Der AmtsmannIm Jahre 1775 trat Goethe sein neues Amt in Weimar an. \" Er ging auf wie ein Stern, an dem jedermann hing, sonderlich die Damen.\"(Knebel)
Im kommenden Jahr war er das erste mal in Ilmenau. Gründe dafür waren ein Raubüberfall und ein Brand, welcher aber keinen großen Schaden anrichtete. Die Geschäfte der Wegebaukommission, des Bauwesens und der Bergwerkskommission machten seine wiederholte Anwesenheit notwendig.
Goethes amtliche Pflichten erforderten, die Einwohner Ilmenaus durch Erschließung neuer Erwerbsquellen aus der bitteren Armut zu befreien, allerdings dadurch auch die Steuerkraft Ilmenaus zu heben. Mit großer Tatkraft und zäher Beharrlichkeit leitete er zwanzig Jahre lang den Ilmenauer Bergbau. Schon während seines ersten Besuchs in Ilmenau schrieb er an den Herzog:
\" Ich habe traurig die alten Oefen gesehen\"
und an Frau von Stein:
\"Ach, könnten wir nur auch bald den armen Maulwürfen von Ilmenau wieder Lohn und Brot geben.\"
Leider waren diese Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt. Aufgrund des niedrigen Metallgehaltes, der hohen Aufwendungen für die Bewältigung des Grubenwassers und notorischen Geldmangels mußte der Bergbau aufgegeben werden.
Goethes Schützling Krafft berichtet Goethe regelmäßig über Gewerbe, Stadtverfassung und Steuerverhältnisse. Mißwirtschaft, Vetternwirtschaft und Veruntreuungen waren an der Tagesordnung. Es war höchste Zeit, daß sich eine einflußreiche Person daran machte, Ilmenau aus diesem Sumpf zu ziehen. Als Leiter der Ilmenauer Steuerkommission deckte Goethe die Betrügereien auf und organisierte das gesamte Steuerwesen mit Erfolg neu.
Wie er seine Berufspflichten auffaßte, darüber urteilt der Goethekenner Voigt:
\"Soweit wir irgend Goethes amtliche Tätigkeit verfolgen, müssen wir eingestehen, Goethe hat nie eine Angelegenheit als Nebensache behandelt, er hat die minutiöseste Sorgfalt in auch unbedeutende Geschäfte hineingetragen und hat mit unermüdlichen Augen das beste des Landes verfolgt.\"
Immer wieder bemühte sich Goethe um die Ärmsten, kümmerte sich um die Sorgen und Nöte und griff oft helfend ein, weit über den Rahmen seiner amtlichen Tätigkeit hinaus. - Eine bessere Zeit sollte für die Ilmenauer Bürger beginnen.
Der ForscherEs ist sehr interessant, Goethes Beziehung zu den Naturwissenschaften näher zu untersuchen. Von Ilmenau aus hat seine Beschäftigung mit der Natur, anfangs aus praktischem Bedürfnis (Bergbau in Ilmenau), später aus wissenschaftlichem Erkenntnisdrang, ihren Ausgang genommen.
Am 16. März 1824 äußerte der Vierundsiebzigjährige in einem Gespräch mit von Müller und Soret:
\"...Ich kam höchst unwissend in allen Naturstudien nach Weimar, und erst das Bedürfnis, dem Herzog bei seinen mancherlei Unternehmungen, Bauten, Anlagen, praktische Vorschläge geben zu können, trieb mich zum Studium der Natur.
Ilmenau hat mir viel Zeit, Mühe und Geld gekostet, dafür habe ich aber auch etwas dabei gelernt und mir eine Anschauung der Natur erworben, die ich um keinen Preis umtauschen möchte. - Mit allen Naturlehrern und -Schriftstellern getrau ich es mir aufzunehmen; sie scheuen mich alle, wenn sie alle auch schon oft nicht meiner Meinung sind...\"
Sein ernstes Mühen um die praktische Erforschung der Naturzusammenhänge zeigen die bedeutenden Naturstudien im Gebiet des Thüringer Waldes über den Zeitraum von 25 Jahren. An Jacobi schrieb er im Juni 1785:
\"Hier leb\' ich auf und unter Bergen, suche das Göttliche in herbis et lapidibus.\"(in Pflanzen und Steinen). Im Jagdhaus Gabelbach bei Ilmenau sind Goethes botanische, geologische und mineralogische Studien im Thüringer Wald ausgestellt.
