Das Fastnachtspiel:
Früheste Gattung des weltlichen Dramas in deutscher Sprache- im 15. Jahrhundert im Rahmen stadtbürgerlicher Fastnachtsfeiern entwickelt. Es umfasst meist etwa 100 bis 600 paarweise gereimte Knittelverse und wird meist von 4 bis 10 Mitwirkenden aufgeführt.
Es wurde eine Wandlung des Charakters der deutschen Dichtung vollzogen (weniger ritterlich und höfisch und weniger geistliche Strömungen).
Freude an edler Form - Freude der Bürger an bunten Stoff, Lebenslust, und lehrhafter Verständigkeit.
Veranstalter und Darsteller, üblicherweise Zunftangehörige, hoben durch am Ende stattfindende Prügel- oder Tanz- Szenen die Trennung zwischen Zuschauer und Darsteller auf.
Dargestellte Figuren zeichnen sich durch holzschnittartige oder parodistische Typik aus.
Den Sprachstil bestimmen zu hohem Anteil sexuelles und skatalogisches (kotbetreffend, schmutzige Ausdrucksweise bevorzugend) Vokabular bzw. entsprechende Metaphorik, (aber auch besonders in Prologen) traditionelle Schulrhetorik und literarische Anspielungen.
Die Texte sind als Werk individueller Verfasser anzusehen, die Großteils unbekannt sind. Die Überlieferung konzentriert sich auf Nürnberg mit über 100 und Sterzing (Tirol) mit 26 Stücken.
Innerhalb der Gattung lassen sich zwei Typen unterscheiden:
Das Reihenspiel, hervorgegangen aus einer Folge derb- komischer Einzelsprüche und das
Handlungsspiel das oft an Spätmittelalterliche Schwänke anknüpft. Der älteste Nürnberger Autor, Hans Rosenplüt, schrieb ausschließlich Reihenspiele, der jüngere Hans Folz hingegen überwiegend Handlungsspiele.
Im 16. Jhdt. griff Hans Sachs diese Tradition auf, und begann das Spiel vom Fastnachtsrahmen zu lösen, während Peter Probst noch Hans Folz nahe blieb.
J. Ayrer als jüngster Vertreter des Nürnberger Fastnachtspieles führte die von Sachs ausgehende Entwicklung zu Frühformen des deutschen Lustspieles fort.
Im Lübecker Fastnachtspiel scheinen mythologisch- historische Themen bevorzugt worden zu sein. Schweitzer und Elsässer Fastnachtspiele des 16. Jahrhunderts stehen öfters im Dienst reformatorischer Propaganda.
Das der Fastnacht zeitlich benachbarte jüdische Purimfest
(jährl. Fest der Juden, in dem sie Gott für die Errettung in Persien danken) wurde gleichfalls als Spielrahmen genutzt.
Das Purimspiel überdauerte die eigentlich um 1650 endende Fastnachtspieltradition bis ins 18. Jahrhundert.
Hans Rosenplüt:
Geboren zwischen 1400 und 1405 in Nürnberg,
gestorben nach 1460 in Nürnberg.
Genannt der "Schneperer", lebte meist in Nürnberg und war ab 1444 als Büchsenmacher der Stadt tätig. Sein Werk besteht aus Reimpaargedichten, teils in monologischer (Sprüche) teils in dialogischer Form (Fastnachtspiele).
Mit seinen etwa 30 FSP, die stark auf zotige Komik angelegt sind, ist Rosenplüt zusammen mit Hans Folz der bekannteste Vertreter der Nürnberger Tradition des 15. Jahrhunderts.
Hans Sachs
H.S. war auch einer dieser Bürgerskinder, die Freude an bunten Stoffen, Lebenslust und lehrhafter Verständigkeit hatten.
Geboren am 5.11.1494 in Nürnberg,
gestorben am 19.1.1576 in Nürnberg.
