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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Der gute gott von manhattan - die liebe zwischen jan und jennifer


1. Drama
2. Liebe

Jan und Jennifer leben ohne Probleme, unbelastet von der Vergangenheit, losgelöst von Glauben und Moral, von Althergebrachtem und sozialer Verpflichtung. Sie gehören keiner Gruppe an, deren Erwartungen sie erfüllen und deren Verurteilung sie befürchten müssen. Sie haben keine Zusammenstöße mit der Umwelt. Es gibt weder Haß noch Intrigen, keine Rache, Eifersucht, Verrat oder Mord, dennoch gehen die Liebenden zugrunde.
Die Liebe zwischen beiden tendiert zum Absoluten. Mit ihrer Liebe streben Jan und Jennifer nach dem irreversiblen Ausstieg aus der herrschenden Norm. Die Liebe, die das gesellschaftlich legitimierte Maß an gegenseitiger Zuneigung bewußt überschreitet, unterläuft damit die unausgesprochenen Konventionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Daß die Liebesbeziehung scheitert, liegt weniger an menschlichen Fehlern von Frau oder Mann. Die gesellschaftlichen Verhältnisse dieser feindlich gesinnte Gegenwelt der Liebenden, die einem Gott untersteht , verhindern die Realisation einer solchen absoluten Liebe. Liebende sprengen die Konventionen "in den Senkrechten und Geraden der Stadt", deshalb sind sie zum Scheitern verurteilt. Denn einer solchen Liebe außerhalb aller Normen dieser Welt ist als einzige Konsequenz der Untergang bestimmt.

Die Liebe von Jan und Jennifer durchläuft alle Stadien von einer flüchtigen Reisebekanntschaft bis zu einer leidenschaftlichen, tiefen Liebe, bei der die beiden rettungslos aneinander verloren, ausbrechen aus den Fesseln von Raum und Zeit und allen Bindungen, in denen sie bisher lebten. Auf das Ende ihrer Beziehung wird bereits in der Bar angespielt; die Zigeunerin kann Jennifer nicht aus der Hand lesen, da sie bereits gezeichnet ist. Liebe wird als Kreuzigung dargestellt. Die Vollendung ihrer Liebe im Tod wird auch durch das Höhersteigen im Hotel, vom ersten bis in das 57. Stockwerk, symbolisiert. In dieser Höhe verliert sich letztendlich jeder Bezug zur Realität.
Jan braucht mehr Zeit, die bis zur letzten Hingabe orientierten Liebesleidenschaft Jennifers zu erreichen; auch er ist es, der trotz aller Beteuerungen für einen Augenblick rückfällig wird. Er tut am Ende einen kleinen Schritt, der nicht wieder gutzumachen ist. Dennoch ist es zumindest fragwürdig, wenn nicht abwegig, eine grundlegende Differenz beider Liebenden in dem Totalitätsanspruch ihres Gefühls herauszustellen. Es ist nicht einleuchtend, wenn man Jennifers Bereitschaft zu bedingungsloser Selbstäußerung als Ergebnis der "Machtausübung des Mannes" deklariert, wie Peter Beicken es in seiner Studie über Ingeborg Bachmann getan hat. Die Frau ist hier keineswegs hineingedrängt in die Rolle der Hingabe, wie Beicken es meint. Auch wenn der Mann am Schluß nicht durchhält, kann durchaus nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, er spräche im Augenblick seiner Liebesextase nur in "hohlen Phrasen" und es handle sich in seinen Äußerungen lediglich um "eine Sprachübung". Es geht hier nicht um den gesellschaftlichen Einfluß im Rollenspiel von Frau, wie Beicken es behauptet hat. Sondern diese hier dargestellte Liebe ist in sich dem Untergang geweiht und geht an der in der Struktur der Welt liegenden Unmöglichkeit der Realisierbarkeit zugrunde geht. Wie die Dichterin selbst sagt, handelt es sich um einen jener Grenzfälle der Liebe, wie sie in den historischen Fällen von Tristan und Isolde, Romeo und Julia u. a. vergleichsweise veranschaulicht wird. Der eigentliche Grund des Untergangs liegt in der Gebrechlichkeit der Welt; in ihr kann das Absolute - absolute Liebe, absolute Treue, der "andere Zustand" - nicht sein bzw. nicht dauern. Es ist nicht die Norm der Gesellschaft, sondern die Norm der menschlichen Existenz, gegen die eine solche absolute Liebe verstößt.

 
 

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