Goethes ausgebildetes Streben nach dem Objektiven, nach dem Exakten vereinigt sich ihm mit der Bevorzugung des Sinnlich - Vorstellbaren. Er ist ein \"Augenmensch\", der über die Sinne die Natur empirisch zu erfassen trachtet und alle Verallgemeinerungen aus der Zusammenschau und dem Vergleich der Phänomene gewinnt. Vom Beobachten natürlicher Vorgänge kommt er zur Erkenntnis des Wesentlichen,
Vielfältig ist sein Interesse - in Ilmenau sammelt er Mineralien, beobachtet und zeichnet die Natur, studiert wie ein Student in Jena den Knochenbau bei Tier und Mensch, beschäftigt sich mit der Gestaltbildung der oberirdischen Teile der Blatt- und Blütenpflanzen, mit Licht und Farbe, Wolkenbildung und Wettererscheinung, dem geologischen Aufbau der Erdrinde und mit Physik und Chemie in ihrer technologischen Anwendung.
Goethes naturwissenschaftliche Arbeiten betreffen vor allem
die Mineralogie und Geologie
die Botanik,
die vergleichende Farbenlehre,
die Anatomie und Morphologie
die Meteorologie.
Am Rande berührt werden Fragen der Geographie, Physiologie und Chemie, Gedanken zur Mathematik, zur Elektrizität, zum Magnetismus, zur Tonlehre und anderen Sachgebieten.
Mit welcher Freude und Intensität sich Goethe den Naturstudien hingab, und welchen hohen Gewinn er daraus für sein Gesamtschaffen buchen konnte, beweisen seine Briefe und Gespräche. An Frau von Stein schrieb er 1786:
\"...Wie lesbar mir das Buch der Natur wird, kann ich dir nicht ausdrücken, mein langes Buchstabieren hat mir geholfen, jetzt ruckts auf einmal, und meine ganze Freude ist unaussprechlich. So viel neues ich finde, so find ich doch nichts Unerwartetes, es paßt alles und schließt sich an, weil ich kein System habe und nichts will als die Wahrheit um ihrer selbst willen. - Wie sich das nun vermehren wird, daran denk ich mit Freuden...\"
Goethes dichterische Tätigkeit, seine politische Wirksamkeit und seine naturwissenschaftlichen Forschungen haben sich vielfach gegenseitig beeinflußt und einander durchdrungen. Seinen bedeutungsvollen Schlüssel zu den Naturwissenschaften offenbart er in einem Brief an seinen alten Freund Zelter:
\"Hätt ich mich mit den Naturwissenschaften nicht abgegeben, so hätt\' ich die Menschen nie kennen lernen.\"
Der wirkliche Wert von Goethes Naturwissenschaft liegt nicht in den einzelnen Entdeckungen, die er gemacht hat, sondern in der neuen Art, Wissenschaft zu treiben und die Natur ganzheitlich zu betrachten.
Der Künstler
Den Zeichner Goethe hat der Thüringer Wald vom ersten Besuch an gefesselt. Indessen Freund Carl August dem Wild nachjagte, erforschte er besinnlich die Natur. In einem Brief an Merck 1776 schrieb er:
\"Du kannst denken, wie ich mich auf dem Thüringer Wald herumzeichne. Der Herzog geht auf Hirsche, ich auf Landschaften aus, und selbst zur Jagt führ\' ich mein Portefeuille mit.\"
Die Weimaraner waren recht ungehalten, daß Goethe sich so lang in der \"finstren Räuber- und Waldgegend\" aufhielt. Der Zeitgenosse Wieland schrieb an den Gelehrten Merck:
\"Goethe ist mit dem Herzog noch immer in Ilmenau und zeichnet Tag und Nacht die ganze Hennebergsche Natur ab, unbekümmert, Daß die Welt, die er vergessen hat, so viel von und gegen ihn spricht.\"
Bildsame, interessante Motive boten sich genug: Der Bergbau in Ilmenau, Höhlen und Felsen und vor allem jene weiten Tal- und Fernsichten , die der Maler so rührend-unfertig festzuhalten suchte. Am bekanntesten darunter ist das allerdings gelungene Blatt \"Dampfende Täler bei Ilmenau\". Hier wurde die Gefühlsfülle, aber auch die \"dilettantische Unbefangenheit und Kühnheit\" hervorgehoben. Weitere Blätter geben Situationen wieder, wie sie bei den Vergnügungs- und Jagtausflügen erlebt worden sein könnten. Einzelne davon, mit Sicherheit die Bleistiftzeichnung \"Feuer im Wald\" lassen sich bestimmten Textpassagen des Gedichtes\"Ilmenau\" zuordnen.
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