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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Dm-abwertung und petersberger abkommen


1. Drama
2. Liebe

Für die frisch gebildete Bundesregierung und ihren Chef gab es keine Schonfrist, keine Zeit der Einarbeitung. Von den berühmten hundert Tagen, die nach demokratischen Traditionen einer neuen Regierung einzuräumen sind, konnte keine Rede sein. "Die ersten Schwierigkeiten ... sind schon da", schrieb er am 29. September an Wilhelm Sollmann, den in den USA emigrierten Kölner Sozialdemokraten. Das war fast untertrieben, denn es herrschte eine hektische Atmosphäre. Zwischen dem 20. Und 28. September trat das Kabinett achtmal zusammen, mitunter zweimal am Tag. Hinzu kamen inoffizielle Zusammenkünfte, eine Art Wirtschaftskabinett, das auch mehrmals tagte.
Kaum war die Regierung vereidigt, wurden von ihr weitreichende Entscheidungen verlangt. Es ging um den Außenwert der D-Mark, genauer um eine erhebliche Abwertung. Im öffentlichen Bewußtsein von heute kommt die Stärke der deutschen Währung in einer langen Reihe von Aufwertungen zum Ausdruck, die 1961 mit dem bescheidenden Schritt von 4,20 zu 4,00 DM für den Dollar begonnen hatte. Tatsächlich hatte es bereits ein Jahr nach der Währungsreform eine massive Abwertung gegeben. Diese hatte ihre Ursache hauptsächlich darin, daß 1948 der Außenwert der Mark auf 3,33 DM für den Dollar festgelegt worden war, was viel zu hoch war. Dieses Kursverhältnis konnte dem westdeutschen Wirtschaftsraum zwar billige Importe verschaffen, aber kaum große Erfolgsaussichten für den Export bieten. Das Wirtschaftswunder, das zu einem ganz entscheidenden Teil durch den Export ermöglicht wurde, weil deutsche Waren auf dem Weltmark billiger und besser als die Konkurrenz waren, hätte zu dem ursprünglichen Kurs kaum Wirklichkeit werden können.
Am 18. September 1949 hatte Großbritannien das Pfund drastisch abgewertet. Nach langjähriger Mißwirtschaft und einem enormen Handels- und Zahlungsbilanzdefizit entschloß sich die britische Regierung nach vorheriger Konsultation mit Washington zu einer Abwertung von 30 Prozent. Nur wenige Länder wie die Schweiz, Italien und die Türkei folgten diesem Schritt nicht. Holland und die skandinavischen Länder werteten in gleichem Maße ab. Andere gingen nicht so weit; Frankreich senkte den Außenwert des Franc nur um 22,5 Prozent.
Wahrscheinlich hatte die Welle der Abwertungen nicht direkt mit der Bildung der Bundesregierung und damit der endgültigen auf die Beine gekommenen Bundesrepublik etwas zu tun. Die Angleichung vieler Währungen an ihren tatsächlichen Wert war fällig; sie mußte einmal erfolgen, auch in Hinsicht auf die Konsequenzen des Marshallplans. Daß die internationale Kommentierung des Abwertungsgeschehens jedoch völlig überging, was denn mit Westdeutschland geschehen sollte, war wohl kein Zufall. So erscheint der Eindruck nicht abwegig, daß die Konkurrenten der westdeutschen Wirtschaft durch die Abwertung ihrer eigenen Währungen in dem Augenblick Ballast abwarfen, als der westdeutsche Staat endgültig auf der Bildfläche erschien.
Die Bank Deutscher Länder hatte nach der Abwertung des Pfundes umgehend den Zahlungsverkehr mit dem Ausland eingestellt. Ein neuer Kurs mußte festgesetzt werden - aber welcher? Und wer war dafür zuständig, die Bundesregierung oder die Hohen Kommissare?
Das Kabinett hatte sich seit dem 20. September fast in jeder Sitzung mit dem Problem beschäftigt. Adenauers Einstellung verdient in mehrfacher Hinsicht Beachtung. Zum einen verließ er sich nicht allein auf den Sachverstand der zuständigen Ressortminister und der Spitzen der Bank Deutscher Länder, Vocke und Bernard, sondern er zog noch zwei hochkarätige Experten hinzu: Hermann J. Abs und Pferdmenges.
