Wer den oben stehenden Text gelesen hat, der hat sicherlich einige parallelen zum Roman von Patrick Süskind entdeckt. Aber auch einige Sachen die sich mit dem Roman nicht decken. Zum Beispiel die voranschreitende Sensibilisierung der Bevölkerung wird in dem Buch nicht beschrieben. Die ganze Hysterie in dieser Zeit um den Gestank wird in dem Roman nicht behandelt. Sicherlich wäre dieses Kapitel zu dieser Zeit der Geschichte des Romans auch nicht dienlich. Doch was die detaillierte Beschreibung und die menschlichen Reaktionen auf Düfte angeht kann man einiges aus der Geschichte des Geruchs ziehen. Ich möchte anhand einiger Beispiele die parallelen hervorbringen und beziehe mich dabei auf den oben stehenden Text.
Die Philosophen am Anfang des 18. Jahrhunderts beschrieben den Geruch als etwas animalisches, etwas Triebhaftes, als Sinn der Begierde. Grenouille der sicherlich vermochte den natürlichen menschlichen Geruch analytisch zu betrachten (S.191) fand seine Faszination in dem Geruch von jungen hübschen Mädchen. Dieser Geruch weckte in ihm etwas animalisches, etwas triebhaftes, etwas Böses, was zurecht in diesem Zusammenhang von der Menschheit verachtet wurde. Das Animalische in ihm zeigt sich in seiner Entschlossenheit den Geruch von seinen Opfern besitzen zu wollen ("... und er hatte nur die eine Sorge, von ihrem Duft nicht das geringste zu verlieren."). Das Animalische wird auch öfter in dem Roman beim Namen genannt: Grenouille der Zeck!
Nachdem Grenouille sein erstes Opfer getötet hatte, saugt er ihren Geruch in sich auf. Dabei wird beschrieben wie er das genau macht und es zeigt sich, daß Bordeu genau diese Körperstellen als eindeutig bezeichnet hinsichtlich ihres Eigengeruchs. Der faszinierende Geruch der von den Mädchen ausgeht, wird im Zuge der Sensibilisierung genaustens erklärt. Der Geruch eines Menschen besteht aus vielen einzelnen Faktoren die sich zusammenfügen und den eigentlichen Geruch bilden. Diese Faktoren müssen bei Grenouilles Opfern alle so gegeben sein, daß sie die richtige "Mischung" haben und somit Grenouille gefallen. Die 25 Mädchen die Grenouille in Grasse ermordete lebten alle an dem gleichen Ort, erlebten also alle die gleiche Jahreszeit zur gleichen Zeit, sie atmeten alle die gleiche Luft, nahmen alle die gleiche Nahrung aus dieser Region zu sich und lebten alle im gleichen Klima. Diese Gemeinsamkeiten machten sie alle zu potentiellen Opfern. da Grenouille keine männlichen Opfer hatte kann man davon ausgehen, daß der weibliche Geruch eine besondere Faszination auf ihn auswirkte. Aber er schätzte den Geruch von reifen Mädchen mehr als den von Kindern ("Er wußte, daß Kinder nicht sonderlich rochen, ebensowenig wie die grün aufschießenden Blumen vor ihrer Blüte"). Er wartete also noch bis das Mädchen das richtige Alter erreicht hatte um dann ihren Geruch an sich zu reißen. Das Kinder nicht sonderlich riechen, läßt sich mit der Theorie bestätigen, daß das Geschlecht erst seine geruchliche Auszeichnung erlangt, wenn es zur Reife gekommen ist. Dann versprüht die Frau den für ihr Geschlecht typischen Geruch, den Männer unbewußt wahrnehmen. Grenouille hingegen kann diesen Geruch genaustens wahrnehmen und ergründen und er weiß, daß der Geruch des Mädchens noch besser ist, wenn sie gereift ist. Diesen geschlechtliche Geruch und die damit zusammenhängende Wirkung auf das andere Geschlecht nannte Bordeu Animalisierung. Welche Auswirkungen der menschliche Geruch haben kann verdeutlicht uns Patrick Süskind auf Seite 194 seines Romans. Grenouille hatte aus einfachen Mitteln einen Menschenduft für sich entworfen. Diese analytische Arbeit, den menschlichen Geruch auf seine Bestandteile aufzuspalten spiegelt die wissenschaftliche Arbeit im 18. Jahrhundert wieder, die versuchte im Bereich der Gerüche jeden Geruch zu analysieren und zu benennen.
Grenouilles Reise führt in unter anderem auch nach Montpellier. Dort trifft er auf einen Menschen der eine Theorie vertritt, daß die von der Erde ausgeschiedenen Gase für das Altern und das Gebrechen der Menschheit verantwortlich sind. Diese Theorie erdachte sich Patrick Süskind nicht, denn sie war Realität. Diese Theorie wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wirklich aufgestellt und vertreten. Das diese Theorie Erfolg hatte läßt eher auf die hysterische Situation schließen, als auf ihre Richtigkeit.
|