Der Dialog hat die Epik in die Nähe des Dramas gedrückt und umgekehrt wächst das Drama aus der Erzähltechnik. Es entsteht ein episiertes Drama, das die alten Grenzen der Gattungen verschwimmen läßt. Die Handlung wird reduziert zugunsten der Milieudarstellung. Der Zustand ersetzt die Tat, aus dem Helden wird das Opfer. Der unfreie Mensch ist den Zwängen seiner Umwelt und seiner Psyche ausgesetzt. Es trifft ihn keine Verantwortung, er kann nicht tragisch schuldig werden, denn er ist eine Willenlose Marionette. Die neue Weltsicht verlangt auch eine veränderte Form: Es entfällt eine Abgerundete Handlung, Anfang und Ende bleiben häufig offen. So wird das Drama zu einer Folge von aneinandergereihter Szenen.
Die Grundforderung aller naturalistischer Theoretiker ist die Lebensechtheit der Figuren, ihrer Sprache und der Handlung. Ansonsten beziehen sie die unterschiedlichsten Positionen. Doch es erscheint klar, daß die naturalistische Bewegung ihre Erfolge und ihr Überleben bis zum heutigen Tag dem Dramatiker Gerhart Hauptmann verdankt. Er ist der künstlerisch größte Exponent des Naturalismus und sein Überwinder zugleich, denn er kommt zu der Erkenntnis: "Der Zweck aller Kunst ist nicht die absolute Nachahmung der Natur, weil diese letztere eine Unmögliche ist. Wäre sie möglich, so fiele sie mit der Natur zusammen, und die Kunst wäre ausgeschaltet."
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