Der Don-Juan-Stoff stammt aus Spanien.
Um 1624 fand in Madrid die erste Aufführung des Dramas El Burlador de Sevilla y convidado de piedra von Tirso de Molina (1517 - 1648) statt. Das Drama wurde 1630 zum erstenmal gedruckt und danach sehr oft ins Deutsche übersetzt.
In Tirsos Drama ist Don Juan ein junger Mann von adeliger Herkunft, der nichts anderes im Kopf hat, als dumme, oft auch blutige Streiche zu machen und den Frauen nachzustellen. Am Beispiel von vier Frauen wird Don Juans Charakter und Leben vorgeführt. An Donna Isabella, der er im Dunkel der Nacht als ihr Liebhaber Octavio erscheint, an Donna Anna, der er gleichfalls im Mantel des Liebhabers naht und deren zu Hilfe eilender Vater Don Gonzalo de Ulloa er im Zweikampf ersticht, und an zwei Mädchen aus dem Volke, die er mit Heiratsversprechen gefügig macht. Auf der Flucht vor dem letzten Abenteuer gerät er an das Grab Don Gonzalos, dessen drohende Grabschrift ihn reizt, das Standbild des Verstorbenen zu sich einzuladen. Der steinerne Gast kommt wirklich und lädt ihn seinerseits auf den Kirchhof ein; als Don Juan bei dieser Wiedereinladung nicht zögert, dem Standbild die Hand zu reichen, verbrennt ihn höllisches Feuer. Auch sein Motto gibt er in diesem Stück an: "Besser schmeckt mir kein Vergnügen, als ein junges Weib betrügen."
Der Titel El burlador de Sevilla heißt übersetzt soviel wie der Betrüger von Sevilla. "burlar" bedeutet "jemanden hereinlegen" und genau auf das kommt es Don Juan an. In erster Linie gehen Juans Untaten gegen das gesamte öffentliche Leben, die Gesellschaft, und erst danach zu Lasten der Frauen. Don Juan bezeichnet sich stets als Kavalier, der sich den Grundsätzen der Ehre unterworfen weiß.
Don Juan oder der steinerne Gast von Molière (1622 - 1673) wurde am 15. Februar 1665 im Pariser Théâtre du Palais-Royal uraufgeführt. Bei Molière ist Don Juan zum Freigeist und Atheisten - ganz im Stil des "preziösen" Edelmannes seiner Zeit. Er entwickelt eine Philosophie des Lasters, hat aber in Donna Elvira eine Gegenspielerin, eine ebenbürtige Gegnerin, eine Frau von Geist und Verstand. Aus dem "Burlador" wird ein "Moqueur" mit deutlich rationalem, intellektualisiertem Bewußtsein. Darüber hinaus ist der Don Juan jetzt mehr arrogant und erweckt im Zuschauer das Gefühl moralischer Verachtung. Er wird zum schlechten Menschen.
Der Don-Juan-Stoff breitet sich dann von Frankreich über ganz Europa aus - zunächst immer als Bühnenwerk. Die erste deutsche Version, sie erscheint 1690, ist Don Juan oder Don Pedros Totengastmahl von Magister Velten.
Bis heute wurden über 500 Versionen von Don Juan geschrieben, die meisten entstanden in Frankreich.
Ein weiteres Werk in der Geschichte des Don-Juan-Stoffes ist Don Juan und Faust von Christian Dietrich Grabbe (1801 - 1836). Don Juan ist der feurige, sinnliche temperamentvolle Südländer, extrovertiert, flatterhaft, den Äußerlichkeiten zugewandt, der Frauenverführer - während Faust der selbstquälerische, eigenbrötlerische, introvertierte Nordländer ist, der Denker, der Philosoph, der alles wissen und rational erfassen will. In diesem Drama geht es mehr um die Auseinandersetzung zwischen Don Juan und Faust, als um den Kampf um Donna Anna.
