Ulrich, dessen Familienname "aus Rücksicht auf seinen Vater verschwiegen" wird - wie sich Musil in ironischer Selbstanspielung ausdrückt -, ist die zentrale Gestalt des Romans. Die Handlung setzt im August 1913 ein. Zu dieser Zeit ist Ulrich 32 Jahre alt und hat schon drei Versuche, als Offizier, Ingenieur bzw. Mathematiker "ein bedeutender Mann" zu werden unbefriedigend hinter sich. Schließlich erkennt er, daß ihm das Mögliche viel mehr bedeutet als das Wirkliche. Er beschließt, "ein Jahr Urlaub von seinem Leben zu nehmen", um die "Ursache und den Geheimmechanismus" dieser Wirklichkeit zu begreifen. Damit zieht sich Ulrich in die Passivität zurück. Er fühlt sich als Mann ohne Eigenschaften, weil er nicht mehr den Menschen, sondern die Materie als Zentrum moderner Wirklichkeit ansieht. Ulrich sieht sich mit den Problemen seiner Zeit, mit den Widersprüchen zwischen Logik und Gefühl, Kausalität und Analogie, Wissenschaftsgläubigkeit und Kulturpessimismus konfrontiert. Im ersten Band tritt Ulrich als Sekretär der "vaterländischen Aktion" auf. Ein Komitee soll die Feiern zum siebzigjährigen Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josephs I. im Jahre 1918 als "Parallelaktion" zu dem im selben Jahr stattfindenden dreißigjährigen Regierungsjubiläum Wilhelms II. vorbereiten. Ihr ironisches Doppelgesicht erhält die Parallelaktion dadurch, daß das Jahr 1918 den Zusammenbruch der beiden Monarchien bedeutet. Das geplante Jubelfest erhält somit von vornherein die Attribute einer Beerdigungsfeier. Im Umkreis der Parallelaktion begegnet Ulrich der empfindsamen Ermelinda Tuzzi - er nennt sie ironsich Diotima -, deren Mann, dem Sektionschef Tuzzi, dem Grafen Leinsdorf und dem General Stumm von Bordwehr, sowie dem "Großschriftsteller" Arnheim, dem Diotima in plationischer Leidenschaft verfällt. Außerdem treten auf: Ulrichs Jugendfreund Walter, die Nietzsche-Jüngerin Clarisse, der Prophet Meingast, der Bankdirektor Leo Fischl, dessen Tochter Gerda und ihr Freund Hans-Sepp. Ulrichs Schwester Agathe, deren Ehemann Hagauer und Freund Lindner bilden einen weiteren Personenkreis. Entscheidend ist bei diesen Gruppierungen allein der Bezug auf Ulrich. Sie alle personifizieren bestimmte Möglichkeiten und Anlagen Ulrichs. Arnheim fungiert als Gegenfigur zu Ulrich, denn er glaubt gefunden zu haben, was Ulrich sucht: eine neue Moral in der Synthese zwischen Ratio und Seele. Dagegen fühlt sich Walter, wie anfangs auch Ulrich, zu Besonderem berufen. Nach etlichen gescheiterten Versuchen als Zeichenlehrer, Musikkritiker etc., hat er sich schließlich in eine bequeme Beamtenstellung geflüchtet. Extremes Sinnbild der aus den Fugen gegangenen Welt ist die Gestalt des wahnsinnigen Prostituiertenmörders Moosbrugger, bei dessen Gerichtsverhandlung Ulrich als Zuhörer bewußt wird, daß Moosbruggers Wahnvorstellungen mit den Erfahrungen Ulrichs übereinstimmen. Die Erfahrungen mit Diotima und Arnheim sowie der Wahnsinn Moosbruggers zwingen Ulrich wieder zu einer kritischen Überprüfung seines Erkenntnisprozesses.
Im zweiten Band versucht Ulrich in der Gemeinschaft mit seiner Schwester Agathe den "anderen Zustand" zu leben. Die Geschwister treffen sich zum ersten Mal nach langer Zeit beim Begräbnis ihres Vaters. Dabei erkennt Ulrich, daß erst bei einem Zusammenleben mit ihr, sein Dasein für ihn einen Sinn hat. Es beginnt eine inzestuöse Beziehung zwischen den beiden, die aber - und Ulrich weiß das -, keine Zukunft hat.
Ulrich, der "Mann ohne Eigenschaften", hieß anfangs Achilles, später Anders, und auch der Titel wechselte mehrfach ("Der Spion", "Die Zwillingsschwester"). 1930 erschien der erste Band (mit den Teilen "Eine Art Einleitung" und "Seinesgleichen geschieht"), der Musils Weltruhm begründete. Auf Drängen seines Verlegers Ernst Rowohlt erschienen 1933 weitere 38 Kaptitel des Romanwerks unter dem Titel "Ins tausendjährige Reich". Martha Musil gab aus dem Nachlaß 1943 weitere 40 Kaptitel heraus, und Adolf Frisé fügte in seiner Ausgabe von 1952 zusätzliche Kapitel hinzu und komponierte auf eine höchst umstrittene Weise den Abschluß des 3. und einen 4. Teil.
Thematische Beziehungen verbinden den "Mann ohne Eigenschaften" mit früheren Werken, den "Verwirrungen des Zögling Törleß" und den Erzählungen "Drei Frauen" wobei es nicht zuletzt um die Erkenntnis einer "Anderen Wirklichkeit" geht.
Der Roman "Mann ohne Eigenschaften" reflektiert und kombiniert die Anschauungen u. a. von Nietzsche, Mach und Freud. Ulrichs Mangel an "Wirklichkeitssinn" entspricht der Vorzug eines "Möglichkeitssinns". Der "Möglichkeitssinn" ist offen für die Erfahrungen eines "anderen Zustands", den Ulrich, im zweiten Band, in der inzestuösen Gemeinschaft mit der Zwillingsschwester Agatha (vergeblich) zu leben versucht.
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