Was bedeutet die größte Schrifstellerin der DDR, wenn die DDR nicht mehr existiert? Wie eine ganze Generation von Intellektuellen war Christa Wolf ein Symbol des alternativen deutschen Systems. Ein SED Mitglied bis zu dem Sommer 1989 hatte Wolf gegen die deutsche Vereinigung gesprochen. Ihr Kampf dafür ist zu Ende, aber gibt es einen Platz für Wolf im vereinten Deutschland?
Nach dem Streit um Christa Wolfs Erzählung Was Bleibt, schien es keinen Platz für Wolf in Deutschland zu geben. Im Februar 1993 reiste Wolf mit ihrem Mann nach Santa Monica, Kalifornien, wo sie ein Stipendium bei dem Getty Center bekam. Diese Gelegenheit bedeutete für Wolf ein Exil von den Vorwürfen in Deutschland.
Der Streit um Wolf fing mit der Veröffentlichung der Erzählung Was Bleibt, die im Jahre 1979 geschrieben aber erst im November 1989 veröffentlicht wurde, an. Wir wissen nicht genau, was im Jahre 1979 geschrieben wurde und was in November 1989 überarbeitet wurde. Am Ende der Erzählung steht: \"Juni-Juli 1979/November 1989.\" Die Debatte ging zuerst um die späte Veröffentlichung ihrer Erzählung. Was für eine Widerstandskämpferin war Christa Wolf, die keinen Mut hatte, im Jahre 1979 Was Bleibt im Westen zu veröffentlichen? Die Kritiker sagten, daß Wolf als Intellektuelle im Osten viele Privilegien gehabt habe, und der Staat Wolf unterstützt habe, weil Wolf, mit Hilfe ihres inneren Zensors, den Staat auch unterstützte. Wolf war nämlich ein Mitglied der SED und Kandidatin des ZKs, aber die Kritiker führen an, daß Wolf Was Bleibt veröffentlichte, um als Opfer des kommunistischen Staates zu erscheinen. Ihr Image als Staatsschriftstellerin ist schlecht geworden. Diese harte Kritik war sehr persönlich. Der Streit um Christa Wolf fragte wirklich nach den Werten der DDR Literatur allgemein. Der zweite Streit um Wolf war im Jahre 1993, als bekannt wurde, daß Wolf einmal eine \"inoffizieller Mitarbeiterin\" der Stasi war. Es sah aus, als ob die frühere Kritik Recht gehabt hätte. Ihre Arbeit für die Stasi war nur für eine kurze Zeit vom März 1959 bis Oktober 1962, als der Kommunismus noch idealistischer gesehen wurde. Wolf war jung und hatte noch nicht begonnen zu schreiben. Kurz nach dem zweiten Streit reiste Wolf in die Vereinigten Staaten. Christa Wolf verteidigte sich selbst nicht laut. Es findet sich lediglich ein Hinweis, der sich direkt auf die Erzählung bezieht, in ihrem 1994 veröffentlichen Band ,,Auf dem Weg nach Tabou\":
,,Unter anderem warf man mir ja vor, ich, die ich eigentlich `Staatsdichterin\' gewesen sei, würde mich in diesem Text widerrechtlich als Verfolgte aufspielen. Ich muß mich fragen, ob die Leute nicht lesen können, oder nicht lesen wollen; vielleicht beides.\" 3
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