6. 1 Nachwort von Robert Merler /
r />
...Rudolf Lang hat existiert. Er hieß in Wirklichkeit Rudolf Höß und war Lagerkommandant von Auschwitz. Das Wesentliche aus seinem Leben ist uns durch den amerikanischen Psychologen Gilbert bekannt, der ihn während des Nürnberger Prozesses in seiner Zelle befragte. Das Resümee dieser Gespräche-das mir Gilbert zu Verfügung stellte-ist insgesamt unendlich viel enthüllender als die Beichte, die Höß selbst später in seinem polnischen Gefängnis niedergeschrieben hat. ( Anm.: Rudolf Höß- \"Kommandant in Auschwitz\" ) Der erste Teil meines Romans ist eine literarische \"Neuschöpfung\" des Lebens von Rudolf Höß nach dem Gilbertschen Resümee. Der zweite Teil-in dem ich, wie ich glaube, die Arbeit eines Historikers geleistet habe-schildert nach den Dokumenten des Nürnberger Prozesses die langsame, tastende Einregulierung der Todesfabrik von Auschwitz.
Denkt man darüber nach, so übersteigt es jedes Vorstellungsvermögen, daß Menschen des 20. Jahrhunderts, die in einem zivilisierten Land Europas lebten, soviel Methode, Findigkeit und schöpferische Gaben eingesetzt haben sollen, um einen riesigen industriellen Komplex zu errichten mit dem Ziel, ihresgleichen massenweise zu ermorden.
Gewiß, noch bevor ich meine Recherchen zu \"Der Tod ist mein Beruf\" begann, wußte ich, daß von 1941 bis 1945 fünf Millionen Juden in Auschwitz vergast worden sind. Aber das abstrakte Wissen ist das eine, und etwas ganz anderes ist es, in offiziellen Texten der materiellen Organisation des furchtbaren Völkermords in Berührung zu kommen. Das Ergebnis meiner Lektüre machte mich schaudern. Ich konnte jeden einzelnen Fakt nachweisen, und doch war die ganze Wahrheit kaum zu glauben. Es gibt viele Möglichkeiten der Wahrheit den Rücken zu kehren. Man kann in den Rassismus flüchten und sagen: die Menschen, die das getan haben waren Deutsche. Man kann auch die Metaphysik bemühen und wie ein Priester, den ich einst kannte, ausrufen: \"Das ist das Werk des Teufels! Das ist das Werk des Bösen!....\"
Ich für meinen Teil glaube eher, daß alles möglich wird in einer Gesellschaft,deren Handlungen nicht mehr von öffentlichen Meinung kontrolliert sind. Von dem Augenblick an, kann es geschehen,daß ihr der Mord als die schnellste Lösung ihrer Probleme erscheint.
Was furchtbar ist un uns eine desolate Meinung vom Menschengeschlecht aufdrängt: um ihre Pläne auszuführen, findet eine Gesellschaft dieses Typs unweigerlich die willigen Werkzeuge für ihre Verbrechen.
Einen solchen Menschen wollte ich in meinem Roman beschreiben. Man möge sich nicht täuschen: Rudolf Lang war kein Sadist. Der Sadismus wucherte in den Todeslagern, aber auf der unteren Ebene. Weiter oben war eine ganz andere psychische Ausrüstung vonnöten.
Es hat unter der Naziherrschaft Hunderte, Tausende Rudolf Langs gegeben, moralisch innerhalb der Immoralität, gewissenhaft ohne Gewissen, kleine Kader, die Dank ihrer Zuverlässigkeit und dank ihren \"Verdiensten\" zu den höchsten Ämtern aufsteigen. Alles was Rudolf Lang tat, tat er nicht aus Grausamkeit, sondern im Namen des kategorischen Imperativs, aus Treue zum Führer, aus Respekt vor dem Staat. Mit einem Wort, als ein Mann der Pflicht: und gerade darin ist er ein Ungeheuer.
|