabakkönig von Sezuan. Die Menschen arbeiten in der Fabrik unter miserablen Bedingungen. Yang Sun ist von Shui Ta wegen gebrochenen Eheversprechens und wegen Erschleichung von 200 Silberdollar angezeigt worden. Sun musste sich, um der Strafe zu entgehen, als Arbeiter in der Fabrik Shui Ta's anstellen lassen. Mittlerweile hat er es dort zum Aufseher gebracht. Aus dem gleichnishaften "Lied vom achten Elefanten\" erfährt man, dass er mit besonderer Brutalität zu Werke geht und bei den anderen Arbeiterinnen und Arbeitern verhasst ist.
9.Szene: Shen Te's Tabakladen
Shen te ist mittlerweile im siebten Monat schwanger; sie tritt nur mehr in der Rolle des Shui Ta auf, und die Menschen werden misstrauisch. Unter der Führung Suns fordert eine aufgebrachte Menschenmenge, man müsse das Verschwinden Shen Te's polizeilich untersuchen. Sun versichert, er habe im Raum hinter dem Tabakladen jemanden schluchzen gehört. Als dort ein Bündel mit Shen Te's Kleidung gefunden wird, steht Shui Ta unter dem Verdacht, er habe seine Cousine verschwinden lassen. Er wird festgenommen
Zwischenspiel: Wangs Nachtlager
Die Götter erscheinen wieder dem schlafenden Wang. Sie sind mittlerweile ziemlich mitgenommen von ihrer Reise und obendrein deprimiert, weil sie nirgendwo einen guten Menschen gefunden haben. Umso wertvoller ist für sie Shen Te, aber sie müssen von Wang erfahren, dass der "Engel der Vorstädte\" verschwunden ist.
10.Szene: Gerichtslokal
Gegen Shui Ta ist Anklage erhoben worden. Er wird verdächtigt, Shen Te ermordet zu haben. Die drei Götter sind zur Verhandlung zurückgekehrt, haben den eigentlichen Richter handlungsunfähig gemacht und selbst den Vorsitz übernommen. Shui Ta ist bereit auszusagen, wenn man ihn mit den drei Richtern/Göttern allein lässt. Nun erklärt Shen Te/Shui Ta ihren Konflikt. Es war ihr nicht möglich gut zu sein und gleichzeitg menschenwürdig zu überleben. Die Götter sind ratlos und beschönigen die Realität. Sie entschwinden auf einer rosafarbenen Wolke. Der verzweifelten Shen Te gestatten sie, einmal im Monat Shui Ta zu Hilfe zu holen.
Epilog
Ein Schauspieler wendet sich mit einer Entschuldigung an das Publikum. Das Stück sei nun aus, der Vorhang zu, aber alle Fragen seien offen. Das Publikum selbst soll einen Stückschluss, also eine Lösung des vorgetragenen Problems finden
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