Situation: Susi betritt ein Zimmer, und die dort Anwesenden brechen in lautes Lachen aus. Für sie ist das sehr verwirrend, denn entweder sehen sie die Situation anders, oder sie sind im Besitz von Informationen, die ihr unbekannt sind.
Sie sucht nun nach ANHALTSPUNKTEN für das Lachen (dreht sich z.B. um, ob irgendjemand Faxen hinter ihrem Rücken macht, verlangt eine Erklärung für ihr Verhalten...)
Jeder Zustand der Konfusion löst also eine sofortige Suche nach Anhaltspunkten aus, die zur Klärung der Ungewißheit und dem damit verbundenen Unbehagen dienen können.
Eine Folge von Konfusion, nämlich die Tatsache, daß sie unsere Wahrnehmung für unter Umständen kleinste Einzelheiten schärft, ist von großem Interesse.
In ungewöhnlichen Lagen, zum Beispiel in großer Gefahr, sind wir unvermutet gewisser Reaktionen fähig, die vollkommen aus dem Rahmen unseres Alltagsverhaltens fallen können.
Im Bruchteil einer Sekunde und ohne auch nur zu überlegen, können wir komplizierte, lebensrettende Entscheidungen treffen und durchführen.
DER KLUGE HANS:
Ein gewisses Maß an absichtlicher Unaufmerksamkeit erhöht unsere Sensibilität gerade für die besonders kleinen, averbalen Kommunikationen, die in zwischenmenschlichen Situationen oder solchen zwischen Mensch und Tier von besonders ausschlaggebender Bedeutung sein können.
Diese Phänomene sind von großem Interesse für die KOMMUNIKATIONSFORSCHUNG und für Untersuchungen der Natur dessen, was wir WIRKLICHKEIT nennen.
1904 ging einer der ältesten Wunschträume der Menschheit in Erfüllung: Die Verständigung zwischen Mensch und Tier.
Ein pensionierter Lehrer in Berlin hat seinem Pferd Hans, einem 8-jährigen Hengst, Arithmetik beigebracht, auch die Fähigkeit, die Uhr zu lesen, und Fotos von Leuten zu erkennen, die ihm vorgestellt worden waren.
Der Kluge Hans klopfte das Ergebnis mathematischer Aufgaben mit seinem Huf. Die Ergebnisse nichtnumerischer Aufgaben buchstabierte er (indem er für a einmal klopfte, für b zweimal usw.)
Seine Fähigkeiten wurden äußerst sorgfältigen, wissenschaftlichen Prüfungen unterzogen, man wollte die Möglichkeit einer Täuschung durch geheimes Signalisieren seitens seines Herrn gänzlich ausschalten.
(Hans Leistungen waren in Abwesenheit seines Herrn fast ebenso gut wie in dessen Gegenwart!) Wissenschaftler und Fachleute schlossen eine absichtliche Täuschung aus wie auch eine unwillkürliche Zeichengebung.
Jedoch im Dezember 1904 hatte Prof. Dr. Carl Stumpf festgestellt, daß das Pferd versagt, wenn die Lösung der gestellten Aufgabe keinem der Anwesenden bekannt ist.
Das Pferd versagt auch, wenn es durch große Scheuklappen die Personen, denen die Lösung der Aufgabe bekannt ist, (meistens der Fragesteller) nicht sehen kann.
= Das Pferd muß im Laufe des langen Rechenunterrichts gelernt haben, während des Tretens immer genauer die kleinen Veränderungen der Körperhaltung, mit denen der Lehrer UNBEWUSST die Ergebnisse seines eigenen Denkens begleitet, zu beachten und als Schlußzeichen zu benutzen.
Wir Menschen senden fortwährend Signale aus, deren wir uns unbewußt sind und über die wir daher keinen Einfluß haben.
Jeder, der eine enge Beziehung zu einem Tier (besonders Katze, Hund, Pferd) hat, weiß, wie erstaunlich genau die Wahrnehmungen und das Verständnis dieses Tieres besonders dann zu sein scheint, wenn es sich um AFFEKTGELADENE Situationen handelt. In solchen Situationen geben wir vorübergehend einige unserer intellektuellen Haltungen auf und werden somit dem Tier viel verständlich. Tiere sind total auf die richtige Wahrnehmung und Auslegung kleinster Anhaltspunkte angewiesen.
In ihrem täglichen Leben, vor allem auf freier Wildbahn, sind sie dauernd Situationen ausgesetzt, die für ihr Überleben die richtige Einschätzung der Situation und die richtige Entscheidung in Bruchteilen von Sekunden erfordern.
