Die Definition von Wahrheit gibt dennoch keine Kriterien an, wie wir diese erkennen können.
Viele verstehen unter Kriterien das, was ihnen ihre Sinne verraten. Doch, wie wir oben schon gesehen haben, sind unserer Sinneseindrücke im Falle der Wahrheit und Wirklichkeit unzuverlässig, da sie uns tatsächlich keinen Eindruck vermitteln können, wie die Welt wirklich ist.
Wir können etwas zwar sehen, schmecken, riechen, hören oder auch ertasten, aber wirklich erkennen können wir es nicht. Und vor allem nicht, ob es die Wahrheit ist oder nicht.
Folglich tut sich mir eine Frage auf: Gibt es überhaupt Wahrheit? Hierzu möchte ich einen kleinen Dialog zwischen mehreren Philosophen aus unterschiedlichen Zeiten anführen:
"Aber woher wisst ihr denn, dass es Wahrheit gibt? Und dass wir sie erkennen können? Und dass wir sie einander mitzuteilen vermögen?", fragte da ein sehr gepflegter älterer Herr in griechischer Tracht.
"Oh", warf Descartes ein, "was willst du denn damit sagen, lieber Gorgias? Behauptest du, dass es keine Wahrheit gibt?
"Behaupten tue ich gar nichts, ich erwäge nur Verschiedenes. Nehmen wir einmal an, ich bestritte, es gebe Wahrheit."
"Nun, dann würde ich dich ganz einfach fragen, ob diese Behauptung, es gebe keine Wahrheit, selber wahr sei. Was würdest du darauf antworten?"
"Ach, mit dieser Gegenfrage hat ein plebejischer Handwerker meiner zeit uns schon gequält."
"Das kann ja sein, aber die Frage wird nicht dadurch schlecht, dass sie schon ziemlich alt ist."
"Nehmen wir einmal an, ich antwortete, der von mir behauptete Satz, es gebe keine Wahrheit, sei wahr."
"Dann, lieber Gorgias, gäbe es ja einen wahren Satz - nämlich den, der da sagt, es gebe keine Wahrheit, dann wäre deine Behauptung widerlegt."
"Na ja, dann behaupte ich eben, mein Satz sei falsch."
"Aber wenn es falsch ist, dass es keine Wahrheit gibt, dann ist es eben wahr, dass es Wahrheit gibt. Wenn du selber deine Behauptung gleich zurücknimmst, da brauche ich dich gar nicht mehr zu wiederlegen."
"Deswegen, cher René, habe ich ja auch nur gesagt, ich behaupte gar nichts."
"Aber wenn du nichts behauptest, wie soll ich dich dann ernst nehmen? Wie kann ich mich mit dir auseinandersetzen? Wer nichts behauptet, ist jedenfalls kein Philosoph."
"Nun, ganz und gar nichts ist es nicht, was ich tue. Ich bezweifle einfach, dass es Wahrheit gibt, ich bestreite es nicht, d.h. ich sage nicht, dass das Gegenteil wahr ist. Und ich kann je nach Laune alles bezweifeln und dabei meine Freiheit genießen."
"Kannst du wirklich alles bezweifeln?"
"Nun, es könnte ja ein Traum sein, dass es dich gibt und alles andere gibt."
"Meinetwegen. Aber kann es auch ein Traum sein, dass es dich gibt? Überlege dir doch folgendes. Dein Ausgangspunkt ist, dass du zweifelst. Das heißt, dass du eine geistige Tätigkeit vollziehst."
"Ja, das gebe ich zu."
"Aber wenn du denkst, dann gibt es dich - cogitas ergo es, oder auch andersrum - cogito ergo sum."
Hier schaltete sich Augustinus wieder ein. "Also René, eins zu null für dich. Es gibt Wahrheit, ohne Zweifel. Aber erkennen wir sie mit der Vernunft? Oder müssen wir an sie glauben?" 1
Wie wir also erkannt haben, gibt es Wahrheit.
Doch meiner Meinung nach, ist sie für uns nicht zu erfassen bzw. zu erkennen. Sogar Descartes und Berkeley glaubten, dass die Wahrheit etwas göttliches, absolutes ist. Selbst wenn wir auf die einzige Wahrheit stießen, würden wir sie dennoch nicht erkennen.
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