Interpretation von Friedrich Schillers Perlenbrücke 19.09.2006 Im Folgenden werde ich stückchenweise versuchen, das Gedicht Friedrich Schillers, welches wir zur Interpretationsübung aufbekamen, zu deuten. Ich werde zunächst Allgemeines wiedergeben, welches ich Stück für Stück versuche, zu interpretieren und am Ende sowie in einigen Ansätzen im Zwischenteil zu meiner eigenen Meinung kommen. Das Gedicht zieht sich über drei Verse, wobei jeder Vers vierzeilig und über Kreuz gereimt ist. Die erste und die dritte Zeile reimen sich, sowie es auch die zweite und die vierte Zeile tun.
Gleich zu Beginn ist der Dichter in die Welt der Metaphern eingetaucht und beschreibt uns eine "Brücke", die über einen grauen "See" führt. Diese "Brücke" erbaut sich schier von selbst und ist aus "Perlen" geschaffen. Die Erbauung läuft laut Schiller schnell von statten und die "Brücke" scheint derart hoch zu sein, dass nicht einmal die höchsten Schiffe ihren Bogen berühren. Zugleich wird erwähnt, dass diese "Brücke" noch nie Lasten ausgesetzt war. Grund dafür könnte sein, wie in der letzten Zeile des zweiten Verses geschrieben, dass die "Brücke" scheinbar flieht, wenn man sich ihr nähert, somit kann auch niemand eine Last auf sie manövrieren. Zu Beginn von Strophe drei beschreibt Schiller, wie die "Brücke" entsteht bzw.
was notwendig für ihr Dasein ist, und zwar das Vorhandensein von Wasser bzw. genau das Gegenteil. Ist Wasser da, so IST die "Brücke", ist Wasser nicht da, so ist die "Brücke" nicht. Zum Schluss ruft Friedrich Schiller noch einen Appell an einen Unbekannten aus und erwartet eine Antwort auf folgende Fragen: "...
wo sich die Brücke findet, und wer sie künstlich hat gefügt?" Was könnte Schiller also beschrieben haben? Etwas Reales? Wenn ja, dann stellt sich die Frage was. Was ist höher als das höchste Schiff und scheint des Tragen unmächtig zu sein? Spätestens durch die Zeile: "Und scheint, wie du ihr nahst, zu fliehn," wird wohl deutlich, dass es sich um etwas Irreales handelt wie z.B. eine optische Täuschung oder ein Traum. Erster Einfall ist ein Regenbogen. Er baut sich binnen Sekunden auf, da er lediglich eine Form der Lichtbrechung und Reflektion ist und spektral eine Farbkette darstellt.
Möglich ist also, dass die "Perlen" die Wassertropfen bzw. Regentropfen darstellen und der Regenbogen sich über reales Wasser räkelt. Also ist das Gedicht in dieser Interpretationsweise halbreal. Da es sich nur um eine refektive Täuschung handelt, ist wohl klar, dass man sich dem Gebilde nicht nähren kann, da es aus jedem Winkel und aus jeder Lage gleich erscheint, zumindest in Relation zu den Licht- bzw. Umfeldverhältnissen. Eine Anspielung ist auch im "grauen See" zu erkennen, denn im Vergleich zu eine "kunterbunten" Regenbogen ist ein halbwegs einfarbiger See doch recht monoton und erscheint gräulich.
Lastentragen ist für eine optische Täuschung auch nicht möglich, wodurch sich wohl entgültig darausschließen lässt, dass es sich um einen Regenbogen handeln kann. Auch durch das Kommen und Gehen von Wasser bzw. in diesem Fall eher Regen lässt sich diese These vertreten (vgl. Z. 9 und 10). Da es aber mehrere Interpretationsmöglichkeiten gibt, ist nicht eindeutig zu sagen, dass diese These stimmt bzw.
nicht stimmt. Beispielweise ein Träumender könnte beschrieben werden, vielmehr sogar die Sicht eines Träumenden bzw. der Traum selbst. Schläft man ein, so entwickelt sich recht schnell (im Verhältnis zu dem, was man mitkriegt) eine "bunte Welt" der Hirnstromkurven, die Erlebnisse und Eindrücke verarbeiten und sich über den "grauen" Alltag oder auch die "graue" Realität hinwegsetzen. Da auch ein Traum etwas Irreales verkörpert, ist die "schwindelnde Höh" nicht unwahrscheinlich und der Rest des Gedicht ist, zumindest um ein paar Ecken gedacht, auch recht plausibel. Die "Brücke" über den Alltag, die Realität, welche aus den wertvollen Ereignissen ("Perlen") erbaut ist und nicht erreicht werden kann, da sie sich kurzzeitig über alles stellen kann, ist immer nur traumhaft zu erreichen.