SUBTILE BEEINFLUSSUNGEN:
Nicht nur Tiere, sondern auch wir Menschen unterliegen also Beeinflussungen, die uns nicht bewußt sind und zu denen wir daher auch keine bewußte Stellung ergreifen können.
Wir selbst sind nicht nur EMPFÄNGER, sondern auch SENDER solcher außerbewußter Beeinflussungen, wie sehr wir uns auch bemühen mögen, sie zu vermeiden.
Wir beeinflussen unsere Mitmenschen fortwährend in verschiedenster Weise, ohne uns dessen bewußt zu sein. Diese Sparte der Kommunikationsforschung stellt uns vor philosophische und ethische Probleme der Verantwortlichkeit. Sie zeigt nämlich, daß wir die Urheber von Einflüssen sein können, von denen wir nichts wissen, und die uns unter Umständen völlig unannehmbar wären, wenn wir von ihnen wüßten.
BEISPIEL: Die Mutter eines Jugendkriminellen legt oft zwei sehr widersprüchliche Haltungen an den Tag:
. eine "offizielle" kritische, die gutes Benehmen und Respekt für gesellschaftl. Normen verlangt
. und eine ganz andere, averbale, indirekte und provozierende Haltung, der sie sich selbst in Tat und Wahrheit unbewußt ist. Dem Außenstehenden, und vor allem ihrem Sohn, ist das Leuchten ihrer Augen und ein gewisser "Stolz" bei der Aufzählung des Sündenregisters ihres Kindes unverkennbar.
Eckhard H. Hess (Universität Chicago) beschäftigte sich mit solchen averbalen, mittelbaren Einflüssen. Er fand heraus, daß die Pupillengröße keineswegs nur von der Stärke des einfallenden Lichts abhängt, sondern auch von GEFÜHLSMÄSSIGEN FAKTOREN.
Er konnte im Laufe seiner Untersuchungen feststellen, daß Zauberkünsteler und Taschenspieler plötzliche Veränderungen der Pupillengröße genau beachten und daraus ihre Schlußfolgerungen ziehen. Wird zum Beispiel jene Karte aufgeschlagen, die sich die Versuchsperson merkte, so vergrößern sich meist ihre Pupillen.
(Experiment: 2 gleiche Bilder einer Frau, bei einem Bild Pupillen der Frau vergrößert.
Reaktion: wirkt "fraulicher", hübscher, weicher.)
Pupillenreaktionen sind also nur eine von vielen averbalen und außerbewußten Verhaltensweisen, die die zwischenmenschliche Wirklichkeit alltäglich und nachhaltig beeinflussen.
AUSSERSINNLICHE WAHRNEHMUNGEN:
Es besteht also kein Zweifel, daß wir alle viel mehr wahrnehmen und von unseren Wahrnehmungen viel mehr beeinflußt werden, als wir wissen.
Wir sind in einem dauernden Austausch von Kommunikationen begriffen, über die wir uns nicht bewußt Rechenschaft geben, die unser Verhalten aber weitgehend bestimmen.
VERSUCH:
25 Karten, von denen je 5 dasselbe Symbol haben (Kreuz, Kreis, Quadrat, Fünfeck oder Wellenlinie). Versuchsperson soll Symbol der Karte erraten, die Versuchsleiter abhebt und ansieht.
Versuchsperson rät einmal pro Karte, Versuchsleiter teilt sofort mit, ob sie richtig oder falsch geraten hat. Es wird eine Konfusion erzeugt, in der die Versuchsperson zu den subtilsten Wahrnehmungen Zuflucht nimmt. Wenn nun der Versuchsleiter beim Ansehen eines bestimmten Symbols jeweils dasselbe minimale Anzeichen gibt (z.B.: winzige Kopfbewegung) steigt die Erfolgskurve der Versuchsperson rasch an (vorausgesetzt, es wird dasselbe Minimalzeichen für dasselbe Symbol gegeben).
Das Interessante ist, daß die Versuchsperson den wahren Grund für den Erfolg nicht kennt und fest annimmt, tatsächlich "außersinnliche" Fähigkeiten in sich entdeckt zu haben.
Aller Wahrscheinlichkeit nach beruht ein Großteil angeblichen Gedankenlesens und Hellsehens eben auf dieser menschlichen Wahrnehmungs - und Deutungsfähigkeit minimaler Anzeichen.
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