Deutscher Meistersinger und Dichter, Sohn eines Schneidermeisters,
besuchte zunächst die Lateinschule. Mit 15 begann er eine Schuhmacherlehre, wurde später in München Meistersang unterrichtet und kehrte nach der Vollendung nach Nürnberg zurück wo er Meistersinger wurde. Er schrieb etwa 4200 Meisterlieder, was er als seine wichtigste Leistung ansah. HS war unbestritten der berühmteste Meistersinger seiner Zeit. Ihre Liedform nannten sie seit Ende des
15. Jahrhunderts "Bar". Der Bar hat mehrere, gewöhnlich drei "Gesätze", die meist aus 2 "Stollen" mit gleicher Melodie und Metrik und dem andersartigen"Abgesang" bestehen. Die Verse und die Melodie bilden den "Ton". Der Erfinder eines neuen Tones heisst Meister. Es sind über 400 Töne bekannt. Die Meistersinger betrieben die Dichtung zunftmäßig; deren allerpersönlichste Gattung, die Lyrik, wurde bei ihnen zu einer handwerklichen Übung, die von einem Merker (Richter) nach der "Tabulatur"(strenge Ordnung) rein schematisch-regelhaft beurteilt wurde Das Dichten war ein erlernbares Handwerk, das als Nebenberuf und Mittel zur Standeserhöhung betrieben wurde. Die Melodie war einstimmig und liturgieartig. (Liturgie = amtliche oder gewohnheitsrechtliche Form des Gottesdienstes; mit der Gemeinde Gehaltener Teil des Gottesdienstes)
Hans Sachs überragte die zeitgenössischen Meistersänger nicht nur als Dichter, sondern auch als Komponist bedeutend. Seinen melodien wird noch heute inneres Leben nachgerühmt, während die der anderen mehr nur äusserliche Nachahmungen des gregorianischen Kirchengesanges sind. Neu war bei HS, dass er sich an das damals blühende Volkslied anschloss. Man sieht in seiner Musik auch ein Vorbild des späteren protestantischen Chorals. Sowohl Text als auch Musik sind bei ihm aber ungleich sorgfältig gearbeitet; er hat nicht weniger als eine halbe Million Verse geschrieben. Die Metrik (Verslehre) des Meistergesanges war recht primitiv. Man zählte einfach Silben. Diese Missachtung des Wortakzentes erklärt sich aus dem Vorwiegen der Musik und findet eine gewisse Begründung auch in der Tatsache, dass im 16.Jahrhundert viele heute tonlose Silben betont gesprochen wurden. Metrisch verschieden vom gesungenen Meistergesang sind die gesprochenen Verse, die Spruchgedichte, d. h. die Fabeln, Schwänke und die dramatischen Dichtungen. Ihre Form zeigt zeigt scheinbar jambische Verse von 8 bis 9 Silben, aber gleichfalls ohneBerücksichtigung von Wort- und Satzakzent. Man opferte damals den Sinn dem Rhythmus. Verse mit dem gleichen Tonfall sind leichter zu sprechen als solche mit der richtigen Wortbetonung und wechselndem Tonfall.
Anfangs schrieb HS über Geheimnisse der Trinität (Dreieinigkeit), über die Erschaffung der Welt und über andere Glaubenssätze, bald aber, wie auch schon H. Folz, in neuen Tönen auch Stoffe weltlichen Charakters, besonders seit er Boccaccios Decamerone in der sogenannten Steinhöwelschen Übersetzung kennengelernt hatte.
Diese Erzählung erotischer Leidenschaften und Verwicklungen zogen ihn an, doch ließ er bei seinen Bearbeitungen alles Schlüpfrige weg.
Neben Boccaccio boten HS die damals zahlreich erscheinenden Übersetzungen antiker Quellen, alte deutsche Sagen u. a. reiche Stoffeauch für den Meistergesang. Seine Bibliothek umfasste in seinem siebenundsechzigsten Jahre (1562) ohne die 29 handschriftliche Bände zählenden Meistergesänge und Spruchgedichte 82 Bände. HS popularisierte diese Stoffmassen, die z.T. der Humanismus neu erschlossen hatte. HS war ein Stoffgenie, vom Hauch des mitteldeutschen Humanismus umweht, zwar etwas philisterhaft. HS war biederbehaglich und poetisch und er hielt seine Werke von Politik frei. Vaterland ist ihm Teutschland, das er unzählige Male mit den Beinamen "geliebt", "lieb", "herzenslieb" usw. erwähnt, und die freie Reichsstadt Nürnberg, in die sein Vater, der Schneidermeister Georg Sachs, eingewandert war. Oft überraschte bei ihm eine dichterische Liebe zur Natur, aus der auch die volkstümliche Eigenart und herzhafte Frische seiner Werke quillt.
In seinen 85 FSP stand Sachs in der Nürnberger Tradition. Durch die Reformation veränderte Aufführungssituation, ohne Bezug zur Fastenzeit, führte zu einer Reduktion des ursprünglich kontrastiven-obszön- grobianischen Einschlags. H.S. kannte und gebrauchte viele dramentechnische Mittel und band einen gewandten Dialog.
Im Jahre 1520 verstummte Hans Sachs für drei Jahre um sich mit der Reformation auseinander zu setzen.
1523 schrieb er Die Wittembergisch Nachtigall als seinen Beitrag zum großen Glaubensstreite, ferner die >sieben Dialoge |