Autor:
Jean-Paul Sartre wurde am 21. Juni 1905 in Paris geboren. Er gilt als der Begründer des französischen Existentialismus. Sein drittes Theaterstück Les Autres (wörtlich übersetzt: \"Die Anderen\") schrieb Sartre 1943/44. Sartre selbst schreibt in seinem Nachwort über seinen Einakter, dass der Anlass dieses Stück zu schreiben drei Freunde waren, denen er gleichberechtigte Rollen in einem Stück geben wollte, das heißt: Er wollte, dass sie die ganze Zeit auf der Bühne beisammen bleiben. So kam ihm die Idee, sie in die Hölle zu setzen und jeden von ihnen zum Folterknecht der je beiden anderen zu machen. Bei diesem Stück will der Autor drei Themenbereiche herausarbeiten: Verkrustung und Freiheit, Beziehungen zu den anderen und Freiheit als die nur angedeutete andre Seite. Jean-Paul Sartre starb am 15.April1980 in Paris.
Schauplatz des Stückes:
Der Schauplatz ist so gewählt, dass er den inneren Zustand des Stückes ausdrückt. Sartre wählt als Kulisse einen geschmacklos eingerichteten Salon, mit abgewetzten, verschiedenfarbigen Möbeln, ohne Fenster, ohne Spiegel und ohne Tageslicht. Dieses wird durch künstliches Licht ersetzt, das ständig leuchtet, denn Strom gibt es im Überfluss, er ist kostenlos und die Bewohner haben keine Möglichkeit, ihn selbst abzuschalten. Die Räume und die endlosen Korridore sind überheizt. Hierher werden die drei Hauptpersonen des Stückes gebracht. Sie sind einander in ihrem Leben nie begegnet und werden nach ihrem Tod für immer in diesen Raum verbannt. Diese Menschen sind eingeschlossen und die Flucht wird durch eine dicke Stahltür, die nur von außen zu öffnen ist, verhindert. Die Bewohner haben aber die Möglichkeit mit einer Klingel den Kellner zu rufen, aber diese scheint meistens defekt zu sein. Die \"Toten\" benötigen keinen Schlaf, der ihnen Vergessen und Erholung schenken könnte, und so sind sie zum ständigen Wachsein gezwungen.
Personen:
Der Kellner
Der Kellner gibt den drei Ankommenden bereitwillig Auskunft über die Gewohnheiten und Zustände in der Hölle. Er stellt fest, dass alle Toten die gleichen Fragen und Sorgen haben. Der Kellner verlässt nie das Gebäude und an seinem freien Tag besucht er seinen Onkel, den Oberkellner, im dritten Stock. Seine Arbeit, die Toten an die Stätte ihrer ewigen Qual zu bringen, scheint ihn mit Schadenfreude, vielleicht auch mit Vorfreude auf die kommenden Ereignisse zu erfüllen.
Joseph Garcin
Joseph Garcin wird als Intellektueller, Journalist und Deserteur beschrieben. Er und seine Frau stammen aus Rio und haben diese Stadt nie verlassen. Garcin hat seine Frau aus der Gosse geholt, aber sie sehr schlecht behandelt. Er betrügt sie, nimmt ihre Gefühle nicht ernst und benutzt sie wie einen Gegenstand. Seine Frau stirbt vor Kummer einige Zeit nach ihm. Garcin ist von einem Hinrichtungskommando durch zwölf Kugeln erschossen worden. Zuvor stirbt er aber bereits durch einen Schwächeanfall.
Über sein Desertieren und seinen gar nicht heldenhaften Tod will Garcin zuerst nicht sprechen, dann aber stellt sich heraus, dass er einem Einrückungsbefehl nicht Folge geleistet hat und versucht hat zu fliehen. Dabei wurde er an der Grenze geschnappt und ins Gefängnis gebracht. Er glaubt, oder will es die beiden anderen glauben machen. wegen der Tyrannei gegenüber seiner Frau in der Hölle zu sein.
Er wird als derjenige beschrieben, der immer wieder versucht Absprachen mit den beiden anderen Toten zu treffen, um der Hölle zu entkommen.. Doch diese Versuche scheitern.
Fräulein Inés Serrano
Ines war von Beruf Postangestellte. Sie erzählt den beiden anderen, dass sie schon in ihrem Leben als Verdammte gegolten hat und nur dann existieren kann, wenn die anderen leiden. Sie meint, wenn sie ganz alleine wäre, würde sie verlöschen. Ines wird als aggressive, ¬sadistische Lesbe charakterisiert. Sie selbst gibt zu gemein zu sein und Spaß daran zu haben. Sie hat ihrem Vetter, bei dem sie gewohnt hat, dessen Freundin Florence ausgespannt und sich mit dieser ein Zimmer am anderen Ende der Stadt genommen. Als dieser Mann von einer Straßenbahn überfahren wird, redet sie Florence ein, dass sie beide Schuld an seinem Tod wären. ja ihn umgebracht hätten. Florence hält diese Belastung nicht lange aus und dreht eines N achts den Gashahn auf. Dadurch findet sie selbst und Ines den T od.
Als Ines das Hotelzimmer betritt, hält sie Garcin für einen Folterknecht. Als Lesbe versucht sie sich Estelle zu nähern, wird von dieser aber zurückgewiesen und verachtet, da Ines an Garcin interessiert ist.