Während Pferdmenges als finanzieller Ratgeber und Parlamentarier schon zum festen Adenauerschen Beraterstamm gehörte, hatte es mit der Hinzuziehung von Abs doch eine besondere Bewandtnis. Dieser hatte die zwanziger Jahre weitgehend im westeuropäischen Ausland zugebracht und war vornehmlich in den Niederlanden und in England im Bankgeschäft tätig gewesen. Er kannte die Volkswirtschaften Westeuropas und der USA genau und hatte als Experte für Währungsfragen im damaligen Deutschland nicht seinesgleichen.
Die Bedeutung von Abs kommt wohl am besten dadurch zum Ausdruck, daß er bei den bedrängten Raumverhältnissen des Museums König, dem ersten Kanzlersitz, ein eigenes Arbeitszimmer in der Nähe von dem des Kanzlers besaß. Bei wichtigen wirtschaftspolitischen Fragen zog ihn der Kanzler - besonders in den Anfangsjahren - zu den Kabinettsberatungen hinzu.
Die mit 3,33 DM bereits erheblich überbewertete westdeutsche Währung kam durch die Abwertung in den anderen Ländern völlig ins Hintertreffen. Sie mußte folgen, aber was war der beste oder, genauer, der am wenigsten schädliche Prozentsatz?
Adenauer leitete die Aussprachen im Kabinett über diese Frage sehr geschickt; er verhielt sich rezeptiv und erbat Vorschläge. Erhard tendierte in wortreichen Ausführungen mehr in die Richtung auf eine Abwertung von 20 Prozent, während Abs stärker die Exportinteressen betonte und für 25 Prozent eintrat. Es versteht sich von selbst, daß die Kabinettsrunde mit dem Kanzler einig war, den Begriff "Abwertung" in der Öffentlichkeit natürlich zu vermeiden. Damit wollte man nichts zu tun haben. Aber wo lag der richtige Punkt? Bis auf 30 Prozent herunterzugehen zögerte man, um den Eindruck zu vermeiden, die Bundesrepublik wolle sich dem Sterlingblock nähern. Gegen eine solche Einschätzung bestand eine erstaunlich starke Abneigung. Aber bevor man sich über den Abwertungssatz einig wurde, ließ Adenauer keinen Zweifel daran, wer für diese Entscheidung zuständig war: nicht die Hohen Kommissare, sondern allein die Bundesregierung. Vor der Beschlußfassung etwa bei den Kommissaren anzufragen, was denn diese meinten, erschien ihm abwegig. Zitat: "Die Alliierten haben die Kontrolle bei allen diesen Sachen. Die Entscheidung aber haben wir. Die Alliierten können nachher sagen: Ihr habt etwas gemacht, was nicht richtig ist ("Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1949", Bd. 1, Seite 299-306)."
Diese durch das Besatzungsstatut gedeckte Eigenständigkeit der Entscheidungsfindung betonte er so stark, um zugleich den Unterschied zu dem "Kuddelmuddel" in Frankfurt bei der Bizonenverwaltung möglichst deutlich zu machen, denn mit der für ihn unerträglichen Verfilzung der dortigen Behörden mit ihren alliierten Kontrolleuren sollte nun endgültig Schluß sein.
Die Einschätzung, daß die Alliierten allenfalls nachträglich Kritik zu üben hätten, sollte sich jedoch als krasses Mißverständnis herausstellen, denn sie saßen am längeren Hebel und zeigten rasch, wer wirklich das Sagen hatte.