Erst in diesem Jahrhundert, genauer gesagt 1935, ist Don Juan kommt aus dem Krieg von Ödön von Horváth (1901 - 1938) entstanden. Er versucht Don Juans Taten psychologisch zu erklären. Don Juan ist bei Horváth zum Opfer der vielen einsamen Frauen geworden, von denen es, wie der Autor meint, nur wenige Grundtypen gibt: die Tragische, die Oberflächliche, die Tiefgründige, die Aufbegehrende, die Gutmütige, die Erwachende, die Brennende und die Hassende. In seinem Vorwort bezeichnet Horváth Don Juan als den "großen Verführer, der immer und immer von den Frauen verführt wird".
In kurzen Szenen werden die vielen Frauen vorgestellt, die von Don Juans Weg kreuzen; er aber sucht seine erste, seine Jugendliebe, die für ihn durch den Krieg zur Idealgestalt geworden ist.
Lord Byron (1788 - 1824) schrieb ein großes satirisches Epos in 17 Gesängen mit dem Titel Don Juan, das von 1817 bis 1824 entstanden ist. Es ,ist das größte Epos der englischen Romantik. Don Juan hat mit dem ursprünglichen Helden nur noch Namen und einzelne Charaktereigenschaften gemeinsam. Er ist ein charmanter, von Skrupel kaum geplagter Glücksritter, der von Byron mit distanzierter Ironie betrachtet wird.
Don Juan muß seine Heimatstadt wegen einer Liebesaffäre mit 16 Jahren verlassen. Er lernt das Leben in vielen Ländern und Gesellschaftsschichten kennen und macht sich seine, meist satirischen, Gedanken darüber. Er ist skeptisch, sarkastisch und leidenschaftlich. Byron konnte dieses Werk allerdings nicht mehr beenden.
Don José Zorilla y Moral (1817 - 1889) schrieb im Jahr 1844 eine Art Gegen-Don-Juan mit dem er in Spanien zu größter Berühmtheit gelangte. Mit Don Juan wurde er sogar zum spanischem Nationaldichter ernannt. Zorillas Don Juan steht ganz in der Tradition des spanischen Dramas vom Mittelalter und Calderón.
Das Stück beginnt mit einer Wette Don Juans, in sechs Tagen eine Nonne verführen zu können. Es gelingt ihm zwar, sie aus dem Kloster zu entführen - aber Donna Inez ist charakterlich stärker als er und beeindruckt ihn mit ihrer Standhaftigkeit. Er will sie heiraten, aber sein Vorleben wirft dunkle Schatten: Er tötet in Notwehr den Vater von Inez und diese selbst. Der zweite Akt zeigt Don Juan fünf Jahre später auf dem Friedhof, wo er die körperlich auftretenden Geister aller seiner Opfer verhöhnt. Die Mahnung zur Umkehr scheint vergeblich; schließlich errettet ihn die Fürbitte von Inez. In Zorillas Drama wird Don Juan zum erstenmal als Verliebter vorgestellt; er hat ein "Vorleben"; er ist wandlungsfähig und dadurch wird er im Ganzen gesehen menschlicher.
Die Don-Juan-Gestalt finden wir auch im Zwischenspiel Don Juan in der Hölle zu dem Drama Man and Superman von George Bernhard Shaw (1856 - 1950), indem Don Juan in der Hölle über Leben, Liebe und Tod diskutiert.
Eine letzte Ausformung des Don-Juan-Stoffes ist Ornifle ou le courant d'air (Der Herr Ornifle) von Jean Anouilh (geb. 1910). Don Juan (Herr Ornifle) lebt zu unserer Zeit und ist im Showbusineß tätig, er schreibt Schlagertexte, darüber hinaus alles, was ihm aufgetragen wird. Er ist ein oberflächlicher Hedonist , der sich in seinem Innerem nach Glück und Geborgenheit sehnt, die er zwar kennt, aber in seinem Leben nicht finden kann. Er stirbt an einem Schlaganfall.
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