Das bürgerliche Trauerspiel ist ein Produkt der literaturgeschichtlich fruchtbaren Umbruchszeit Mitte des 18. Jh. In dieser Zeit konnte "bürgerlich" verschiedene Bedeutungen haben: Während der Bürger als verantwortliches Mitglied eines Gemeinwesens nicht bedeutsam wurde, blieben zwei Bedeutungen parallel bestehen: Bürgerlich in Bezug auf den 3. Stand und im Sinn von menschlich, privat und häuslich. Nach und nach erfolgte eine Klärung hin zu einem Privat-Trauerspiel, das nicht von ständischen Problemen oder vom Klassenkampf handelt sondern von häuslichen Leben und moralischen Verhalten.
"Bürgerlich" meint nicht den Stand, sondern die Lebensweise. Die Hauptpersonen sind Privatmenschen im Familienkreis, während es im heroischen Trauerspiel meist Könige großer Reiche oder Kriegshelden sind. Sie stammen aus dem Mittelstand, der nach oben von Fürsten und Königen und nach unten vom einfachen Volk begrenzt ist.
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