Am 24. September hatte das Kabinett beschlossen, den Kurs der D-Mark auf 22,5 Dollarcents festzulegen. Das hätte einem Kurs von einem Dollar für 4,50 DM entsprochen. Am folgenden Tag, einem Sonntag, traf sich der engere Wirtschaftsausschuß in Rhöndorf. Man wußte inzwischen, daß die Alliierten unter sich uneinig waren, und schlug sich auf die amerikanische Seite, indem man sich auch mit einem geringeren Abwertungssatz, nämlich 23,8 Dollarcents, einverstanden erklärte. Das Kabinett übernahm diesen Vorschlag am nächsten Tag. Das entsprach dem alten Dollar-Mark-Verhältnis von 1 : 4,20. Am Abend war McCloy eigens nach Rhöndorf gekommen und signalisierte weitgehendes Entgegenkommen. Darüber hinaus versprach er, auf die westeuropäischen Partner positiv einwirken zu wollen, was besonders Adenauer sehr erfreute. Denn mit den Verbündeten der Amerikaner haperte es. Besonders die Franzosen waren daran interessiert, die DM-Abwertung geringer als die des Franc ausfallen zu lassen. Doch auch mit dem geringeren Satz von 23,8 Dollarcents kam die Bundesregierung vorerst nicht durch.
Am 28. September erhielt die Bundesregierung den Beschluß der Alliierten Hohen Kommission übermittelt, der sie mit aller Klarheit über die tatsächlichen Zuständigkeiten und Machtverhältnisse belehrte. In ihm wurden keine Einwände gegen den Kurs von 0,238 Dollar für eine Mark erhoben, was im Klartext bedeutete, daß der Kurs von den Alliierten akzeptiert wurde. Das war aber nicht alles. Weiter teilte der Beschluß mit, daß jegliches "Dumping" aufzuhören habe und das binnen sieben Tagen Maßnahmen zu treffen seien, wonach der Preis für Exportkohle von der DM-Abwertung nicht berührt werde ("Kabinettsprotokolle der
Bundesregierung 1949", Bd. 1, Seite 93). Frankreich war einer der Hauptabnehmer für Ruhrkohle. Der Bundeswirtschaftsminister bezifferte die sich daraus ergebende Mehrbelastung auf 420 Millionen DM, eine für damalige Verhältnisse Beträchtliche Summe. Das Echo im Bundestag auf den alliierten Beschluß notierte Blankenhorn als "teilweise sehr stark", was eher ein diplomatisches Understatement darstellte.
Angesichts dieses drohenden Konfliktes fuhr Adenauer am folgenden Tag, dem 29. September, auf den Petersberg. Es war das zweite Mal, daß er mit den Hohen Kommissaren dort zusammentraf. Eine Woche zuvor hatte er seinen Antrittsbesuch gemacht. Die Alliierten hatten dem ersten Treffen große Bedeutung beigemessen( Adenauer, Konrad: "Erinnerungen 1945-1953", Seite 233-235). Es sollte ihm mit alliierten Pomp das Besatzungsstatut übergeben werden. Das war ihm bei seinem ausgeprägten Sinn für Würde und seiner Abneigung gegen Diskriminierungen aber zuwider. Er wollte kein Dokument feierlich entgegennehmen, das nichts anderes beinhaltete als die eigene Inferiorität.
Bei diesem ersten Besuch glaubte das alliierte Protokoll, den Unterschied zwischen Besatzern und Besetzten deutlich machen zu müssen, indem die Hohen Kommissare auf einem Teppich standen, Adenauer jedoch davor Aufstellung nehmen sollte. Die Geistesgegenwart Adenauers, mit der er bei der Begrüßung den Teppich betrat und dort stehen blieb, ist immer wieder beschmunzelt worden, aber es ist so etwas wie eine symbolische Geste: Die trotz aller Freiheits- und Gemeinschaftsrhetorik auf ihre Siegerrolle bedachten Alliierten wollten den mit dem erheblichen Mißtrauen zur Kenntnis genommenen neuen Juniorpartner, den Bundeskanzler, die Distanz spüren lassen, die ihrer Meinung nach fortbestehen sollte, während der Kanzler dies bewußt nicht zur Kenntnis nahm und sich einen kalkulierten Regelverstoß erlaubte.
Am 29. September, beim zweiten Besuch, ging es jedoch um mehr. Adenauer kam nicht allein, sondern mit einem Expertenteam. Ihn begleiteten die Wirtschaft und Währung befaßten Minister Blücher, Erhard, Schäffer, dann Abs und Vocke sowie der unentbehrliche Blankenhorn. Nie wieder ist Adenauer mit soviel Gefolge auf dem Petersberg erschienen. In Zukunft kam er in der Regel allein, nur von Blankenhorn begleitet. Offensichtlich fühlte er sich sicherer und auch zu Konzessionen eher fähig, wenn nur sein loyaler und verschwiegener engster Mitarbeiter anwesend war.
