Obwohl die Presse- und Meinungsfreiheit in der Ukraine verfassungsrechtlich garantiert ist, führten strukturelle und ökonomische Probleme in den letzten Jahren zum Niedergang der Pressefreiheit. Diese Ambivalenz läßt sich auch an zahllosen Versuchen erkennen, Presseorgane durch staatliche Repressalien indirekt zu zensieren, oder durch ihre bloße Existenz eine Stimmung der Selbstzensur zu schaffen. Da wirtschaftlicher Erfolg in der Ukraine nur im Einvernehmen mit der Administration möglich ist, suchten Unternehmer über die Medien politischen Einfluß für ihre Aktivitäten. Die politische Ausrichtung der Publikationen war dabei stets konform mit den politischen Zielen der Finanziers und meist loyal zur Regieungslinie. Regierungskritischer Journalismus ist in der Ukraine derzeit kaum vorhanden.
Der Gongadzeskandal weitete sich mit dem spektakulären Vorwurf, daß die Staatsführung in den Mordfall verwickelt sei, zu einer Affäre aus, die zu einer erneuten Erruption des schwelenden Machtkampfes zwischen Parlament und Exekutive führte. Damit gewinnt sie eine Bedeutung die weit über den Medienbereich hinausgeht. Die empörte Rezeption des Skandals im In- und Ausland und die mögliche Destabilisierung des Machtgefüges könnten auch Rückwirkungen auf die Pressefreiheit haben. Sollte sich das Wachstum der ukrainischen Wirtschaft stabilisieren, dürfte dies auch zu einer Entspannung des Printmarktes führen. Angesichts der ,,Verfestigung postsovjetischer Strukturen\" ist es jedoch fraglich, ob sich die wirtschaftliche Konsolidierung auch in editorieller Freiheit in den Zeitungen niederschlägt. Die zunehmende Machtkonzetration auf die Präsidialadmistration, sowie die Clanstruktur von Politik und Wirtschaft bieten keine förderlichen Bedingungen für Pressefreiheit. Das Beharrungsvermögen solcher Strukturen trägt dazu bei, daß selbst vom Gongadzeskandal keine Wende zur Pressefreiheit zu erwarten ist.
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