Der Roman
Die vorherrschende epische Form ist der Roman, der allerdings in sehr unterschiedlichen Typen auftritt (Heimatroman, biographischer Roman, Großstadtroman, zeit- und gesellschaftskritischer Roman, experimenteller Roman, satirischer Roman, usw.).
Für die Entwicklung des literarischen anspruchsvollen Romans wurden die Philosophie Bergsons und die Psychoanalyse Freuds bedeutungsvoll. Henri Bergson entwickelte einen neuen Zeitbegriff, er stellt den Menschen als einen Prozess dar, er ist auf das Zukünftige ausgerichtet und mit dem Gepäck der Vergangenheit belastet. Die modernen Romanschriftsteller übernahmen den gelebten Zeitbegriff Bergsons und vermischten Zukünftiges, Gegenwärtiges und Vergangenes.
Eine noch stärkere Wirkung hatte Sigmund Freuds Wirken. Die Romanschriftsteller lernten von Freud, dass unser Bewusstseinsstrom und unsere Intentionen nicht nur von Endrücken der Außenwelt, sondern auch vom eigenen Unterbewusstsein gesteuert werden (Arthur Schnitzler war der erste, der auf Freuds Ideen zurückgriff).
Kennzeichnend für den deutschsprachigen Roman in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind die Werke von Thomas Mann, Alfred Döblin, Franz Kafka und Robert Musil.
Von den deutschen Romanschriftstellern nach 1945 sind vor allem Heinrich Böll und Günter Grass zu nennen, die zunächst den faschistischen Staat und den Krieg verarbeiteten und erst allmählich zu den Problemen der Nachkriegsgesellschaft in Westdeutschland fanden.
In Österreich setzte sich dagegen eine Reihe von Romanschriftstellern (Robert Musil, Stefan Zweig, Joseph Roth) in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg mit dem Untergang der Habsburgermonarchie und der ersten Republik auseinander. Ihre Werke wurden auf Grund der Zensur durch die Nationalsozialisten z.T. aber erst nach dem zweiten Weltkrieg wirksam.
Die drei bedeutensten Romanciers der Zwischenkriegszeit waren Joseph Roth, Robert Musil (sein Roman \"Mann ohne Eigenschaften\" gilt heute als Schlüsselroman der modernen Literatur) und Hermann Broch.
Erzählverhalten
Neorealisten
In den siebziger Jahren tritt eine neue Generation von Autoren auf, die Krieg und Nachkriegszeit nicht mehr bewusst erlebt hat. Einige verarbeiten ihre eigene Vergangenheit, ihre Herkunft \"von ganz unten\" in Romanen mit stark autobiographischen Zügen: Franz Innerhofer, Gernot Wolfgruber, Peter Henisch, Elfriede Jelinek, Josef Haslinger, Gerhard Roth, Robert Menasse.
Epische Kleinformen
Die Parabel
Eine Parabel ist eine Art Gleichnis. Gleichnisse werden im Neuen Testament verwendet, um einen Gedanken zu erklären. Jede Parabel hat zwei Ebenen, eine Erzählebene und eine Erkenntnisebene. Ein Gedanke ist in Form einer Geschichte ausgedrückt.
Viele kurze Erzählungen Kafkas sind Parabeln, ebenso wie unter \"Geschichten vom Herrn Keuner\" von Brecht.
Eine Parabel kann aber auch in einem Drama auftreten (Lessings Ringparabel in \"Nathan\") und ebenso als Gedankenlyrik, mitunter kann auch ein Roman (z.B. Kafkas \"Der Prozess\") als Parabel verstanden sein.
Die Kurzgeschichte
Die Kurzgeschichte ist die kennzeichnende Form der Nachkriegszeit, ihre Vorformen reichen weit ins 19. Jahrhundert zurück. Autoren wie Wolfgang Borchert, Heinrich Böll, Hans Bender, Günter Eich u. a. behandelten zunächst Themen des Krieges und der Nachkriegszeit. Doch schon in den sechziger Jahren, als die nächste Generation zu schreiben begann, trat die Kurzgeschichte in den Hintergrund.
Das Wort \"Kurzgeschichte\" ist ursprünglich eine Lehnübersetzung der amerikanischen \"short story\". Die Kurzgeschichte setzt häufig mit einer Pro-Form (er bzw. sie), um den Charakter des Ausschnitthaften zu erzeugen und die Neugier zu wecken, wobei die Figuren indirekt charakterisiert werden. Meistens entwickelt der Autor das Problem nicht bis zu seinem Schluss, sondern übergibt es dem Leser, der weiterdenken soll. In der Regel wird wenig Zeit gezeigt, die Hauptperson wird in einer entscheidenden Situation ihres Lebens gezeigt (es geht um den Menschen in einer außerordentlichen Situation). Kurzgeschichten spielen meist im einfachen Milieu, die Personen, die Sprache ist einfach und leicht verständlich.
Die Kurzgeschichte ist auch durch äußere Bedingungen gekennzeichnet: Zum einen wollten die Autoren die Kriegserlebnisse ausdrücken und verarbeiten, zum anderen löste die Kurzgeschichte in der Zeitung das Feuilleton des 19. Jahrhunderts ab (das Papier war nach dem Krieg knapp und wurde der Zeitung zugeteilt).
Kurzprosa
Die kurzen Prosastücke der Autoren, die Ende der sechziger, Anfang der siebziger zu publizieren begannen, sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie keine Geschichten erzählen, keine Handlung im herkömmlichen Sinn haben. Zu ihnen gehören u.a. Gabriele Wohmann, Wolf Wondratschek und Alois Brandstetter. Die Schriftsteller verweigern dem Leser die spannende oder rührende Geschichte, es geht vielmehr darum, den Leser zu verstören und zu verärgern. Die Autoren wollten nicht unterhalten, sondern sozialkritisch erziehen und zum Handeln im Sinn einer neuen Gesellschaftsordnung motivieren.
Eine weitere Eigenschaft dieser Kurzprosa ist die experimentelle Verfahrensweise: Sprache wird verfremdet, montiert. Scheinbar nicht Zusammengehöriges wird nebeneinander gestellt. Das Auszudrückende und der Ausdruck sind - ähnlich wie im absurden Theater - eins (= Thematisieren in Sprache).
In der nächsten Generation finden sich einige Autoren, die zwar auch politisch und kritisch schreiben, aber mit viel Witz und Humor (z.B. Egyd Gstättner). Kennzeichnend für Gstättner und andere zeitgenössische Autoren ist die Unklarheit über die Erzählerfigur. Gstättners Geschichten wirken wie selbst Erlebtes, die Grenze zwischen fiktionaler Handlung und Erlebnisbericht schwindet.
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