Bei diesem Treffen zwischen dem Kanzler und den Hohen Kommissaren (siehe Bild 7) stand viel auf dem Spiel. Es kam darauf an, wie der westdeutsche Regierungschef sich gegenüber den Vertretern der Alliierten behauptete. Adenauer argumentierte außerordentlich geschickt. Verbindlich und beharrlich fragte er nach der Rechtsgrundlage des Beschlusses der AHK vom 28. September. Es sei für ihn "eine Frage von denkbar großer Bedeutung" für das Verhältnis zwischen AHK und Bundesregierung. Er wollte wissen, ob die Aufteilung der Kompetenzen, wie sie das Besatzungsstatut vorsah, eingehalten würde oder nicht. Denn eindeutig bestand kein Recht der Alliierten, beispielsweise "binnen sieben Tagen" Maßnahmen zu fordern, damit die Interessen der Kohle importierenden Länder geschont würden. Bohrend fragte er: "Was habe die Erhöhung der inländischen Kohlepreise mit dem Besatzungszweck zu tun?", oder anders herum: "Warum solle Deutschland der Schweiz billigere Kohle liefern?" Ihm ging es um eine grundsätzliche Klärung, er wollte erreichen, daß dieser Beschluß nicht als Präjudiz für spätere Maßnahmen ähnlich fragwürdiger Art dienen konnte. Deswegen forderte er eine förmliche Aussprache über die Rechtslage.
Der französische Hohe Kommissar Andre Francois-Poncet, der in diesem Monat den geschäftsführenden Vorsitz in der AHK innehatte und als Vertreter derjenigen Regierung agierte, die die Abwertung mit dem gespaltenen Kohlepreis verknüpft hatte, trat Adenauer gegenüber mit jenem traditionellen französischen Superioritätsgefühl auf, das auf Nicht-Franzosen selten überzeugend wirkt. Mit falschem Pathos erklärte er, "die Überlegungen der Alliierten seien im wesentlichen durch den Gedanken an das Wohl der deutschen Wirtschaft bestimmt worden, das sie nicht nur bei Tag, sondern auch bei Nacht beschäftige". Wie Hohn mußte es wirken, wenn der französische Diplomat die Hohe Kommission als "Berater und Freund Deutschlands" darstellte. Über die Rechtslage ließ er sich auf keine Diskussionen ein. Sachverständige könnten wohl darüber beraten, der "Austausch würde aber kein positives Ergebnis haben". Man würde zwar jederzeit Vorschläge entgegennehmen, aber die endgültige Entscheidung liege bei den Hohen Kommissaren.
Abwertung und Kohlepreis traten jedoch in der Bedeutung gegenüber dem Problem der Demontagen zurück. Hier lag der gefährliche Sprengstoff für das politische, wirtschaftliche und psychologische Verhältnis der jungen Republik zu den Siegermächten. Nachdem die Bundesrepublik mit Bildung einer eigenen Regierung endgültig in die Existenz getreten war, wurde immerhin mehr sichtbar, daß verschiedene Entwicklungsstränge der alliierten Nachkriegspolitik sich überschnitten. Die Demontagen erfolgten nach einem Programm, das auf der Moskauer Außenministerkonferenz im März 1947 festgelegt und später in Washington modifiziert worden war. Die Demontagen waren ein Produkt der Nachkriegszeit, als die Fiktion einer Viermächtekontrolle noch nicht aufgegeben war. Mit der Gründung der Bundesrepublik sollte ein neuer Anfang gemacht werden, die Demokratie westlichen Gepräges sollte ihre werbende Kraft entfalten, sie sollte die Westdeutschen im Lager des Westens halten und sie zugleich gegen Versuchungen aus dem Osten immun machen. Um die Westdeutschen aber zu gewinnen, konnte man sie nicht auf dem Stand der Nachkriegsbehandlung mit all ihren Beschränkungen und Schikanen halten.
