Josef Bloch, der früher ein bekannter Fußballtorman war, kommt eines Tages zu einer Baustelle und stellt fest, daß er entlassen worden ist. In der Folge wandert er einige Tage ziellos durch Wien, bis er eine attraktive Kellnerin kennenlernt, mit der er eine Nacht verbringt. Aus Angst, daß sie ihm zu nahe kommen und wirkliche Gefühle in ihm auslösen könnte, erwürgt er sie am nächsten Morgen. Ungesehen entkommt er und macht sich eigentlich keine Gedanken mehr über das Geschehene. Zur "Erholung" fährt er für einige Tage aufs Land, wo er sich vor der Verfolgung durch die Polizei sicher fühlt. Bei einem Spaziergang entdeckt er eine Leiche im Wasser und meldet es bei einer Gendarmeriestation, ohne erkannt zu werden. Das Ende der Erzählung bleibt offen, was dem Leser viele Interpretationsmöglichkeiten offenläßt.
Handke geht es in diesem Buch nicht so sehr darum, eine Kriminalgeschichte zu erzählen; vielmehr versucht er, ein Bild der Hauptfigur zu entwerfen. Der Autor schildert die Ereignisse im Hintergrund so, als ob jedes Ereignis im Buch den gleichen Stellenwert hätte. So widmet er z.B. auch dem Mord, einem zentralen Ereignis des Buches nicht mehr Platz als einer völlig unwichtigen Passage, in der Bloch einfach von einem Bett aufsteht. Dieser Schreibstil macht das Buch zwar nicht gerade leicht zu lesen, stuft allerdings die "wirkliche" Handlung im Buch herab, sodaß sich der Leser voll auf die Darstellung des Helden konzentrieren kann.
Josef Blochs Karriere wurde durch einen einzigen nicht gehaltenen Elfmeter, den er zwischen seinen Beinen durchließ, völlig zerstört. Seit damals trauert er hauptsächlich dieser vergebenen Chance nach. Er ist ein Versager.
Am Ende des Buches besucht Bloch ein Fußballmatch, bei dem ein Elfmeter verhängt wird. Bloch beobachtet den Tormann ganz genau, während dieser den Schuß erwartet. Er erklärt seinem Nachbarn noch, daß der Tormann bei einem Elfmeter keine Chance hat, während der Schütze anläuft und schießt. Der Tormann bleibt einfach stehen und der Ball landet in seinen Händen.
Dieser Elfmeter symbolisiert die Chance im Leben für den Tormann. Josef Bloch hat diese Chance ungenützt verstreichen lassen, ja sogar leichtfertig verspielt, als er den Ball zwischen seinen Beinen durchließ. Der andere Tormann fängt den Ball jedoch, indem er einfach im richtigen Moment stehenbleibt und gar nichts tut. Handke zeigt damit, wie leicht es ist, die Chance am Schopf zu packen, sofern man sie nur erkennt.
Obwohl "Die Angst es Tormanns beim Elfmeter" manchmal ein wenig langatmig formuliert ist, ist es ein lesenswertes Buch, besonders da das Ende mit einem typischen "Aha- Effekt" bezüglich der Interpretation aufwartet.
PS: "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" ist vielleicht nicht das wertvollste, mit Sicherheit aber das meistzitierte Werk Handkes. Bei jedem verhängten Strafstoß zitiert ein einigermaßen gebildeter und mäßig origineller Sportreporter (und davon gibt es viele) den Titel der Erzählung. Nun aber ist Handke ein Fehler passiert, der bei aller symbolischen Bedeutung des Titels eigentlich unverzeihlich ist: Die Angst des Torwarts vorm Elfmeter gibt es gar nicht! Zwar geschieht es manchmal, daß der Torwart einen Strafstoß pariert, es rechnet aber eigentlich niemand damit. Da dem Tormann quasi im Voraus Dispens gewährt wird, kann er völlig unbelastet in das Elfmeterduell mit dem Schützen gehen, während der Schütze auf jeden Fall treffen muß und damit dem weitaus größeren Druck ausgesetzt ist.
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