Wacht man auf, sieht man die "Brücke" teilweise noch, jedoch kann man sich ihr nicht mehr nähern und vergisst den Traum mit der Zeit. Das Schlafen bzw. das Wachsein verkörpern hier das Wasser, welches unmittelbar mit der Existenz der "Brücke" zu tun hat. Auch hier steht die Frage offen, wer sie erbaute und wo sie steht, da sie nur eine träumerische Ebene enthält, an welche man sich zwar erinnern kann, sich aber nicht mehr ohne "Wasser" zurückkommen kann. Jedoch ist diese Interpretationsvariante realitäts- und irrealitätsübergreifend und recht komplex, da selbst wenn man schläft, also viel Wasser da ist, die "Brücke" nicht erreicht werden kann. Also muss man das Gesamtbild auf die Zeit unmittelbar nach der Schlafphase komprimieren.
Eine weitere, interessante Variante ist die, die Schiller auch als Autor berücksichtigt. Schiller war ein Idealist, er hatte Ziele und Prinzipien, welche sich in ihren verschiedenen Ansätzen als "Perlen" im Gedicht auslegen lassen, und wollte sie auch erreichen bzw. einhalten. So ist die "Brücke" möglicherweise die Verbindung zur Welt der Ideale bzw. stellt diese auch da. Ein Ideal lässt sich auch schnell aufbauen und ist teilweise nur eine Momenterscheinung, die kurz kommt ("Sie baut sich auf im Augenblicke)" und auch genauso schnell wieder verschwinden kann.
Ideale oder Träume stellt der Mensch wenn auch unbewusst über alles, denn diese will er erreichen und sich gut fühlen. Und der Mensch fühlt sich gut, wenn er sich auf seine Art über allem fühlt. So könnte die erste Zeile des zweiten Verses zu deuten sein. Auch Lasten ist ein Ideal nicht ausgesetzt, zumindest nicht in der Idealform, welche wir immer wieder anstreben. Selbst wenn etwas Belastendes existiert, so hofft der Mensch trotzdem, dass er diese Belastung los wird oder er hofft, dass das Ideal trotzdem erhalten bleibt und die Träume in Erfüllung gehen. Zudem kann er seine Ideale und Träume auch ausrichten.
Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich um Ideale und Träume handeln kann, ist die zweite Zeile des Gedichtes, in der steht, dass sich die "Brücke" über einen "grauen See" wölbt. Nicht nur das Absetzten vom Alltag und von der Realität werden hier deutlich, auch der Farbunterschied ist von Bedeutung. Die "Brücke" erscheint bunter als der See und lässt auf etwas Positives, vielleicht auch auf etwas Träumerisches hinweisen. Und das sind Träume und Ideale. Doch fällt einem auf, dass dieses Bild auch negative Aspekte beinhaltet, was man ab der 7. Zeile erkennen kann.
Nähert man sich seinen Träumen und Idealen, so bemerkt man leider, dass sie tatsächlich nur Träume und Ideale sind, denn man kommt ihnen nicht näher. Sie lassen es nicht zu, dass man sie erreicht. Auch wird erwähnt, dass Träume und Ideale von etwas abhängig sind (vgl. "Wasser"). Mit dem Wasser kann die gute Seite des Lebens gemeint sein, welche die buntesten Ideen weckt und welcher, man sich erfreuen kann. Ist diese Freude abszinent, so schwindet auch langsam die Freude an Idealen und die Lust auf das Erreichen der Ziele.
Die Motivation sinkt durch schlechte Erlebnisse oder Routine und lässt die "Brücke" verschwinden. Egal ob schnell oder langsam, sie verschwindet. Jedoch lässt sie sich auch wiederaufbauen durch neuen Schwung im Leben. So könnte man den Strom sogar direkt interpretieren und sagen, dass Ideale und Träume leicht aufzubauen sind, wenn Regeln und Schwung existieren, gegen die man sich auch wehren mag. Rebellion ist das Stichwort. Ohne etwas, was einen aufregt, was einen bewegt, was einen am Leben hält, ist ein gefühlvolles bzw.
sehr gefühlvolles (rebellisches) Verhalten schier unmöglich. Das heißt, verschwindet die Motivation, das, was einen bewegt, das, was einen berührt, so sinkt auch die Bereitschaft, die "Brücke" zu erreichen und zu überqueren. Durch den letzten Appell im Gedicht zeigt sich auch, dass Schiller womöglich seine Ziele erreichen wollte, doch zur Zeit des Schreiben eher in einer "wasserarmen" Phase war und recht verzweifelt wirkt. Alles in Allem bin ich der Ansicht, dass sich viele verschiedene Denkansätze auf das Gedicht beziehen lassen und dass sie sich u.a. miteinander kombinieren lassen.
Aber meine persönlich bevorzugte Variante ist die, die ich zuletzt erwähnt habe, da ich selbst gerne über Derartiges nachdenke und schreibe und da sich dieser Denkansatz auch gut auf Friedrich Schiller beziehen lässt. David Hautmann
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