Das am 22. November 1949 zustandegekommene Petersberger Abkommen brachte eine beträchtliche Veränderung der politischen Situation, die noch acht Wochen zuvor kaum vorstellbar schien. Kein Wunder das Adenauer am späten Abend des Tages nach endlosen Redaktionsarbeiten den Petersberg "in gehobener Stimmung" verließ. Man hatte ein konstruktives Ergebnis erzielt. Die drohende Konfrontation wurde vermieden, weil allen Seiten mehr oder weniger bewußt war, daß für die schwebenden Fragen Lösungen gefunden werden mußten, die das gemeinsame Ziel, die Bundesrepublik im Lager des Westens zu verankern, nicht dauerhaft schädigten, die aber auch dem westeuropäischen Sicherheitsbedürfnis Rechnung trugen.
Im Oktober, nach dem ungeschickten Manöver der DM-Abwertung, definierte Dean Acheson die Amerikanische Westeuropa-Politik und ihr Ziel, konstruktive deutsche Mitarbeit im Interesse von Westeuropa als Ganzem zu ermöglichen. Das konnte nur im Rahmen der Integration geschehen. Entscheidend jedoch war das Wie: "Der Schlüssel zum Fortschritt auf dem Gebiet der Integration liegt in Französischen Händen." Frankreich solle die Initiative übernehmen, denn nur Frankreich, allein Frankreich kann die entscheidende Führung übernehmen, um Westdeutschland in Westeuropa zu integrieren. Das State Department wollte bewußt Frankreich die Vorhand lassen. Die Westeuropäische Einigung sollte über Frankreich laufen, und man strebte nicht etwa unter Umgehung oder gegen den Widerstand Frankreichs eine engere Zusammenarbeit der USA mit der Bundesrepublik an. Auch über den ebenso einflußreichen wie frankophilen amerikanischen Publizisten Walter Lippmann, der sich Anfang Oktober in Bonn aufhielt, ließ McCloy Adenauer die Botschaft übermitteln, daß er sich mit Frankreich verständigen müsse, um amerikanische Hilfe zu bekommen.
Das Petersberger Abkommen hatte für Adenauer vor allem deshalb hohe Bedeutung, weil es eine unmittelbare Entlastung brachte, denn eine Reihe wichtiger Stahlwerke, an der Spitze die August Thyssen Hütte in Duisburg und bedeutende Unternehmen der chemischen Industrie, darunter die Farbenfabriken Bayer, wurden von der Demontageliste gestrichen. Schiffe mit begrenzter Tonnage durften wieder gebaut werden, auch solche für Exportzwecke. Die Stahlerzeugung wurde jedoch auf 11,1 Millionen Tonnen festgeschrieben, wie die Franzosen es gewünscht hatten. Die Aufnahme konsularischer Beziehungen stellten die Alliierten in Aussicht, allerdings wurde der Kriegszustand noch nicht für beendet erklärt. Die grundsätzliche Frage, ob die deutsche Wirtschaft eine echte Entwicklungschance bekommen oder künstlich niedrig gehalten werden sollte, wurde aufgeschoben. Die Demontagen zogen sich noch bis 1952 hin. Der sichtbare Erfolg bestand für Adenauer in der allgemeinen Erleichterung, daß bedeutende Unternehmen und damit viele unersätzliche Arbeitsplätze gerettet wurden. Diese Positive Veränderung der Situation brachte Adenauer die für ihn sehr wichtige Unterstützung des deutschen Gewerkschaftsbundes ein. Die Begrenzung der Stahlproduktion auf 11,1 Millionen Tonnen schaffte das Problem zwar nicht aus der Welt, aber Adenauer konnte fürs erste mit der politischen Abschlagzahlung zufrieden sein. Was noch offenblieb, konnte bei den nächsten Verhandlungen aus der Welt geschafft werden.