Estelle Rigault
Estelle stammt aus Paris. Sie ist ein Waisenkind und hat ihren jüngeren Bruder aufgezogen. Sie heiratet einen Freund des Vaters, weil er über genügend Geld verfügt um ihrem kranken Bruder zu helfen. Diese Ehe ist sechs Jahre unbeschwert und glücklich. Doch dann trifft Estelle die Liebe ihres Lebens. Obwohl Roger, ein armer Berufstänzer, sie bittet mit ihm zu kommen. bleibt sie bei ihrem Mann und tut so, als ob alles in Ordnung sei. Doch Estelle wird ungewollt von Roger schwanger. Sie verbringt fünf Monate in der Schweiz um die Schwangerschaft vor ihrem Mann geheim halten zu können. Dort bringt sie eine Tochter zur Welt. Roger ist bei ihr und freut sich über ihr gemeinsames Kind. Doch Estelle sieht in diesem Kind nur eine Belastung für ihre Ehe und wirft ihre Tochter kaltblütig über den Balkon in den See. Dann kehrt sie nach Paris zurück, als sei nichts geschehen. Roger wird mit dem Tod des Kindes und der Kaltblütigkeit Estelles nicht fertig und erschießt sich. Estelle fühlt sich aber keineswegs für seinen Selbstmord verantwortlich. Sie stirbt kurz darauf an einer Lungenentzündung. Estelle wird als junge, lebenshungrige Egoistin charakterisiert, der es nur um die Stillung und Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse geht.
Inhalt:
Garcin, Ines und Estelle werden nacheinander vom Kellner in ein Hotelzimmer im Sekondempire-Stil gebracht. Nach dem ersten Kennenlernen beginnen sich die \"Gefangenen\" Gedanken über ihre Anwesenheit an diesem eigenartigen Ort zu machen. Ist es Zufall oder Absicht, dass sich ausgerechnet diese drei diesen Raum teilen müssen? Sie einigen sich dann darauf, dass alles vorgesehen ist. Zunächst versuchen sie voreinander gut dazustehen. einander zu täuschen und zu betrügen. Doch diese Versuche scheitern bald, Absprachen (z.B.: nicht miteinander zu reden) werden nicht eingehalten und die Höllenqualen. nicht durch irgendeinen Folterknecht, sondern durch ihr eigenes Dasein, nehmen ihren Lauf.
Estelle will unbedingt einen Spiegel haben um ihr Aussehen zu kontrollieren, da es aber im Raum keine gibt und auch die Anwesenden über keine verfügen, bietet sich Ines an, der Spiegel für Estelle zu sein¬
Dahinter steht aber Ines Wunsch sich Estelle zu nähern, die sie begehrt. Ines jedoch ist von dieser Annäherung angewidert und will Garcin gefallen. Dieser wird zwischen beiden Frauen zerrieben. Garcin erkennt, dass er keine Chance hat der Situation zu entkommen und will nun wissen, mit wem er es zu tun hat. So erzählen sie einander ihre Lebensgeschichten. Dadurch wachsen die Ablehnung, der Hass und die Verachtung für den anderen und der Egoismus der einzelnen Personen wird deutlich. Garcin versucht auszubrechen und wie durch ein Wunder öffnet sich die Stahltüre, doch ihr inneres Aneinandergekettetsein verhindert, dass einer der drei flieht. Sie bemerken auch, dass es, seit sich die Türe geöffnet hat, zehnmal heißer geworden ist. \"Die Hölle, das sind die anderen\", lässt Sartre Garcin in einem seiner letzten Sätze sagen. Aus dieser Verdammnis gibt es kein Entkommen. Estelle versucht die verhasste Ines mit einem Papiermesser zu töten, doch es gelingt nicht, da sie schon tot ist. Auch Ines erkennt, dass \"weder Messer, noch Strick, noch Gift\" an ihrer Situation etwas ändern kann, dass es kein Entrinnen gibt. Ohne Gnade und Erbarmen, ohne die Hoffnung auf ein Ende und ohne Trost sind sie gezwungen weiterzumachen, zu wiederholen, was sie selbst als Menschen aus ihrem Leben, ihrem Dasein gemacht haben. \" Weitermachen\" - das ist Sartres Hölle.
Aufbau:
\"Geschlossene Gesellschaft\" ist ein Stück in einem Akt, das in fünf Szenen unterteilt ist. In der ersten Szene wird Garcin vom Kellner in das Zimmer gebracht und kurz vorgestellt. Die zweite Szene gibt einen kleinen Einblick in Garcins Verhalten, der noch alleine im Salon ist. In der dritten Szene trifft Ines auf Garcin, nach der vierten Szene ist die Hölle durch das Ankommen von Estelle komplett. Die fünfte Szene beschreibt das Verhalten der drei Personen und ihr~ Beziehungen zueinander.
Die ersten vier Szenen sind sehr kurz. Die fünfte Szene hingegen nimmt 4/5 des gesamten Buches ein und ist ausführlich und genau beschrieben.
Die Sprache ist leicht verständlich, da Jean - Paul Sartre keine Fremdwörter verwendet.
Das Stück ist so aufgebaut, dass es von Szene zu Szene spannender wird und das Ende eigentlich nichts von dieser Spannung, die zugleich auch Hoffnungslosigkeit enthält, wegnimmt.
Problematik:
\"Die anderen\" sieht Sartre als wesentlich für die Meinung und das Urteil, das wir über uns selbst bilden. Damit befindet sich jeder Mensch in Abhängigkeit von anderen, aus der er sich lösen kann oder nicht. Gewohnheiten, Starre, Bequemlichkeit führen zur Verkrustung und machen es oft sehr schwierig sich wirklich frei zu entscheiden. Sartre aber meint, selbst wenn sich der Mensch in einem Teufelskreis befindet, es seine Verantwortung und Entscheidung sei, diesen zu durchbrechen oder in ihm zu bleiben. Bleibt er in ihm, begibt er sich aus freien Stücken in die Hölle.
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