Das erscheinen des Briefromans "Die Leiden des jungen Werthers" im Herbst 1774 war eine Sensation. Das Buch zog nicht nur ein großes Leserpublikum in Deutschland und im Ausland an, es zeigte auch, dass sich die Anteilnahme am Schicksal des Helden bis zum "Wertherfieber" steigerte, was sogar zu Selbstmorden führte.
Doch der eigentliche Werther-Kult blieb eine Sache der gebildeten Stände. Werthers Kleidung, sein Auftreten kam in Mode. Seine exzentrische Sprachweise wurde zur Umgangssprache der Liebenden und versicherte die Außerordentlichkeit ihrer Beziehung.
Vor dem "Werther" boten die Romane den Lesern einen Stoff an, welcher leicht nachvollziehbar war. Der Leser suchte in einem Roman immer einen Nutzen, d.h. der Roman mußte den zeitgenössischen Wertvorstellungen entsprechen.
Diese Auffassung änderte sich grundlegend nach der Veröffentlichung des Briefromans. So kam es, das es in erster Linie der Stoff war, besonders der Selbstmord als anstößiges Ereignis, der die Wirkung des Buches ausmachte.
Der Roman durchbrach einige Tabus:
. ... daß sich Werther nicht auf die Wertvorstellungen seiner Zeit, sondern auf die Menschen, auf deren Herz, beruft.
. ... daß die Liebe und die Leidenschaft einen Menschen in den Tod stürzen können.
. ... daß Selbstmord kein Verbrechen ist.
Dies alles entsprach einer neuartigen Auffassung von Moral. Goethe stellt die Grundlagen der Gesellschaft in Frage. Er will gegen die Verurteilung des Selbstmordes im 18. Jahrhundert kämpfen, da dieser ein juristisches Verbrechen darstellte.
Goethe spricht hier als Anhänger der Sturm- und Drang - Generation und des Geniekults.
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