Die Debatte des Bundestages am 24. November ist vor allem durch den Zwischenruf Kurt Schumachers - Adenauer sei "der Kanzler der Alliierten" - in die Geschichte eingegangen (Auszug der Debatte in: Adenauer, Konrad: "Erinnerungen 1945-1953", Seite 285-293). Er war der Höhepunkt einer chaotischen Sitzung, die bis in die Morgenstunden dauerte. Der Alkoholausschank war nicht unterbunden, so daß ein Teil der Ausfälligkeiten und Störungen auf mangelnde Nüchternheit zurückzuführen war. Die Sozialdemokratie war darüber frustriert, daß die Opposition vom Bundeskanzler bewußt über die Entwicklung zum Petersberger Abkommen nicht auf dem laufenden gehalten worden war, und sie beanstandete mit stichhaltigen Gründen die Haltung der Regierung, das Abkommen nicht durch das Parlament ratifizieren zu lassen. Da es aber noch kein Verfassungsgericht gab, entfiel die Möglichkeit der rechtlichen Überprüfung. Es war naheliegend, daß die Opposition das Ergebnis als mager bezeichnete. Zunehmende Verbitterung machte sich bei Schumacher bemerkbar, als Adenauer triumphierend die Meldung über die Zustimmung des DGB zum Petersberger Abkommen verlas. Als Adenauerim weiteren Verlauf der Debatte die Situation durch die Alternative charakterisierte: Entweder Beitritt zur Ruhrbehörde oder, was Robertson schon angekündigt habe, Durchführung der Demontagen bis zum Ende, fiel der ominöse Zwischenruf vom "Kanzler der Alliierten". Was Schumacher damit zum Ausdruck bringen wollte, ist simpel. Er wollte den Kanzler verletzen, ihn beleidigen. Hinzu kam wahrscheinlich in dieser Situation der Haß auf den erfolgreichen Gegenspieler, der die Opposition in eine schwierige Lage Manövriert hatte. Nachdem der Satz in verschiedenen Zusammenhängen immer herangezogen wird, stellt sich unabhängig von dem unmittelbaren Kontext jedoch die Frage, was darunter zu verstehen ist.
Adenauer war insofern der Kanzler der Alliierten, als er niemals die Westbindung in Frage stellte und bei seinen Forderungen stets im Rahmen dessen lag, was die Alliierten noch hinzunehmen bereit waren. Er diente ihnen aber niemals als Handlanger, sondern nervte sie oft durch die zähe Wahrnehmung deutscher Interessen, So veranlaßte er sie mitunter zu größeren Konzessionen, als sie ursprünglich einzuräumen bereit waren. Gerade in den Jahren 1949 und 1950 war er auch für McCloy noch keineswegs ein vertrauenerweckender Partner. So unbequem er den Alliierten oft erschien, konnte sie seiner doch sicher sein, von ihm nicht durch einen Bündniswechsel geschockt zu werden.
In Adenauers Augen stellte das Petersberger Abkommen noch im Rückblick den entscheidenden Durchbruch dar. Auch wenn das Ergebnis eher bescheiden wirkt, war es ihm gelungen, in direkten Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren zu einer Einigung zu gelangen, die alle Anzeichen des Vorläufigen trug. Gerade das war es aber, was ihn hoffnungsfroh stimmte. Vor den Betriebsangehörigen der August Thyssen Hütte sagte er am 20. Dezember: "Geduld ist ja die stärkste Waffe des Besiegten, ist seine einzige Waffe, und von dieser Geduld müssen wir Gebrauch machen( aus StBKAH 02.05)." Damit wollte er vor allem deutlich machen, daß die Deutschen auf dem von ihm beschrittenem Wege beharrlich fortschreiten mußten.
Im Rückblick, als die Bundesrepublik eine gefestigte Stellung in der Welt einnahm, vergaß er die bescheidenden, aber entscheidenden politischen Anfänge nicht. In vielen Reden kam er noch Jahre später immer wieder darauf zurück. Eher beiläufig, aber voller Überzeugung erklärte er etwa am 6. April 1960im Bundestag zum Petersberger Abkommen, es sei das Abkommen gewesen, das den Demontagestop brachte , das uns den Anschluß an den Westen brachte und das uns die Möglichkeit wiedergab, ein freies Volk zu werden. Das war die entscheidende Wende in der ganzen Politik der Bundesrepublik ("Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, Stenographische Berichte", Seite 5938).
Mit etwas weniger Überzeugung läßt sich immerhin sagen, daß hier tatsächlich die Weicheneinstellung erfolgte, die seine Politik fortan bestimmen sollte.

 
 

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