Liebe zu guten Geschichten: Ein Porträt des Berliner Schriftstellers
Von Tilman Krause
Bild: Schlink mit Gemälde im Hintergrund
Der etwas andere Verfassungsrichter und Jura-Professor: Bernhard Schlink, Autor des Romans.Der Vorleser, vor einem Bild in seiner Wohnung
FOTO: SÖREN STACHE
Das hat es seit den Tagen der Gruppe 47 nicht mehr gegeben: einen deutschen Roman, den wirklich alle gelesen haben - die literarischen Feinschmecker ebenso wie der kulturhungrige Friseur. Der Gesprächsstoff liefert für Podien wie für Partys. Der das europäische, nordamerikanische Publikum gleichermassen erreicht und bewegt wie das hiesige. Ein deutscher Roman, über den man redet, streitet, diskutiert, weil er Fragen aufwirft, die bei uns niemanden gleichgültig lassen: Fragen nach dem Umgang mit der NS-Geschichte, Fragen nach dem Verständnis der Kulturrevolution von 1968. Ganz ohne Zeigefinger, vollkommen frei vom Gutmenschen-Geraune, sich selbst von keinerlei Schuld oder Verantwortung dispensierend. Dazu verpackt in eine spannende Geschichte, die bevölkert wird von faszinierenden Figuren. Die elegant erzählt ist und ohne exzentrische Mätzchen auskommt, getreu der Schopenhauer\'schen Maxime: Bester Stil ist der, wirklich etwas zu sagen zu haben.
Dieser Roman, lang ersehnt, heiss erfleht, ist 1995 erschienen und hat sich in Deutschland mittlerweile 500'000 mal verkauft. Er wurde in 25 Sprachen übersetzt und kam in diesem Frühjahr als erster deutscher Roman überhaupt auf die Bestseller-Liste der \"New York Times\". Eine Auflage von 750 000 Exemplaren sicherte ihm auch in Amerika eine Aufmerksamkeit, die deutsche Literatur dort sonst nicht mehr genießt. Der Roman heißt \"Der Vorleser\". Sein Autor ist Bernhard Schlink.
Weitere Berichte über Bernhard Schlick findet man im Archiv der Zeitung "Die Welt"
. https://www.diewelt.de mit dem Suchbegriff "Bernhard Schlink"
Seine Werke
. Selbs Justiz (Bernhard Schlink & Walter Popp)
Roman
Erscheinungsjahr: 1987
ISBN: 3-257-21543-6
. Die gordische Schleife
Roman
Erscheinungsjahr: 1988
ISBN: 3-257-21668-8
. Selbs Betrug
Roman
Erscheinungsjahr: 1993
ISBN: 3-257-22706-X
. Der Vorleser
Roman
Erscheinungsjahr: 1995
ISBN: 3-257-22953-4
. Liebesfluchten
Geschichten
Erscheinungsjahr: 2000
ISBN: 3-257-06230-3
Schlusswort
Kurz nach dem Tod Hannas fasst er den Entschluss. ihre Geschichte auf zu schreiben. Der Ich-Erzähler verarbeitet durch das Schreiben sein Leben. In seinem Kopf sind viele Versionen ihrer Geschichte zu finden, er glaubt dass die geschriebene Fassung die richtige ist.
"[...] hat sich unsere Geschichte in meinem Kopf viele Male geschrieben, immer wieder ein bisschen anders, immer wieder mit neuen Bildern, Handlungs- und Gedankenfetzen. So gibt es neben der Version, die ich geschrieben habe, viele andere. Die Gewähr dafür, dass die geschriebene die richtige ist, liegt darin, dass ich sie geschrieben und die anderen Versionen nicht geschrieben habe. Die geschriebene Version wollte geschrieben werden, die vielen andern wollten es nicht."
Dieser Roman enthält eine sehr breite Palette an Aspekten, in die man sich enorm vertiefen könnte. Ich habe versucht die aus meiner Sicht wichtigsten Themen in mittlerem Rahmen in den vorhergehenden Seiten abzuhandeln. Allerdings war es nicht möglich, jede aufgeworfene Frage vollumfänglich zu beantworten.
Der Roman Der Vorleser wird sich früher oder später in der literarischen Fachwelt verankern. Ansonsten hätte er in der kurzen Zeit seit seiner Herausgabe kaum so viele Preise und Auszeichnungen verliehen bekommen.
Es lohnt sich dieses Werk zu lesen.
Anhang
Worterklärungen zum Werk
Fremdwort Seite Erklärung
Architravs 8 auf Säulen ruhender Querbalken
kokett (kokette Pose) 17 gefallsüchtig, frech, aufreizend
Mopp 39 Staubwedel für den Boden (deutscher Begriff)
Avantgarde 87 Vorkämpfer einer Idee
maliziös 93 boshaft-spöttisch, hämisch, mit offensichtlichem Spott
obstruktiv 94 hemmend, behindernd, verzögernd
pedantisch 97 sehr genau, extrem gewissenhaft
divergieren 106 voneinander abweichen, unterschiedlicher Meinung sein
partiell 109 teilweise
korrumpieren 115 jemanden moralisch oder sittlich verderben
Sud 117 eine Art ein Eintopf
Diskrepanz 129 Abweichung, Unterschied
fahrig 131 zerstreut
bizarr 140 wunderlich, seltsam
akkurat 144 sorgfältig, ordentlich
mäandern 149 sich winden (Fluss, Bach)
agitieren 160 aggressiv werben, politisch beeinflussen
grotesk 171 absonderlich, wunderlich
Schimäre 173 Hirngespinst, Trugbild, Einbildung
avisieren 189 anpeilen, ein Ziel verfolgen
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