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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die ambivalenz von atlantis


1. Drama
2. Liebe

a) Vielleicht kann sich aber der Erzähler - entsprechend der durchgängigen Ambivalenz - auch glücklich preisen, daß seine Schau wieder in \'\'durchbohrenden und zerreißenden jähen Schmerz\'\' umgeschlagen ist. Denn nur so wird verhindert, daß es ihm auf Dauer so geht wie dem Anselmus, der ja aus der Dialektik von Schauen und Kopieren herausgefallen ist und keine Bücher mehr schreiben kann, der überhaupt nicht - entgegen Jochen Schmidts Ansicht - zum wirklichen Dichter geworden ist, sondern in seinem \'\'Leben in der Poesie\'\' eher mit dem wahnsinnigen Serapion zu vergleichen ist.
Eigentlich ist es erstaunlich, daß der \'\'Goldne Topf\" in vielen Interpretationen v.a. unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung des Anselmus und deren Idealisierung betrachtet und damit so interpretiert wird, als handle es sich um ein Märchen von Novalis. In seiner Hoffmann-Biographie weist Safranski auf eine Parallele zwischen dem Schicksal des Anselmus und dem des Elis Fröbom in Hoffmanns Erzählung \"Die Bergwerke zu Falun\" (1818) hin (Rüdiger Safranski, E.T.A. Hoffmann. Das Leben eines skeptischen Phantasten, München/Wien 1984, S.322). Der Bergmann Elis Fröbom flieht am Hochzeitstag aus der Umarmung seiner Braut und fährt in den Berg ein, weil er im Bereich der Erd- und Berg-Elementargeister der \"Suggestion des Wunderbaren\" in Gestalt der \"Bergkönigin\" erlegen ist, entsprechend der Verlockung des Anselmus durch Serpentina, die Tochter des Feuer-Elementargeistes. Der \"Fall\" des Elis Fröbom endet buchstäblich im Kristall: er wird im Berg verschüttet und viele Jahre später in Vitriolwasser \"kristallisiert\" wiedergefunden. Also nicht nur das Untergehen in den prosaischen bürgerlichen Verhältnissen bedeutet das Gefangensein im \'\'Kristall\'\'; Safranski sagt: \'\'Auch das Versinken im Wunderbaren, das die Brücken zur Realität abbricht, führt ins \'gläserne Gefängnis\', das lehrt diese Erzählung. [...] Ist aber dann Atlantis nicht auch ein \'gläsernes Gefängnis\', in dem Anselmus, nunmehr von der \'prosaischen\' Wirklichkeit gänzlich getrennt, eingesperrt ist?\'\' (a.a.O.) E.T.A. Hoffmann lehnt die Verabsolutierung des Utopischen ebenso ab wie die Ideologie der bürgerlichen Gesellschaft seiner Zeit. Es geht ihm um das \'\'Dazwischen\'\' (Safranski). Und das repräsentiert im \" Goldnen Topf\" (abgesehen vom Archivarius) der Erzähler.
b) Die Szene der Atlantis-Vision weist direkt auf des Novalis \'\'Märchen von Hyazinth und Rosenblüte\'\' aus den \'\'Lehrlingen zu Sais\'\' (1798) hin: Von Hyazinth, den der Traum ins Allerheiligste des Tempels führt, heißt es dort: \'\'... da schwand auch der letzte irdische Anflug, wie in Luft verzehrt, und er stand vor der himmlischen Jungfrau, da hob er den leichten, glänzenden Schleier, und Rosenblütchen [seine eigentlich gar nicht himmlische, sondern bürgerlich-normale Freundin aus früherer Zeit] sank in seine Arme.\'\' Im \'\'Goldnen Topf\'\' würde das bedeuten, daß sich in Atlantis die mythische Serpentina nun doch als die bürgerliche Veronika herausstellen und daß Anselmus mit Serpentina-Veronika ins alltägliche Leben zurückkehren würde. Denn \'\'Hyazinth lebte nachher noch lange mit Rosenblütchen unter seinen frohen Eltern und Gespielen\'\', und auch die \'\'unzähligen Enkel\'\' fehlen nicht. (Novalis, Schriften. Erster Band, Hrsg.v. P. Kluckhohn und R. Samuel. Darmstadt 1960, S. 95)
Dieser Vergleich macht sehr prägnant den Unterschied zwischen Früh- und Spätromantik deutlich: Bei Novalis gelingt noch, wenigstens auf der Ebene des Märchens, der Kunst, die Vermittlung von Traumwelt und Realität, Innen und Außen, Kunst und Bürgertum und ist damit letztlich wohl noch im Sinne einer an Schiller orientierten ästhetischen Erziehung im Zusammenhang der dreischrittigen Geschichtsphilosophie zu verstehen: Das Märchen kann dem Leser als Modell einer Romantisierung und Potenzierung der gesellschaftlichen Verhältnisse dienen. Hoffmann beläßt Anselmus mit Serpentina in Atlantis und beordert stattdessen den Anselmus-Doppelgänger Registrator Heerbrand zu Veronika, die auf diese Weise doch noch ihren feudalistisch-bürgerlichen Traum,\'\'Frau Hofrat\'\' zu werden, erfüllt bekommt. Statt Vermittlung: Aufspaltung in einerseits bürgerliche, andererseits phantastische Einseitigkeit - und der Erzähler hin- und hergerissen zwischen beiden Polen und dadurch innerlich zerrissen.

 
 

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